Handwerk, Handel, Dienstleitung und Industrie klagen über fehlende Azubis. Allein 60.000 Lehrstellen blieben 2020 unbesetzt. Eine mögliche Auffangstrategie ist die Weiterbildung von an- und ungelernten Einfacharbeitern, wie Markus Dohm und Hans-Björn Glock von der TÜV Rheinland Akademie ausführen.
Als Basic Workers bezeichnen Arbeitsmarktforscher an- und ungelernte Hilfskräfte ohne formalen Berufsabschluss, die Helfertätigkeiten übernehmen. Unter ihnen sind Schul-, Ausbildungs- und Studienabbrecher sowie Menschen mit Studienabschlüssen. Sie arbeiten in fast allen Branchen, vor allem in Handwerk, Handel, Dienstleistung und industrieller Produktion sowie Logistik. Die Quote der Basic Workers lag nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamts 2019 in Deutschland bei etwa 15 Prozent der Arbeitnehmer, das sind insgesamt 6,25 Millionen Menschen. Sie sind am Arbeitsmarkt häufig nur in einem sehr eingeschränkten Zusammenhang einsetzbar, weil sie tätigkeitsorientiert geschult arbeiten. Auffallend ist, dass Beschäftigte in Einfacharbeit in bis zu 63 Prozent der Fälle überqualifiziert sind, wie das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in einer 2020 veröffentlichten Untersuchung festgestellt hat. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass viele Basic Workers über nutzbare Kompetenzen verfügen, die ihre aktuellen Tätigkeiten nicht von ihnen fordern. Wie hoch das Missverhältnis tatsächlich ist, zeigt sich in einem Vergleich zu qualifiziert Beschäftigten. Hier liegt der Anteil der Überqualifizierten bei nur 14 Prozent. Gerade im Bereich Basic Workers ist großes Potenzial, die Kompetenzen dieser Arbeitskräfte durch qualifiziertere Weiterbildung für betriebliche Wertschöpfung zu erschließen. Diese über sechs Millionen Hilfskräfte könnten durch qualifizierende Weiterbildungen künftig Fachkräfte noch stärker entlasten oder selbst zu Fachkräften qualifiziert werden. Die Bundesagentur für Arbeit hat dafür Förderinstrumente entwickelt, die Unternehmen nutzen sollten. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollten damit eine Qualifizierungsoffensive für ihre Belegschaft starten.
KMU dürften den Fachkräftemangel und die sinkende Ausbildungsbereitschaft der nachkommenden Generationen am deutlichsten spüren. Mit der Verrentung der Baby-Boomer-Generation, deren Höhepunkt ab 2025 noch bevorsteht, wird sich der Fachkräftemangel zusätzlich verschärfen. Und mit ihrem Ausscheiden gehen Fachkompetenzen und Wissen in den Betrieben verloren.
KMU sollten daher zwei Strategien verfolgen: Einerseits sollten sie die in ihrem Betrieb notwendigen Kompetenzanforderungen detailliert analysieren und andererseits ungelernte Hilfskräfte für diese systematisch weiterqualifizieren. Dafür ist es unerlässlich, das Prozesswissen und die betriebsspezifischen Kompetenzen der älteren Mitarbeiter rechtzeitig und strukturiert zu erfassen, bevor sie ausscheiden. Denn diese Faktoren sind es, die Betriebe erfolgreich machen. Noch ist es so, dass eine Wissensübergabe in vielen Fällen ungeplant stattfindet. Wissen geht so verloren. Ein probates Gegenmittel dazu ist das Kompetenzmodell. Es ermöglicht die Definition und Beschreibung der Tätigkeitsanforderungen und einen Abgleich mit den aktuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Belegschaft. Tätigkeiten lassen sich so gezielt betrachten, neue Inhalte oder Querschnittkompetenzen einfügen sowie Niveaustufen und Beherrschungsgrade festlegen. Dies schafft die Grundlage für eine Qualifizierungsplanung von Hilfs- und Fachkräften. Denn neben dem Fachkräftemangel müssen Unternehmen und ihre Mitarbeitenden parallel eine technologische Transformation wie die Digitalisierung bewältigen, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.