Infrastrukturen benötigen moderne Lösungen für eine zuverlässige und frühzeitige Schadenserkennung. Für die automatisierte Überwachung von Brücken, Tunneln und Kanälen bieten sich Ansätze basierend auf KI, Datenanalyse und optischen Verfahren an.
Der Artikel liefert Antworten auf folgende Fragen:
Die Inspektion von wichtigen Infrastrukturen ist ebenso notwendig wie auch schwierig. Schreiten Sachverständige vor Ort zur Tat, hat dies oft große Auswirkungen – etwa bei der Sperrung von Brückenabschnitten. Auch der Weg zu den zu prüfenden Stellen ist für Menschen meist nur mit großem Aufwand und hohen Risiken verbunden. Es stellt sich daher die Frage, wie moderne Technologie dabei helfen kann, die Überprüfung solcher Infrastrukturelemente zu vereinfachen und vor möglichen Gefahren frühzeitig zu warnen. Es gilt dabei einerseits Schäden zu entdecken und deren mögliche drastische Folgen zu vermeiden, auf der anderen Seite können durch eine digitalisierte Lösung die teils hohen Kosten einer herkömmlichen Inspektion reduziert werden.
Um Kosten zu senken, können Betreiber auf bereits etablierte Lösungen zugreifen. Eine gängige Methode zur Digitalisierung der notwendigen Schadenserkennung besteht aus zwei Schritten. Dabei erstellen moderne optische Verfahren zunächst Bilddaten, die spezielle Photogrammetrie-Systeme zu 3D-Modellen umwandeln. An diesen digitalen Abbildern der Infrastrukturen, sogenannten Digital Twins, können Ingenieure dann vom PC aus auf Schadenssuche gehen. Dieses Verfahren setzt geeignetes Bildmaterial voraus. Für die Aufnahme an unwegsamen Orten wie Zugtunneln oder Kanälen haben sich bereits mehrere Lösungen gefunden: Von Robotern transportierte Kameras können etwa in der Kanalisation eingesetzt und ferngesteuert werden, Laseraufnahmegeräte können mittels entsprechender Wagen auf den Gleisen einen Tunnel durchqueren und dabei die Wände abtasten. Auch der Einsatz von fliegenden Drohnen verspricht großes Potenzial, zum Beispiel bei Luftaufnahmen von Brücken. Die auf diese Art und Weise gewonnenen Daten ermöglichen es den Experten, sich anhand der generierten 3D-Modelle virtuell durch die Infrastrukturen zu bewegen, Veränderungen zu beobachten und Gefahrenquellen rechtzeitig zu erkennen. Auch lässt sich anhand der Bildervergleiche ablesen, in welcher Geschwindigkeit die Schäden fortschreiten und wie dringend ein Eingreifen erforderlich ist. Da alle diese Analysen ortsunabhängig per Computer durchführbar werden, können Betreiber und Sachverständige Kosten und Risiken reduzieren.
Hilfe bei der Suche nach Unregelmäßigkeiten und Schäden erhalten die Ingenieure von Deep-Learning-Algorithmen, mit denen sich die Inspektion automatisieren lässt. Dazu ist allerdings zunächst ein Schritt zurück notwendig, da für diese Art der Datenverarbeitung 2D-Informationen vorhanden sein müssen. Diese Aufgabe übernimmt die entsprechende Software, die aus den zuvor gewonnenen Ursprungsdaten kompatible 2D-Abwicklungen erzeugt. Erkennen die Deep-Learning-Algorithmen jetzt Schäden in den Bildern, mappen die Systeme sie auf die 3D-Modelle, wo Experten sie beurteilen können. Darüber hinaus können Schäden direkt an einem BIM-Modell (Building Information Modeling) gemeldet werden und geplante Maßnahmen auf diese Weise unterstützen.
Wer mit Deep Learning erfolgreich Schäden in der Infrastruktur aufspüren will, muss von Anfang an auf die passende Technologie setzen. Entscheidend ist dabei die Wahl des richtigen Modells, mit dem die Schadenserkennung trainiert wird. Hier gilt es Methoden zu wählen, die bereits mit wenigen Trainingsdaten einen hohen Erfolg erzielen – um zum Beispiel Risse in den unterschiedlichsten Materialien, etwa in Tunneln oder an Brücken, zu erkennen.
