Prominente Netzwerkausfälle 2020

Die Abhängigkeit vom Internet steigt in ganz Europa

22. März 2021, 8:30 Uhr | Autor: Yogi Chandiramani / Redaktion: Diana Künstler
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© sylverarts/123rf

Virgin Media, Equinix, Microsoft, Cloudflare: Die Liste namhafter Unternehmen, die 2020 von einem Ausfall der eigenen Infrastruktur betroffen waren, ist lang. Dabei bieten die Probleme des vergangenen Jahres einen guten Ausblick auf die noch zu erwartenden Ausfälle.

Während in den ersten Monaten des vergangenen Jahres weitestgehend "Business as usual" herrschte, zeichnete sich bereits im Frühling schnell ab, dass 2020 anders werden würde als die Jahre zuvor. So war zu Beginn des Jahres beispielsweise niemand auf eine Pandemie vorbereitet. Über Nacht wurde die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen auf den Prüfstand gestellt, ohne dass eine kurzfristige Entspannung der Situation in Sicht war.

Die europäischen Behörden reagierten unterschiedlich auf die Krise, was dazu führte, dass jedes Land andere Ausgangsbeschränkungen und Zeitrahmen für die jeweiligen Maßnahmen festlegte. Die Unternehmen passten sich an: Arbeiten von zu Hause wurde zur Norm und die Bedeutung des Internets nahm für Unternehmen und Privatpersonen mehr denn je zu. Mithilfe der Netzwerkanalyseplattform von ThousandEyes konnten die fünf größten Ausfälle der EMEA-Region 2020 beobachtet und ihre Vehemenz eingeordnet werden. Dabei bietet der Rückblick auf das Krisenjahr auch hinsichtlich der digitalen Welt entscheidende Einblicke in die internationale Bedrohungslage und die aktuelle Situation in der Cybersecurity-Branche.

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Die fünf größten Ausfälle in der EMEA-Region 2020

1) 11. Mai 2020 Virgin Media – Störungen offenbaren starke Abhängigkeit von ISPs

Während der Covid-19-Pandemie 2020 hat sich die Abhängigkeit vom Internet und der Infrastruktur von Drittanbietern noch weiter verstärkt. Im Mai, als in vielen europäischen Ländern Lockdowns beschlossen wurden, mussten sich Unternehmen über Nacht auf Homeoffice-Regelungen einstellen. Das Internet besteht aus Tausenden von miteinander vernetzten ISPs (Internet Service Provider). Wird einer dieser ISPs stark beeinträchtigt, hat dies automatisch Auswirkungen auf die anderen. Solche Beeinträchtigungen haben eine massive Veränderung im Datenverkehr zur Folge, die zu einer länger anhaltenden, größeren systemischen Störung führt. Einer dieser Anbieter, Virgin Media, erlebte im Mai 2020 weitverbreitete, zeitweilige Ausfälle von bis zu 15 Minuten. Zwar können diese mitunter auch bedingt durch Betriebsprobleme oder Wartungsarbeiten auftreten und stellen daher keine Seltenheit dar, aber hier war deren Dauer das Bemerkenswerte. Das Jahr 2020 unterstrich daher die gestiegene Abhängigkeit von lokalen ISPs. Diese waren auf die massiven Verlagerungen des Datenverkehrs nicht zwingend gut vorbereitet.

2) 18. August 2020 Equinix – Strom ist essentiell zum Betrieb eines Rechenzentrums

Am 18. August 2020 gab es einen europaweiten Ausfall, der auf ein Problem mit der Stromversorgung zurückzuführen war. Wie sich in der Folge herausstellte, ist zum erfolgreichen Betrieb eines Rechenzentrums nach wie vor Strom ein entscheidender Faktor. Dieser Stromausfall betraf viele Nutzer im Vereinigten Königreich sowie ISPs, die die Services von Equinix nutzen. Equinix ist ein wichtiger Internet-Exchange-Anbieter, der aufgrund seiner effizienten Netzwerkstruktur von vielen Content-Providern und ISPs genutzt wird. Dieser Ausfall zeigt nachdrücklich, dass Strom selbst in einer vernetzten und digitalen Welt ein essentielles Gut ist, um die gewohnten Internetdienste zu betreiben. Zudem verdeutlicht der Ausfall, wie sehr man sich auf die Hardware, in diesem Fall die elektrische, verlässt: Ohne Strom nützt die beste Software nichts.

