Ob eine E-Mail verschicken, ein Video streamen oder online einen Zeitungsartikel zu lesen – jede digitale Handlung zieht einen Energieverbrauch mit sich. Dieser kann mehr oder weniger nachhaltig sein. Denn letztlich entscheidet sich die Klimaschädlichkeit der IT immer wieder im Rechenzentrum.
Die grüne Transformation schreitet voran – und zwar branchenübergreifend. Autos müssen strengere Abgasnormen erfüllen und die Hersteller investieren in die Entwicklung der Elektromobilität. Die Verbraucher haben sich daran gewöhnt, dass Hersteller von Haushaltsgeräten Angaben zur Energieeffizienz ihrer Geräte machen. Produktionsbetriebe oder Kraftwerke haben Grenzwerte festgelegt und bezahlen für CO2-Emissionen. Und auch der IT-Sektor tritt den grünen Übergang an.
Die in Rechenzentren betriebene IT-Infrastruktur verbraucht etwa ein Prozent des weltweiten Energieverbrauchs (200 bis 250 TWh). Durch die fortschreitende Digitalisierung und die weitweite Entwicklung und Nutzung von IoT- oder 5G-Technologien werden es im Jahr 2030 bereits zwischen vier und elf Prozent des gesamten globalen Stromverbrauchs (bis zu 4.000 TWh) sein. Die Menge der verbrauchten Energie wirkt sich direkt auf die Menge der CO2-Emissionen in der Atmosphäre aus. Es wird geschätzt, dass Rechenzentren derzeit weltweit etwa 350 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ausstoßen. Bei steigender Nachfrage könnte dies bereits im Jahr 2025 eine Milliarde Tonnen CO2 und im Jahr 2030 bis zu sechs Milliarden Tonnen ausmachen. Diese Zahlen zeigen, wie sehr die von Unternehmen und Verbrauchern genutzten IT-Ressourcen bereits die Umwelt belasten.
Die durchschnittliche Energieeffizienz von Rechenzentren in Europa liegt bei etwa 1,4 bis 1,6 PUE (Power Usage Effectiveness). Das bedeutet, dass für jedes Kilowatt, das direkt für die Stromversorgung der Server verbraucht wird, weitere 40 bis 60 Prozent der Energie für die Technologien benötigt werden, die die IT-Infrastruktur des Rechenzentrums unterstützen, wie beispielsweise die Kühlsysteme. Bei On-Premise-Serverräumen in Unternehmen vor Ort erreicht dieser Faktor sogar einen Wert von 2,5 bis 3,0. Hier zeigt sich, wie hoch der CO2-Fußabdruck ist und was für Kosten mit den steigenden Stromrechnungen für Unternehmen einhergehen.
Der PUE in den Serverräumen lässt sich durch den Einsatz energieeffizienter Technologien oder die Versorgung von Rechenzentren mit erneuerbaren Energiequellen senken – bis hin zu einem Wert von 1,2. Ein nachhaltiger Ansatz ist zudem die in den Serverräumen erzeugten Wärme zur Beheizung umliegender Gebäude zu nutzen. Rechenzentrumsbetreiber sind hier gefordert, über neue und alternative Wege nachzudenken, um Unternehmen bei der Verringerung ihres CO2-Fußabdrucks zu unterstützen sowie die Stromkosten niedrig zu halten.
Die Rechenzentrumsbranche und Cloud-Anbieter sind noch nicht verpflichtet, erneuerbare Energiequellen und Technologien zur Verringerung der CO2-Emissionen zu nutzen. Es gibt keine Vorschriften, die einen nachhaltigen Betrieb festlegen. Viele Anbieter verstehen jedoch die Verantwortung der Branche und leiten bewusst Veränderungen ein.
Anfang 2021 wurde die Selbstregulierungsinitiative „Pakt für klimaneutrale Rechenzentren“ ins Leben gerufen. Die Mitglieder verpflichten sich unter anderem ihre Serverräume bis 2030 zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Zu den Unterzeichnern gehören nationale wie internationale Unternehmen. Bereits heute haben einige Rechenzentrumsanbieter als Vorreiter der Branche dieses Ziel erreicht. Ihre Rechenzentren werden zu 100 Prozent mit Energie aus erneuerbaren Quellen gespeist und sind komplett emissionsfrei.
Die Europäische Union ist bei der Einführung von Klimaregelungen führend. Der Green Deal ist wahrscheinlich die ehrgeizigste grüne Initiative der Welt. Ein Ziel der EU ist die Klimaneutralität bis 2050. Ohne emissionsfreie Serverräume ist das nicht erreichbar. Veränderungen sind unvermeidlich und es wird bereits an der Umsetzung transparenter Regeln für den Betrieb von Rechenzentren gearbeitet. So sollen alle Rechenzentren in der EU bis spätestens 2040 vollständig klimaneutral sein. Dies gilt auch für die On-Premise-Serverräume in Unternehmen, die aufgrund ihres sehr hohen PUE-Wertes erheblich zu den Kohlendioxidemissionen beitragen. Die grüne Veränderung in Unternehmen mit eigenen Serverräumen und Rechenzentren als auch Anbieter von Cloud-Diensten ist nicht mehr aufzuhalten.
Digitale Dienste, Cloud, Streaming, digitale Plattformen und IT-Infrastrukturen sind heute aus dem privaten und beruflichen Leben nicht mehr wegzudenken. Andererseits verursacht der rasche technische Fortschritt gigantische Umweltkosten. Angesichts der Klimakrise ist es wichtig, die grüne Politik, die Europa beschlossen hat, umzusetzen. Sie sollte für alle gelten – auch für die IT. Unternehmen, die IT-Dienste nutzen, müssen fundierte Entscheidungen treffen, die auf Umweltaspekten beruhen. Es braucht einen Wandel hin zu IT-Abteilungen, die erneuerbare Energien nutzen oder Dienste nachhaltiger IT-Anbieter in Anspruch nehmen.
Viele Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Für sie ist ein entscheidendes Auswahlkriterium, welche Maßnahmen der IT-Dienstleister zum Umweltschutz und Verringerung der CO2-Emissionen ergreift und umsetzt. Unternehmen aus den westlichen Ländern sind hier Vorreiter. Sie bauen bereits grüne Lieferketten auf. Unternehmen genauso wie jeder einzelne Verbraucher, der die Technologie privat nutzt, sollten sich darüber im Klaren sein, dass digitale Aktivitäten eine gewisse Auswirkung auf die Umwelt haben. Es ist notwendig, vor allem nachhaltige Dienstleistungsanbieter zu wählen. Eine soziale Bewegung, die vor vielen Jahren entstand, hat Plastikstrohhalme praktisch vom Markt verschwinden lassen. Ein ähnlicher Wandel sollte auch im IT-Sektor stattfinden.
Muzaffer Ege, Director Sales DACH Region, Beyond.pl