Embedded und integriert

Die SIM-Technologie der Zukunft wird anwendungsspezifischer

18. Oktober 2022, 8:01 Uhr | Autor: Bernd Müller / Redaktion: Diana Künstler
eSIM
© tashatuvango/123rf

Die milliardenfach bewährte SIM-Karte wird zunehmend durch ihre Nachfolger abgelöst. Die Embedded SIM (eSIM oder eUICC) und die Integrated SIM (iSIM oder iUICC) sind bereits vielfach im Einsatz. Beide haben ihre spezifischen Vorteile, erhöhen teilweise aber auch die Komplexität.

Der Artikel liefert unter anderem Antworten auf folgende Fragen:

  • Welche Errungenschaften hat die SIM-Technologie hervorgebracht?
  • Inwiefern ist die Weiterentwicklung von IT-Systemen durch die immer stärkere Integration von Funktionen gekennzeichnet?
  • Wie funktioniert die eSIM?
  • Welche Vorteile bietet das eSIM-Ökosystem?
  • Welchen Einfluss hat in dem Zusammenhang die Änderung des Formfaktors?
  • Inwiefern unterscheiden sich iSIM oder iUICC von der eSIM?
  • Welche Akteure sind wie involviert?

SIM-Karten sind seit 30 Jahren eine Art unsichtbarer, stets verfügbarer Diener der Kommunikationsgesellschaft. Sie sind überall präsent, wenn es um sichere Konnektivität in zellularen Netzwerken geht: in privaten Smartphones ebenso wie in mobil vernetzten Geräten und Maschinen im Internet-of-Things. Stellt man sich vor, es gäbe sie nicht, sind die Konsequenzen leicht auszumalen: kein sicheres mobiles Internet, kein mobiles Social Media, keine abgesicherten Updates fürs Navi im Auto, kein mobiles Multimedia-Streaming, keine mobile Logistiksteuerung. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. 30 Jahre sind jedoch, speziell in der IT- und Kommunikationstechnologie, eine lange Zeitspanne. Es spricht für das Konzept, dass die SIM als vertrauenswürdiges Werkzeug für sichere Authentifizierung von Nutzern und Geräten im Mobilfunknetz so lange erfolgreich gewesen ist. Das wird sie auch in Zukunft sein, dabei aber ihren Formfaktor verändern.

Die Weiterentwicklung von IT-Systemen hat einen gemeinsamen Nenner: Sie ist gekennzeichnet durch die immer stärkere Integration von Funktionen. So war beispielsweise die Diskussion, ob eine Grafikkarte besser sei als ein Grafik-Chip in der CPU, schnell erledigt als Notebooks, Laptops und Tablets die IT-Welt eroberten. Die hatten schlicht keinen Platz für dedizierte Karten und schon bald glänzten auch die integrierten Grafik-Chips mit hohen Auflösungen, schnellen Bildwiederholraten und brillanten Farben.

Das Zauberwort ist „System-on-Chip“ (SoC), und es greift jetzt zunehmend auch bei SIM-Karten, beziehungsweise deren Nachfolgern. Mit der eSIM ist die nächste Evolutionsstufe bereits im Einsatz. Die separate, austauschbare Plastikkarte wird dabei von einem direkt im Gerät aufgelöteten separaten Chip abgelöst, der alle SIM-Funktionalitäten übernimmt. Dabei entfällt auch der damit verbundene Plastikmüll des Trägerrahmens, aus dem die SIM-Karte herausgebrochen, beziehungsweise auf dem der Chip fixiert wird. Die bislang am weitesten verbreitete Anwendung der Embedded SIM ist das Auto. Die eSIM ist dort als Standard gesetzt und hat ihre Vorzüge bereits millionenfach unter Beweis gestellt.

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Ob eSIM oder iSIM: Beide haben ihre spezifischen Vorteile, erhöhen teilweise aber auch die Komplexität im Zusammenspiel von Mobilfunkbetreibern, Geräteherstellern und Standardisierungsgremien. Damit stehen für unterschiedliche Szenarien zwei gleichwertige Alternativen zur Verfügung.

Von der Karte zum Chip

Bei der eSIM übernimmt ein direkt im jeweiligen Gerät implementierter SIM-Chip die Einbuchung in das mobile Netz. Neben den bekannten Endgeräten – also Smartphones, Tablets und Laptops – sowie dem erwähnten automobilen Einsatz können das auch Maschinen, Sensoren oder Steuerungssysteme sein. Vorteile für rauere Einsatzszenarien und lange Lebenszyklen, wie sie etwa im industriellen Umfeld gefordert sind, können hierbei durch speziell entwickelte Qualitätsmerkmale der hierfür verwendeten SIM-Halbleiter adressiert werden. Für besonders hohe Ansprüche an Betriebs- und Ausfallsicherheit ist die eSIM auch als extrem robuste „Industrial Grade“-Variante verfügbar.

