Start-up-Porträt

Angetriggert

23. Oktober 2018, 10:43 Uhr |
Mit der Proximity-Plattform Wingu können Nutzer Informationen und Services positionsgenau bereitstellen. Sie werden nur dann abgerufen, wenn sich Empfänger mit ihrem mobilen Device in der Nähe befinden. Dazu wird der Location Based Content mit Lokalisierungs-Technologien wie iBeacon, Eddystone, Geofence, QR-Code und NFC-Tags vernknüpft und liefert die Inhalte via Wingu SDK oder Webbrowser direkt aufs Mobiltelefon.
© Wingu

Inhalte bereitstellen, wo sie gebraucht werden. Das will das Hamburger Start-up Wingu mit der eigens entwickelten Proximity-Plattform erreichen. Hinter der vermeintlich einfachen Lösung steckt eine Menge Entwicklungsarbeit und technisches Know-how – sowie der Mut, auf eine "Gänsehautidee" zu setzen.

Ob zum Tracken von Gegenständen, Erstellen von Echtzeit-Umfragen oder als Warnhinweis beim Betreten einer Gefahrenzone – die potenziellen Einsatzfelder der Annäherungsplattform von Wingu sind vielfältig und lassen sich nicht auf eine Branche begrenzen. Das Prinzip dahinter: Unternehmen können mit dem Location Based Service (LBS) Informationen und Dienste positionsgenau genau dann ausspielen, wenn sich potenzielle Empfänger mit ihren mobilen Devices in der Nähe befinden, ohne dabei – und das ist der Clou – eigenes technisches Vorwissen mit einbringen zu müssen. „Lass dich von Technik nicht aufhalten, wenn du gute Inhalte liefern willst“, lautet die kernige Message auf der Wingu-Webseite. Während sich der eine oder andere Anbieter in dieser Branche durch die Konzentration auf eine Übertragungstechnologie hervortut, setzt das Start-up auf einen Mix aus Lokalisierungs-Technologien wie iBeacons, Eddystone, Geofence, QR-Code und NFG-Tags. In der Planung sind RFID, WiFi und Smart Lighting. Das Potenzial sogenannter „Sound Beacons“ wird laut Wingu-CEO Michael Wolf derzeit noch ausgelotet.  

Aufs richtige Pferd gesetzt
Die Wingu GmbH wurde im März 2016 von Hanz Geeratz (CTO) und Michael Wolf (CEO) gegründet. Die Geschichte des Unternehmens und seiner Gründer geht allerdings noch weiter zurück, denn beide arbeiten bereits seit circa 17 Jahren zusammen. Die Idee zu dem Start-up kam den beiden Ende 2015, als sie noch für die Software-Entwicklungs- und Consulting-Firma Speicher 210 tätig waren. Dort haben sie jahrelang Apps für ihre Kunden entwickelt. Im Rahmen eines Auftrags  mussten sie sich mit der Beacon-Technologie beschäftigen. Beacons sind kleine Sender, die hauptsächlich in geschlossenen Räumen angebracht werden und Nachrichten auslösen, sobald ein Smartphone mit einer passenden App in ihre Nähe kommt.

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Wingu Michael Wolf
Michael Wolf, CEO und Gründer von Wingu: “Wir gehen voll auf Content und Funktion – das ist die Abgrenzung zum vermeintlichen Wettbewerb.”
© Wingu

