Public Cloud und Colocation

Den Spagat schaffen

20. Mai 2020, 11:50 Uhr | Autor: Manuel Jenne / Redaktion: Diana Künstler
Spagat
© Luis Louro - 123RF

Günstige Cloud-Ressourcen für Infrastructure as a Service nutzen und gleichzeitig eigene Server für kritische Anwendungen betreiben: Viele Mittelständler kombinieren IaaS mit gemieteten Rechenzentrumsflächen. Wie sie das Beste aus beiden Welten herausholen können.

Wenn Rechenzentren in die Jahre kommen, von Compliance-Vor-gaben abweichen und sich Modernisierungen nicht mehr rechnen, gibt es für IT-Entscheider zwei Alternativen: den Umzug vom eigenen Datacenter in ein Colocation-Rechenzentrum professioneller Betreiber. Oder den Bezug von IT-Ressourcen aus einer Public Cloud großer Provider wie Amazon, Google oder Microsoft in Form von Infrastructure as a Service (IaaS). Gerade KMU wollen oft das Beste aus beiden Welten herausholen. Denn ein Komplettumstieg in die Cloud kommt für viele nicht in Frage. Anders als Konzerne, die ihre Infrastrukturen umfänglich in die Public Cloud verlagern, besitzen Mittelständler in der Regel nicht die Ressourcen für einen solchen Kraftakt. Hinzu kommt: Weil im Mittelstand häufig spezielle Branchenlösungen sehr individuelle Geschäftsmodelle unterstützen, gibt es immer wieder Bereiche, die sich nicht in die Cloud übertragen lassen. Oder es existieren geschäftskritische Daten, die nicht in Public Clouds wandern dürfen. Alles Gründe, die für den Schritt in ein Colocation-Rechenzentrum sprechen.

Dass immer mehr Unternehmen dieser Argumentation folgen, zeigt eine Studie der ISG, wonach die Nachfrage nach Colocation-Flächen in Rechenzentren in allen wirtschaftlich prosperierenden Ballungsräumen kontinuierlich steigt. So waren im Juli 2019 zwischen Passau und Flensburg 190 Colocation-Rechenzentren in Betrieb, davon 65 auf einer Fläche von rund 600.000 Quadratmetern allein in Frankfurt. Und weil laut ISG Kunden heutzutage eine schnelle, flexible Bereitstellung von Cloud-Ressourcen erwarten, greifen wiederum auch Anbieter wie Amazon aus Flexibilitäts- und Kostengründen verstärkt auf sichere Colocation-Flächen zurück. Hinzu kommt: Um die mit der Digitalisierung einhergehenden wachsenden Datenmengen sicher bearbeiten und aufbewahren zu können, wollen laut einer Untersuchung des Netzwerks energieeffiziente Rechenzentren (NeRZ) rund 70 Prozent der IT-Dienstleister in Deutschland – darunter vor allem Colocation-Anbieter – ihre Rechenzentren in den kommenden zwei Jahren erweitern. Bis zum Jahr 2025 erwarten 53 Prozent dieser Dienstleister, dass ihre Rechenzentren weiterwachsen, nur neun Prozent vermuten, dass ihr Datacenter kleiner wird. Und sogar eigene Hardware auf Colocation-Flächen zu betreiben, kann sich für Mittelständler langfristig sogar mehr lohnen als Cloud-Dienste zu nutzen. Denn läuft ein Server optimal ausgelastet über Jahre hinweg, kommt dies günstiger als die stattdessen benötigten Cloud-Ressourcen und -Services. Aus diesem Grund haben erste Unternehmen besondere Workloads aus der Cloud zurückgeholt und in den Eigenbetrieb überführt. Laut dem Cloud Data Security Report von Netwrix vom Mai 2019 denken weitere 27 Prozent der deutschen Unternehmen über den gleichen Schritt nach. Ihre Hauptbeweggründe: mehr Sicherheit (45 Prozent) und geringere Kosten (32 Prozent). Als goldener Mittelweg erweist sich häufig eine Mischung aus beiden Betriebsmodellen: Mittelständler nutzen auf Colocation-Flächen betriebene dedizierte Hardware. Gleichzeitig setzen sie dort, wo es sinnvoll erscheint, auf Public-Cloud-Services. Dadurch entstehen hybride Infrastrukturen, die es zu managen gilt.

An diesem Punkt tritt das Virtual Datacenter auf den Plan. Im ersten Schritt können die Verantwortlichen damit alle Altsysteme in den Colocation-Betrieb überführen. Von dort aus lassen sich dann mehr und mehr Services durch Cloud-Lösungen ergänzen oder ersetzen. Eine solche Übergangsphase kann je nach Zahl der zu migrierenden Server ein bis drei Jahre dauern. Befinden sich das Colocation-Rechenzentrum und die Ressourcen des Cloud-Services-Anbieters im selben Gebäude, lassen sie sich sprichwörtlich per Kabel miteinander verbinden und unter einem Dach orchestrieren.

Universalstecker fürs Rechenzentrum
Bei den Public Cloud Providern selbst sucht man Lösungen für Virtual Datacenter allerdings vergebens. Denn Legacy-Systeme ohne Cloud-Bezug gehören nicht zu ihrem Geschäftsmodell. Spezialisierte Dienstleister hingegen verbinden in vielen Fällen beide Domänen: Sie bieten eigene Colocation-Flächen, über die sich gleichzeitig auch angebundene IaaS-Lösungen managen lassen. Das Virtual Datacenter überwacht und verwaltet eigene Server sowohl im Colocation-Rechenzentrum als auch als virtuelle Instanzen auf einer IaaS-Plattform. Technologischer Baustein: OpenStack. Die quelloffene und standardisierte Architektur für Cloud-Lösungen gilt als Universalstecker für virtuelle Rechenzentren. Ein Beispiel: Bietet ein Public-Cloud-Anbieter für seinen Web-Service eine Verfügbarkeit von 99,5 Prozent an, können Kunden nicht nachverhandeln. Im Virtual Datacenter hingegen sind gegen Aufpreis höhere Werte möglich. Weiterer Vorteil: Benötigt ein Mittelständler eine bestimmte Prozessorgeneration bei Servern, kann er dies im hybriden Virtual Datacenter individuell vereinbaren. Dabei lassen sich einzelnen Kunden über OpenStack dedizierte virtuelle Infrastrukturressourcen zuweisen. Dies ist zum Beispiel notwendig, wenn Mittelständler eigene physikalische Server nachweisen müssen, etwa aufgrund gesetzlicher Regularien, Datenschutz oder technischer Gründe. Und: Über OpenStack lassen sich Server per Knopfdruck nicht nur erstellen, sondern auch als Backups sichern. Überdies eignet sich OpenStack für DevOps-Verfahren, was die ursprünglich getrennten Bereiche der Software-Entwicklung (Development) und des Betriebs (Operations) miteinander verbindet.

Manuel Jenne, Produktmanager für den Bereich Colocation & Virtual Datacenter bei QSC

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