3) 17. Juli 2020 Cloudflare – Wie sich die Schließung des Front-Door-Service auswirkt

Viele Organisationen verlassen sich auf die Dienstleistungen von Cloudflare beim Schutz ihrer Services vor DDoS-Angriffen, zum Beispiel in Form von Captchas. Dieser Service wird von Cloudflare als Front-Door zu einer Web-App mittels eines DNS-Service bereitgestellt. Die Wartung von DNS-Services ist von grundlegender Bedeutung für die Erweiterung ihrer Kapazitäten, die Optimierung ihrer Infrastruktur und die Durchführung von Routineaufgaben. Am 17. Juli 2020 gab es jedoch einen umfangreichen Ausfall. Hintergrund war ein Konfigurationsfehler, der dazu führte, dass alle DNS-Anfragen zu einer einzigen Cloudflare-Location geleitet wurden. Dies war die Ursache für einen 30-minütigen Ausfall an den europäischen Standorten London, Amsterdam , Frankfurt, Paris, Stockholm und Moskau. Dieser Ausfall verdeutlicht, dass es sich bei DNS um einen wichtigen Service handelt, dessen Skalierung oberste Priorität haben muss. Darüber hinaus wird von den Kunden des Unternehmens eine konstante Funktionstüchtigkeit des Service vorausgesetzt. Welche Folgen ein solcher Ausfall mitunter haben kann, wurde durch diesen Vorfall wieder ganz klar bestätigt.

4) 30. August 2020 CenturyLink – Fast 4 Prozent des weltweiten Internets waren nicht verfügbar

Für das Internet stellt der 30. August 2020 ein historisches Datum dar. Aufgrund einer Wartungsmaßnahme verursachte Level 3/CenturyLink, ein wichtiger Transit-Service-Provider, ganze fünf Stunden lang Ausfälle bei der Verfügbarkeit der eigenen Services. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Internets war ein komplexes Unterfangen. Obwohl Kunden versuchten, den Ausfall durch Umleitung des Datenverkehrs auf andere Service-Provider abzufangen, bot Level 3/CenturyLink weiterhin Routen durch das eigene Netzwerk an, obwohl diese nicht funktionierten, und verursachte so ein schwarzes Loch. Dieser umfangreiche Ausfall zeigt, dass große ISPs einen systematischen Einfluss auf die Strukturen des Datenverkehrs im Internet haben können.

5) 28. September 2020: Backend-Störungen bei Microsoft

Bei Microsoft 365 kam es Ende September zu einer Backend-Störung, die dazu führte, dass sich User nicht mehr bei Microsoft 365 anmelden konnten. Der Ausfall am 28. September dauerte mehr als zwei Stunden, Auswirkungen konnten von 23.20 Uhr bis 02.50 Uhr MESZ beobachtet werden. Dieser Vorfall hat gezeigt, dass die Abhängigkeiten von Drittanbietern noch größer werden, wenn Unternehmen verstärkt Services von Cloud-Providern nutzen.

Auf Sicht fahren ist beim Internet keine Lösung

Im Jahr 2020 gab es eine Unzahl an Vorfällen im Internet: von umfangreichen Verschiebungen des Datenverkehrs, die die ISPs dazu zwangen, ihre Netzwerke neu auszurichten, bis hin zu Cloud-Providern, die durch betriebsbedingte Fehler großflächige Ausfälle verursachten. Eins steht dabei fest: 2020 hat uns gezeigt, dass Einblicke in die Struktur und die Funktionalität des Internets Unternehmen dabei helfen, widerstandsfähig zu bleiben.

In Zukunft wird das Internet für Unternehmen weiterhin eine essentielle Schnittstelle bleiben, um mit Kunden und Geschäftspartnern in Kontakt zu bleiben und die eigenen Unternehmensziele umzusetzen. Während die Internetstörungen im vergangenen Jahr zeigen, dass selbst die ausgeklügelsten Netzwerke nicht vor Ausfällen geschützt sind, lassen sich daraus dennoch Rückschlüsse und Lehren ziehen, die nahelegen, dass eine gut aufgestellte IT viele Probleme bereits im Keim ersticken kann.

Yogi Chandiramani, VP Solutions Engineering EMEA bei ThousandEyes


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