Während des Projektes kristallisierte sich schnell heraus: Hier gibt es am Markt eindeutig Nachholbedarf. „Die Beacons konnte man damals noch ganz normal im Netz kaufen. Doch dann fing das Problem an, diese in eine handhabbare App einzubauen“, blickt Michael Wolf zurück. „Und dieser Aufwand, das hinzubekommen, war so enorm, dass wir gesagt haben: Das kann doch so nicht richtig sein. Es müsste eigentlich eine Plattform geben, wo man diese iBeacons einfach anmeldet, den Content einträgt, ein bisschen Code in eine App einbaut und der Rest geht von selbst.“ So war die Grundidee von Wingu – oder auch „Gänsehautidee“, wie Wolf sie nennt – geboren: Eine Plattform, die es jedem ermöglicht, diese Technologie zu benutzen, ohne gleich ein Expertenteam auffahren und ohne sechs Monate Entwicklung reinstecken zu müssen. „In dem Moment haben wir gesagt: Wir haben das Know-how, wir haben das Team, wir haben die Vision. Jetzt ist der Moment, wo wir rausgehen müssen aus der Dienstleistung – also für andere Leute Software zu entwickeln – und unser eigenes Produkt machen müssen“, sagt Wolf.

Doch ganz einfach war der Weg bis zu dieser Erkenntnis nicht. Beide Gründer standen zu Beginn noch vor der Frage: Wie das Projekt angehen? Sollte man neben der Tätigkeit für Speicher 210 das Projekt parallel aufziehen? „Mein Kompagnon ist Niederländer und er hat eine sehr direkte Art“, erinnert sich Wolf. „Eines Tages brachte er in die Firma ein Poster mit, auf dem geschrieben stand: ‚Man kann keine zwei Pferde mit einem Hintern reiten.‘ Die Message war klar: Wir müssen uns auf ein Projekt konzentrieren und sind dann einfach unserem unternehmerischen Geist gefolgt.“ Nach einem Jahr Übergangszeit für ihre Kunden gründeten Geeratz und Wolf dann Wingu. Heute hat das Hamburger Start-up 19 Mitarbeiter, inklusive der zwei Gründer, und einen weiteren Standort in Krakau, wo auch ein großer Teil des Entwicklungsteams sitzt.

Start mit Vorsprung
Zur Finanzierung der neu gegründeten GmbH brachten beide Gründer erst einmal Eigenmittel ein, holten allerdings auch noch zwei Privatinvestoren an Bord – einer davon ist der Gründer der Digital-agentur Sinner Schrader, Oliver Sinner. „Er hat uns von Anfang an gepusht, sowohl finanziell als auch strategisch“, sagt Wolf. „Von der Unternehmensentwicklung her war es direkt ein Headstart. Wir konnten von Anfang an gute Kunden gewinnen.“ Als Leuchtturmkunde sei an dieser Stelle Lego genannt. Wolf: „Der Lauf der Dinge ist nun mal – vor allem für ein Start-up, das ein SaaS-System baut – dass die Investition zu Beginn größer als der Umsatz ist. Will man wachsen, braucht man also Kapital. Das haben wir uns Ende 2017 geholt, indem wir mit der der Innovationsförderbank Hamburg auch unseren ersten institutionellen Investor dazugeholt haben.“ Dazu noch zwei weitere Privatinvestoren aus dem industriellen Umfeld.  

Mit der neuen Finanzierung trägt Wingu auch der Zielsetzung Rechnung, neue Zielgruppen zu  gewinnen: „Wir sind bei der Investorensuche bewusst an Wegbereiter der Industrie 4.0 herangetreten, weil wir uns hier stärker fokussieren und engagieren wollen”, sagt Michael Wolf. Bislang nutzen Firmen wie Canon, Vattenfall oder TUI Robinson die Dienste des Start-ups. Stand Juli 2018 zählte das Unternehmen knapp 800 registrierte B2B-Kunden auf der Plattform. Die Kunden kommen vorwiegend aus Mitteleuropa – den Niederlanden, Spanien und der DACH-Region. Asien und Amerika habe man langfristig allerdings auch im Blick. „Wir konzentrieren uns derzeit stark auf Zentraleuropa“, so Wolf, „und nehmen das Thema Datenschutz sehr wichtig. Die EU-DSGVO spielt uns in die Karten, denn wir haben von Anfang an gesagt, dass das große Datensammeln irgendwann ein Ende haben wird.“ Zudem blieben die Wingu-Nutzer anonym, mehr als „da ist jemand“ wird nicht ermittelt – und die Daten werden auch nicht gehandelt.


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