Rechtsichere Abnahmemessung

Auf der sicheren Seite

18. August 2021, 7:00 Uhr | Autor: Matthias Caven / Redaktion: Diana Künstler

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Prüfen gemäß Stand der Technik

Wie bereits erwähnt beinhalten Normen den sogenannten „Stand der Technik“ und werden von Gerichten zur Bewertung von Sachthemen herangezogen. Allerdings sind Normen keine rechtsverbindliche Anordnung und müssen separat vertraglich vereinbart werden. Sie werden von der Industrie beziehungsweise den Herstellern ausgearbeitet. Das ist für einen reibungslosen Betrieb von unterschiedlichen Komponenten unbedingt erforderlich. Ohne Normen könnten Produkte von unterschiedlichen Herstellern nicht kombiniert werden. Zugleich bilden sie auch die technischen Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt ab, basierend auf Erkenntnissen aus Wissenschaft, Technik und Erfahrung. Insofern geben Normen die Meinungen von Fachleuten wieder, auf die sich das Gericht in einem Streitfall verlässt.

Welche Verkabelungsnormen spielen nun eine Rolle und welche Tests und Parameter sind gefordert? Zunächst einmal geht eine Verkabelungs-Norm wie zum Beispiel die DIN EN-50173 davon aus, dass wenn Komponenten (wie Patchfelder, Datendosen, Patchkabel) aus den vorgeschriebenen Kategorien (6, 6A, 7, 7A, 8.1 und 8.2) verbunden werden, entsprechende Leistungsklassen (E, EA, F, FA, I und II) entstehen. Eine weitere Überprüfung ist als Beweis nicht explizit verlangt. Da jedoch vor, während und nach der Installation sehr viele Fehler passieren können, kann nur durch umfangreiche Tests sichergestellt werden, dass die geforderten Grenzwerte der Verkabelungsnorm eingehalten werden.

Normen und Werte

Normen richtig lesen und anwenden
Grundsätzlich – das schließt auch die Verkabelung ein – gibt es nicht nur nationale Normen, sondern auch europäische und internationale Normungsgrundlagen. Meistens werden internationale Normen umgewandelt und auf nationale Gegebenheiten angepasst. Dadurch entstehen die bekannten DIN-Normen.
© Normen richtig lesen und anwenden, Beuth Verlag

Die in Deutschland relevante Norm ist die DIN EN-501731, welche sich aus dem internationalen Standard ISO/IEC 11801 ableitet. Zu gut 90 Prozent entsprechen neue Installationen der Klasse EA. Hier werden 500 MHz Bandbreite gefordert. Dazu müssen die Komponenten mindestens der Kategorie 6A entsprechen. Der Zertifizierer misst verschiedene vorgegebene Parameter wie Streckendämpfung, Nah-Nebensprech-Dämpfung (NEXT), Rückflussdämpfung (Return Loss), ACR-N (Dämpfungs-Nahnebensprechdämpfungs-Verhältnis), ACR-F (Dämpfungs-Fernnebensprechdämpfungs-Verhältnis) und die zugehörigen Power-Sum-Werte (Leistungssummierte Werte). Sind die geforderten Grenzwerte eingehalten, gilt die Verkabelung – je nach geforderter Leistungsklasse – als normkonform abgenommen und somit zertifiziert.

Allerdings geben Normen auch informative oder optionale Parameter, etwa Länge oder DCRU-Werte, an. Diese Werte sind kein Kriterium für eine „Bestanden“- oder „Nicht Bestanden“-Bewertung, sondern dienen rein der Information oder zur Kontrolle von zusätzlichen, nicht datenübertragungsrelevanten Eigenschaften der Verkabelung. Sollen später beispielsweise Geräte mit „High Power over Ethernet“ (PoE mit 90 Watt) betrieben werden, kann es sinnvoll sein, den DCRU-Wert zu ermitteln. Wie bei allen zusätzlichen Arbeiten, muss das im Vorfeld separat besprochen und schriftlich vereinbart werden. Bei einer klassischen Zertifizierung ist die Messung von individuellen, optionalen Parametern nicht vorgesehen. 

Normen sind nichts für Laien

Insgesamt wird deutlich, dass die Interpretation der Verkabelungsnormen kein einfaches Terrain ist und auf diesem Gebiet einige Kenntnisse vorhanden sein müssen. Zudem gibt es nicht nur nationale Normen, sondern europäische und internationale Normungsgrundlagen. Meistens werden internationale Normen umgewandelt und auf nationale Begebenheiten angepasst. Dadurch entstehen die bekannten DIN-Normen (sie auch Abbildung oben).  Beim Umsetzen der DIN-Norm ist der Anwender verantwortlich. Das heißt, das erforderliche Verständnis sowie die Verwendung der richtigen Verbformen nach den Gestaltungsregeln (DIN 820-2:2011-04; Anhang H) muss bekannt sein, um zwischen Anforderung, Empfehlung, Zulässigkeit und Möglichkeit unterscheiden zu können. Zudem ist noch einmal zu betonen, dass Normen Empfehlungen sind. Der aktuelle Stand der Technik oder Herstellerangaben wie zum Beispiel Bedienungs-/Installationsanleitungen müssen also weiterhin berücksichtigt werden: Im Falle falscher Angaben darf eine Fachkraft diese nicht einfach anwenden und so gegen mögliche Vorschriften oder geforderte Leistungen verstoßen.

Klare Verhältnisse schaffen

Die mit dem Auftraggeber abgesprochenen Details sollten zusammengefasst in einer Leistungsbeschreibung wie zum Beispiel einem Qualitätsplan festgehalten, durch eine rechtlich bindende Abnahmemessung geprüft und die Ergebnisse im Anschluss schriftlich dokumentiert werden. Der Qualitätsplan ist dann bindend und kann individuell gestaltet werden. In diesem Plan kann auch der Umgang mit fehlerhaften Strecken festgelegt und neben zulässigen Abweichungen und Toleranzen auch die Maßnahmen bei bestimmten Fehlerbildern vereinbart werden. Wenn alles nach Vorgaben vermessen und eingehalten wurde, ist die Abnahme erfolgt und bindend.

Ohne vertraglich vereinbarte Leistungsbeschreibung gilt wie erwähnt der Stand der Technik und der Auftragnehmer ist in der Pflicht, fragliche Punkte zu klären. Werden Verkabelungsnormen explizit gefordert, sollten diese genauestens bekannt sein. Denn auch in diesem Fall ist natürlich der Auftragnehmer verantwortlich, denn Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Die meisten Gutachten zur Überprüfung von Leistungen werden immer dann verlangt, wenn der Vertragsgegenstand gar nicht oder nur unzureichend definiert ist. Klarheit und eine schriftliche Formulierung sind deshalb auch das A und O.

Matthias Caven, Head of Sales & Marketing EMEA, Softing IT Networks


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