Das Internet of Things gehört fraglos zu den zukunftsweisenden Technologien – und hat dabei schon ein paar Jahre auf dem Buckel: Vor 20 Jahren wurde der Begriff ins Leben gerufen. Anlass genug für funkschau, mit Oliver Horn von Red Hat über den Stand (des Internets) der Dinge zu sprechen.
funkschau: Dieses Jahr feiert das Internet of Things (IoT) 20-jähriges Jubiläum. Vom ursprünglichen Nischendasein scheint nicht viel übrig geblieben. Wie hat sich die Technologie Ihrer Meinung nach seitdem entwickelt?
Oliver Horn: Das Internet of Things ist eindeutig im „Mainstream“ angekommen, es steht gewissermaßen für „Distributed Computing 2.0“ mit den Komponenten Device, Edge, Datacenter und Cloud. IoT vereint vor allem OT und IT. Neuentwicklungen im Bereich OT sind inzwischen alle vernetzbar mit Standard-IT. Forciert wird die weitere IoT-Verbreitung auch durch neue Basistechnologien wie 5G, die zum Teil im Hinblick auf IoT entwickelt wurden und innovative Anwendungsfelder eröffnen.
Bei IoT gibt es zwar immer noch den Mythos des wilden, schnellen Bastelprojekts, aber IoT-Projekte sind zunehmend erwachsen geworden. Das heißt, allen größeren Projekten gehen sehr aufwendige Architekturbetrachtungen voraus. Plattformüberlegungen sind von zentraler Bedeutung – zum Beispiel, ob eine IoT-spezifische oder generische Container-Umgebung genutzt wird.
funkschau: Sensordaten sind eine Kernkomponente des IoT-Erfolgs. Die meisten heute verwendeten Sensoren überwachen jedoch Maschinen oder technische Infrastrukturen. Welches Potenzial kommt in diesem Zusammenhang Technologie für Mensch-Geräte-Interaktion zu?
Horn: Wenn mit Maschinen und technischen Infrastrukturen industrielle Anlagen gemeint sind, trifft das nicht unbedingt zu. Die meisten Sensoren befinden sich aktuell vielmehr in Consumer-Geräten, allein die Anzahl der Sensoren pro Smartphone liegt typischerweise bei 30 bis 50. Und alle modernen Autos verfügen über zahlreiche Sensoren, die in der Regel ab Werk mit dem Netz des Herstellers per Mobilfunk verbunden sind. Gerade im Consumer-Bereich sehen wir auch, welche Bedeutung der Mensch-Maschine-Schnittstelle (MMS) zukommt. Google Maps zum Beispiel bringt die kumulierten Sensordaten aller Nutzer, die die Verkehrsdichte und Staus zeigen, sehr detailliert über eine MMS zur Anzeige. Und bei PKW meldet sich das Motormanagement über die MMS beim Fahrer, wenn fatale Folgen drohen.
Nicht übersehen werden darf in diesem Kontext, dass sich IoT nur über Mehrwerte verkauft und Kaufentscheidungen von Menschen getroffen werden. Somit ist die gut gestaltete MMS oft entscheidend für den Erfolg von IoT-Produkten oder -Projekten. Nicht umsonst wird im Rahmen der Produktdefinition bei allen gängigen Methoden so viel Wert auf die Beschreibung und Gestaltung der MMS gelegt.
funkschau: Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz im Internet der Dinge?
Horn: KI spielt für IoT eine große Rolle. Durch die Sensoren sind sehr große Datenmengen erfassbar, die aber durch Menschen nicht sinnvoll ausgewertet werden können. Viele IoT-Lösungen erfordern daher Big-Data-Lösungen und KI zur Verarbeitung der Daten. Damit werden dann zum Beispiel Verbesserungen in Steuerungen erarbeitet, die anschließend nach vorne an Device oder Edge als neue Regelsätze für die Steuerung übermittelt werden. Ein Beispiel: Autonomes Fahren ist eines der Kernforschungsfelder für die Automobilindustrie, in denen auch unsere Produkte eingesetzt werden und unsere Partner arbeiten. Die Daten aus der Flotte der Testfahrzeuge werden mit Big-Data-Lösungen verwaltet und durch KI aufgearbeitet, um daraus Steuerungen zu entwickeln, die in den Fahrzeugen implementiert werden können.
funkschau: Als einer der großen Treiber des Internets der Dinge gilt die 5G-Technologie. Der „Ericsson Mobility Report 2018“ geht davon aus, dass es im Jahr 2023 weltweit etwa 3,5 Milliarden IoT-Mobilfunkverbindungen geben wird, beinahe eine Verdoppelung gegenüber 2017. Welche Internet-der-Dinge-Anwendungen profitieren Ihrer Meinung nach besonders von der 5G-Technologie?
Horn: IoT-Anwendungen werden von 5G profitieren. Es werden aber nicht alle 5G-Vorteile überall zur Verfügung stehen. Also muss man den Anwendungsfall, die Anforderungen und die angebotenen Leistungen im 5G-Netz beachten und dann eine funktionierende Lösung konzipieren. Im Detail werden oft drei, völlig unterschiedliche, Anwendungsfälle für IoT mit 5G genannt: eMBB – Enhanced Mobile Broadband, uRLLC – Ultra Reliable and Low Latency Communications und mMTC – Massive Machine Type Communications. Für eMBB ist vor allem die hohe Bandbreite von 5G entscheidend, das betrifft zum Beispiel alle Video-Streaming- und Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen. Das uRLLC-Anwendungsprofil ist für zeitkritische und sicherheitsrelevante Applikationen vorgesehen, beispielsweise im Umfeld des autonomen Fahrens. Bei mMTC geht es um die Unterstützung vieler Geräte und kleiner Datenmengen bei niedrigen Kosten und geringem Energieverbrauch – auch unter schwierigen Empfangsbedingungen.