Nachhaltigkeitskonzepte für Rechenzentren sollten sich nicht nur darauf beschränken, den Stromverbrauch zu reduzieren. Mit Inkrafttreten einer Ökodesign-Verordnung der Europäischen Union sind neue Möglichkeiten entstanden, mit Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen.
Ist bei Rechenzentren die Rede von Nachhaltigkeit, wird sich oft allzu schnell auf Energieeffizienz, Stromverbrauch und Strom aus erneuerbaren Energiequellen eingeschossen. Doch Nachhaltigkeit ist ein viel umfassenderes Konzept, das fordert, ökologische mit sozialen und ökonomischen Anforderungen zu vereinen. Es entstehen aktuell stets neue Standards bei ökologischer und unternehmerischer Verantwortung – und Nachhaltigkeit entwickelt sich zu einem messbaren Wettbewerbsfaktor. Neben einer möglicherweise positiven Wirkung auf Image, Kundenbindung und Mitarbeitergewinnung können sich Wettbewerbsvorteile bei Ausschreibungen und Vergabeverfahren ergeben. Doch dafür müssen mehrere Faktoren beachtet werden, die bei einem Nachhaltigkeitskonzept im Rechenzentrum zum Tragen kommen, abgesehen von der Stromversorgung.
Es lohnt sich, einen Blick auf den Lebenszyklus der eingesetzten Hardware zu werfen: So benötigt die Herstellung von Servern und Storage-Systemen wertvolle Rohstoffe wie Wolfram, Coltan und seltene Erden. Bei deren Abbau gelten nur selten ernsthafte Sozial- und Umweltvorgaben. Die Produktion der Geräte erfordert zudem große Mengen an Strom, Wasser und Chemikalien. Die Grundstoffe, die Komponenten und die Endprodukte reisen in verzweigten Lieferketten quer über den Globus – mit entsprechenden Emissionen. Und mit der Außerbetriebnahme der Geräte folgt die Herausforderung, die Hardware fachgerecht zu zerlegen, Rohstoffe zurückzugewinnen und möglichst wenig Material zu entsorgen.
Beim Lebenszyklus der IT-Geräte wird ein Nachhaltigkeitsansatz oft zu wenig beachtet: die Nutzungsdauer, bevor Hardware durch Neugeräte ersetzt wird. Denn jede vermiedene Neuanschaffung wirkt nachhaltig. Zwar lässt sich der Zeitraum bis zum Ersatz durch leistungsfähigere Hardware nicht beliebig hinauszögern, aber häufig wird Hardware schon ausgetauscht, bevor es (performance-)technisch notwendig ist. Ein Grund dafür ist der von den Herstellern festgelegte End of Service Life (EOSL) nach drei bis fünf Jahren. Rechenzentrums-Hardware kann jedoch oftmals ohne Performance-Verlust länger in Betrieb sein. In einer Studie der Technogroup von 2019/2020 gaben fast 60 Prozent der Befragten an, Datacenter-Hardware bis zu zehn Jahre oder länger zu nutzen. Allerdings mussten die Unternehmen nach dem EOSL gegebenenfalls entweder kostenpflichtige Wartungsverträge mit den Herstellern eingehen oder auf Sicherheits-Updates und Firmware-Aktualisierungen verzichten. Das soll sich jetzt ändrn. Mit dem Inkrafttreten der europäischen „Öko-design“-Verordnung Nr. 2019/424 im März 2021 sind Unternehmen weniger auf langfristige Wartungsverträge mit den Herstellern angewiesen. Ziel der Verordnung ist es, die Nutzungsdauer von Hardware zu verlängern. Sie verlangt eine deutlich verbesserte Reparaturfähigkeit und Nachrüstbarkeit neuer Server-Modelle. Außerdem verpflichtet sie die Hersteller, ihre Geräte länger mit Security-Updates und aktualisierter Firmware zu versorgen. So soll „die neueste verfügbare Version der Firmware für einen Zeitraum von mindestens acht Jahren nach dem Inverkehrbringen des letzten Produkts eines bestimmten Produktmodells kostenlos oder zu fairen, transparenten und nicht diskriminierenden Kosten zur Verfügung gestellt“ werden. Die letzte verfügbare Firmware-Version soll sogar kostenlos bereitstehen. Zwar sieht die Regelung auch Ausnahmen vor, dennoch dürfte sie 80 bis 90 Prozent der in Rechenzentren eingesetzten Geräte betreffen.
Eine verlängerte Nutzungsdauer von Servern kann Unternehmen helfen, Kosten zu senken. Zum einen unmittelbar, da sie den Zyklus bis zur Investition in neue Hardware bestenfalls um mehrere Jahre dehnen können. Zum anderen mittelbar, weil Unternehmen gegebenfalls unabhängiger von der Wartung durch die Hersteller werden. So kann bei frei verfügbarer Firmware auch die Zusammenarbeit mit Anbietern von Drittwartung eine Option sein. Zudem rückt potenziell auch der Einsatz von refurbished Hardware stärker in den Fokus. Die Anschaffung von fachmännisch aufbereiteten und qualitätsgesicherten Geräten kann nicht nur deutlich günstiger sein als Neuware. Die zweite Nutzungsdauer der gebrauchten Hardware ist zudem ein Beitrag zu nachhaltigem Ressourceneinsatz.
Klaus Stöckert, CEO Technogroup IT-Service