Technologie-Giganten zeigen immer mehr Interesse an eigenen Infrastrukturprojekten. Ihre Services bewegen sich dabei mittlerweile beinahe auf Augenhöhe mit denen traditioneller Netzwerkbetreiber und Telekommunikationsunternehmen. Was steckt dahinter?
Mit dem neuen Dunant-Kabel ehrt der Internetkonzern Google einerseits Henry Dunant, den Gründer des Roten Kreuzes, andererseits ergänzt das Unternehmen seine Kapazitäten hinsichtlich der Datenübertragung zwischen der alten und der neuen Welt. So verfügt das Glasfaserkabel eine Kapazität von 250 Terabits pro Sekunde und verbindet die USA mit Kontinentaleuropa. Google ist damit allerdings nicht der erste große Technologiekonzern, der seine eigene Netzwerk- und Internetinfrastruktur aufbaut. Das vergangene Jahrzehnt ist voller Beispiele von Software-Anbietern, die die Arbeit von Netzwerkanbietern übernommen haben. In der Folge sind die bekannten Technologiekonzerne zu einem festen Bestandteil der Netzwerkinfrastruktur und deren Dynamik geworden.
Dabei nimmt Google – mit wenigen anderen Anbietern – eine Sonderrolle ein. Oftmals scheuen die Tech-Giganten den Alleingang und bilden vorzugsweise Partnerschaften oder Interessensgemeinschaften mit Telekommunikationsunternehmen. So wird beispielsweise das Jupiter-Kabel, das sich im Besitz von AWS und Softbank befindet, in diesem Jahr die USA und Asien verbinden. Zugleich soll das 2Africa-Unterwasserkabel von Facebook, Vodafone und China Mobile 23 Nationen aus der EMEA-Region bis 2024 miteinander verbinden. Nach wie vor liegen Fokus und Wertschöpfung von Software-Unternehmen vor allem auf den Anwendungen und Software-Errungenschaften, die sie vertreiben. Insbesondere angesichts der immer wichtiger werdenden cloudbasierten Abonnement-Services ist dieser Fokus nachvollziehbar. Dass dabei neben den Tiefen der Ozeane auch der Weltraum in Zukunft eine gewichtige Rolle spielen wird, zeigt auch das jüngste Beispiel der Partnerschaft zwischen Microsoft und dem Raumfahrtunternehmen SpaceX. Mithilfe des Starlink-Satellitennetzwerks soll so in Zukunft an jedem Fleck auf der Erde eine Verbindung zum Internet möglich sein – und durch die Partnerschaft auch ein Zugriff auf den Cloudservice Microsoft Azure.
Gleichzeitig ist die Tragweite dieser Entwicklung immens, da Technologiekonzerne effektiv zu den Telekommunikationsanbietern werden, bei denen sie in der Vergangenheit ihren Einfluss auszuweiten versuchten. Auf diese Weise entwickeln sich die einstigen Anbieter von disruptiven Innovationen zu etablierten Mischkonzernen, deren Fokus neben ihrer eigenen Software auch auf der Bereitstellung klassischer Telekommunikationsservices liegt. Warum also verschlingt – metaphorisch gesehen – die Software die Telekommunikation? Welche Vorteile bringt die Investition in und die Entwicklung von Technologien auf diesem Gebiet den genannten Konzernen? Und welche Folgen ergeben sich potenziell aus diesem Rollenwechsel für die Zukunft?
Nach Angaben von Google werden 98 Prozent des internationalen Internetdatenverkehrs über Unterseekabel um die Welt transportiert. Die schiere Dringlichkeit der Vernetzung ist der naheliegendste Grund für Software-Unternehmen, mehr Kontrolle über die Infrastruktur auszuüben. Im Angesicht einer globalen Pandemie wird die Art und Weise, wie die Menschheit arbeitet, lernt, spielt und miteinander in Verbindung bleibt, immer digitaler. Während der landesweiten Ausgangsbeschränkungen verzeichneten Videokonferenzdienste eine noch nie dagewesene Nachfrage. So registrierte beispielsweise Webex im Oktober 2020 eine Rekordzahl von 600 Millionen Nutzern. Eine zuverlässige Vernetzung und Datenverbindung rückt daher logischerweise in den Fokus vieler Unternehmen. Ohne die zugrundliegende Infrastruktur wäre die Geschäftsverbindung der wichtigsten Akteure im Wirtschaftswesen zu ihren Kunden gekappt.
Mit dem Einzug neuer Technologien wie IoT, VR und KI in die Geschäfts- und Verbraucherwelt wächst zudem der Bedarf an zuverlässiger Vernetzung. In der Folge steigt auch die Nachfrage nach höheren Kapazitäten innerhalb der Netzwerke, um die neuen Technologien auch reibungslos betreiben zu können. Die Notwendigkeit, diese Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, haben Software-Anbieter frühzeitig erkannt und ihre entsprechenden strategischen Schlüsse daraus gezogen. Um die aktuellen und vor allem die zukünftigen Bandbreitenanforderungen zu erfüllen, sind Investitionen in den Aufbau von Infrastrukturen zur Priorität geworden.