Bei der Entwicklung der SIM-Karte hatten widrige Umgebungsbedingungen wie große Temperaturschwankungen und mechanische Belastungen oder die langen Laufzeiten von Maschinen noch keine große Rolle gespielt. Mit der wachsenden Verbreitung von 5G steigen aber auch die Einsatzmöglichkeiten für das Internet-of-Things und damit die Anforderungen an mobile Netzwerke. Die Netzwerkzugänge können jederzeit dynamisch, nutzungsabhängig und transparent zugeordnet werden, ohne dass ein händischer Wechsel von SIM-Karten notwendig wäre. Zudem ergeben sich gerade im Internet-of-Things (IoT) neben der Grundfunktion der Authentifizierung auch andere Anwendungsszenarien, wie etwa die Blockchain-basierte Signatur von Daten. Aufgrund dieser Kombination aus resilientem Formfaktor und hoher Flexibilität hat sich das eSIM-Ökosystem rasch zu einer weltweit etablierten und bewährten Grundlage für IoT-Konnektivität entwickelt.

Die SIM-Technologie bleibt dabei bei der eSIM grundsätzlich bei den bewährten Prinzipien, nur das Format ändert sich – zumindest auf den ersten Blick. Die Änderung des Formfaktors hat jedoch Einfluss auf das gesamte Ökosystem, also die Mobilfunkbetreiber, Geräte-Hersteller, Zulieferer und Standardisierungsgremien. Innerhalb dieses Verbunds verändern sich die etablierten Rollenverteilungen, respektive Aufgaben, und damit auch die Zuständigkeiten für die Umsetzung von Interoperabilität und Standardisierungsvorgaben. So ist die fest verbaute eSIM in der Regel nicht mehr an einen bestimmten Provider, sondern in erster Linie an den Gerätehersteller gebunden. Dadurch können bei Bedarf verschiedene Subskriptionen gespeichert und je nach Einsatzszenario die jeweils passende oder gewünschte aktiviert werden. Darüber hinaus bietet die eSIM die Option des Aufspielens neuer Daten oder digitaler Schlüssel, etwa zum Signieren oder Verschlüsseln von Daten.

Vom Chip zum Controller

Noch stärker verschieben sich die Gewichte zwischen Mobilfunkbetreibern, Zulieferern und Geräte-Herstellern bei der iSIM oder iUICC. Hier fällt im Gegensatz zur eSIM nicht nur das separate Gehäuse weg – wir haben es nicht einmal mehr mit einem eigenen SIM-Chip zu tun, der im Gerät verlötet wird. Vielmehr werden die Funktionen einer iSIM direkt durch den Microcontroller des jeweiligen Geräts oder Sensors mit übernommen, also ähnlich wie beispielsweise die Grafikfunktionen in einer modernen CPU für PCs heute voll integriert sind. Diese Controller sind typischerweise jedoch auf Performance oder I/O-Fähigkeiten hin optimiert, SIM-Funktionalitäten und Security-Features standen dagegen bislang nicht im Pflichtenheft. Auf die Controller-Hersteller und ihre Produkte kommen damit ganz neue Herausforderungen zu. Auf der anderen Seite können sich die Gerätehersteller, die bei der eSIM für die Auswahl und den Einbau des eSIM-Chips verantwortlich sind, wieder entspannter zurücklehnen, da die SIM-Funktionalität ja vom Microcontroller quasi frei Haus mitgeliefert wird und damit die dedizierte Hardwarekomponente der eSIM wegfällt.

Allein mit der Verfügbarkeit der iUICC als integrierter Hardware-Komponente ist es jedoch nicht getan. Die dazugehörige embedded Software und Remote-Managementfähigkeit müssen natürlich ebenfalls in das SoC integriert werden und bedürfen einer engen Abstimmung zwischen Geräteherstellern, Controllerherstellern und Software- beziehungsweise Lifecyclemanagement Partnern. Das zeigt, wie sich Aufgabenverteilung und Zuständigkeiten je nach eingesetzter Technologie verschieben. Die größere Integrationstiefe bei der iUICC steigert einerseits die Komplexität des Ökosystems, andererseits reduziert sie die Anzahl der notwendigen elektronischen Komponenten, ermöglicht einen geringeren Platz- oder Stromverbrauch und bietet damit unter anderem Raum für weitere Kostensenkung und verbesserte Geräteeigenschaften.

Bernd Müller von Giesecke+Devrient
Bernd Müller, Leiter Technologie und Strategie im Bereich Connectivity bei Giesecke+Devrient
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Für viele Anwendungen sind das gute Argumente. Zudem sind damit auch noch weitere Performancesteigerungen und Skalierungseffekte möglich, da die SIM-Funktionalität beispielsweise leichter in Sensoren integriert werden kann, wichtig für viele latenzkritische Einsatzszenarien im Umfeld des Internet-of-Things und des Industrial-Internet-of-Things (IIoT).

Je nach Einsatzzweck kann entweder die eSIM oder die iSIM die bessere Lösung sein. Gerätehersteller, beziehungsweise Modul- und Chipdesigner haben in den nächsten Jahren also die Wahl zwischen zwei SIM-Technologien, von denen sie die für sie passende nutzen können. Beide haben ihre Vorteile und ihre Berechtigung. Dabei wird es entscheidend sein, dass die Mitglieder des Ökosystems zusammen einen ganzheitlichen Ansatz entwickeln, der den gesamten Lebenszyklus betrachtet. Nur so kann das enorme Potenzial der neuen SIM-Technologien voll ausgeschöpft werden.


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