Da die richtige Wahl der Modelle einen zentralen Aspekt bei Projekten zur automatisierten Schadenserkennung darstellt, sollte sie von erfahrenen Experten aus den Bereichen Data Science und Künstlicher Intelligenz begleitet werden. Ist ein passender Algorithmus gefunden, muss er das richtige Training erhalten. Mit Annotationen erhalten Modelle die ersten nötigen Informationen, bei welchen Fällen es sich um Schäden und Abweichungen der Norm handelt. In einem nächsten Schritt analysiert der Algorithmus unbekannte Bilder und wendet das Gelernte in der Praxis an. Wie auch bei der Auswahl der richtigen Modelle sollten diese Schritte von Experten unterstützt werden. Aber auch bei optimaler Umsetzung der modernsten Automatisierungslösungen darf nicht vergessen werden, dass sie die Arbeit von Ingenieuren und Sachverständigen zwar erleichtern, aber nicht ersetzen können. Modelle und Systeme können keine hundertprozentige Sicherheit gewährleisten, womit die letztendliche Kontrollfunktion weiterhin bei den menschlichen Mitarbeitern verbleibt.
Algorithmen müssen auch dann weiter überprüft und trainiert werden, wenn sie sich bereits im Einsatz befinden. Nur so können sie besser werden und durch stetige Feinjustierung ihre Aufgaben immer erfolgreicher erledigen. Bei richtiger Handhabe zeigen System mittlerweile eine Trefferquote von über 95 Prozent im Produktivbetrieb.
Die Fortschritte bei der von Technologie unterstützten Inspektion von Infrastruktur sind bemerkenswert und haben die Arbeit von Ingenieuren und Sachverständigen vereinfacht. Aber sie stoßen aktuell noch an Grenzen – etwa bei den optischen Verfahren zur Bild- und Datensammlung. Zwar können äußerliche Schaden erkannt werden, ein Blick in den Beton bleibt allerdings noch verwehrt. Veränderungen und Korrosionen in einer Brücke bleiben daher unbemerkt. Zurzeit werden zur Erkennung solcher Schäden periodische Deformationsmessungen im Rahmen des Structure Health Monitoring eingesetzt.
Neuere Ansätze zur Lösung dieser Herausforderung setzen auf drahtlose Sensornetzwerke in Verbindung mit Vibrationssensorik oder Profilscannern. Zukünftige Methoden werden die optischen Verfahren verstärkt mit diesen Sensornetzwerken kombinieren und die Schadenserkennung so weiter digitalisieren und automatisieren. Die Massendaten der Sensoren stellen dabei aber eine große Herausforderung dar. Sie bilden eine komplexe Datenbasis, die nicht dazu führen darf, dass die Ingenieure die Resultate der Algorithmen nicht mehr durchschauen können. Künftige Lösungen benötigen deshalb eine Künstliche Intelligenz, die die Hintergründe ihrer Entscheidungen nachvollziehbar aufzeigt und keine Black Box darstellt. Diesen Ansatz verfolgen bereits erfolgreich Lösungen der sogenannten „Explainable AI“.
Mit Lösungen zur digitalen und automatisierten Inspektion können Betreiber Schäden an ihren Infrastrukturen kostengünstiger, schneller und risikoärmer feststellen. Sie können Instandhaltungsarbeiten gezielter planen, dadurch Folgeschäden vermeiden und die Lebensdauer ihrer Infrastrukturen verlängern. Damit leisten sie nicht zuletzt einen wichtigen Beitrag zu Nachhaltigkeit und zum Umweltschutz. Brücken, Tunnel und Kanäle sind dafür nur einige Beispiele. Die vorhandenen Verfahren und Methoden lassen sich grundsätzlich auf alle Infrastruktur-Elemente anwenden.
Marc Tesch ist Inhaber und CEO von LeanBI