Um Software-Anwendungen zu entwickeln, braucht es mehr als nur Informatikkenntnisse. Davon ist Claudia Nass Bauer überzeugt. Interdisziplinäre Teams, Soft Skills und ein Weltverbesserungsdrang seien ebenso wichtig. Ansonsten verliere man das Entscheidende aus den Augen: den Menschen.
Der Artikel liefert Antworten auf folgende Fragestellungen:
Claudia Nass Bauer ist eine Frau mit einem beruflichen Werdegang, in dem sich Design, Methode und Wissenschaft stets aufs Neue miteinander verflechten. Nass Bauer stammt aus dem Süden Brasiliens, genauer Curitiba. Schon in ihrer Jugend fing sie an, sich mit Design zu beschäftigen. Das Handwerk dazu lernte sie in den 90er Jahren in ihrem Heimatland. Sie begann zunächst mit Industriedesign, spezialisierte sich dann auf Webdesign und IT und studierte Grafikdesign, blieb aber dem technischen Bereich weiter treu. „Damals gab es die ersten Webseiten“, erinnert sich Claudia Nass Bauer. „Das heißt, man musste eine bestimmte Webseite schon im Voraus kennen und die genaue Adresse eingeben. Damals, im Brasilien der 90er, gab es noch kein Google. Stattdessen hatten wir eine Art Gelbe-Seiten-Online-Katalog, in dem Unternehmen auf ihre Webseiten verlinken konnten.“ Nass Bauer erstellte damals animierte Werbebanner für diesen Katalog. Später verschlug es die Softwaredesignerin nach Madrid, wo sie ihren Master in Marketing und Kommunikation machte. Über die Liebe fand sie schließlich den Weg nach Deutschland.
Seit 16 Jahren lebt Nass Bauer nun mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in der Nähe von Kaiserslautern – und arbeitet seitdem für das Fraunhofer IESE. Hier auch immer in der Software-Engineering-Domäne. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und Erprobung verschiedener User-Experience-Methoden (UX) sowie deren Durchführung im Rahmen von Forschungs- und Beratungsprojekten bei zahlreichen Industriekunden aus verschiedenen Domänen. Am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE leitet Nass Bauer Industrieprojekte im Bereich der Konzeption von digitalen Ökosystemen und berät Unternehmen in den Themenfeldern Innovation Workshops, Interaction Design und User Interface Prototyping.
„In der früheren Phase von Software Engineering ging es darum, Features zu erkennen und die Usability zu verbessern“, erinnert sich Nass Bauer. „Es wurden viele Usability-Tests wie Interviews und ethnografische Studien durchgeführt. Ich war damals auch die erste Designerin, die in einer Fachabteilung gearbeitet hat.“ Ihre Hauptaufgabe sei es gewesen, Prototypen zu gestalten. In ihren ersten Forschungsprojekten ging es zum Beispiel darum, wie sich eine Softwareanwendung für eine bestimmte Nutzergruppe entwickeln lässt. Ein großes Thema für die Designerin war schon damals, wie man Geschäftsanwendungen gestaltet. Wie kann man Mitarbeiter vor allem für monotone Aufgaben motivieren? Wie lässt sich Software so verbessern, dass auch die Freude an der Arbeit erhört wird? Im Gegensatz zu dem privaten Umfeld, wo man sich seine Anwendungen einfach aussuchen könne, sei das in der Arbeit nicht so einfach. „Das war äußerst interessant“, so Nass Bauer. „Vor allem der Aspekt, wie man mit kleinen, beziehungsweise wenigen Maßnahmen die Mitarbeiterzufriedenheit derart erhöhen kann, dass es sich auch in einer Verbesserung der Leistung niederschlägt.“
Doch nicht nur Benutzerfreundlichkeit und Motivationssteigerung sind entscheidende Faktoren. Einige Projekte adressierten auch das Thema Sicherheit; also wie man sichere Systeme nutzbarer machen kann. „Damit die NutzerInnen entscheiden können, wie sie ihre Einstellungen vornehmen und welche Daten sie preisgeben wollen.“ Hier gehe es darum, den User dabei zu unterstützen, solche Arten von Sicherheitseinstellungen transparent einsehen zu können und mehr Kontrolle darüber zu haben. „Daneben projektieren wir im B2C- Umfeld auch viel im Bereich der Digitalisierung im ländlichen Raum“, sagt Nass Bauer. So zum Beispiel im Rahmen des Referenzprojekts „Digitale Dörfer“, in dem das Fraunhofer IESE gemeinsam mit Partnern untersucht, wie sich durch die Digitalisierung neue Chancen für ländliche Regionen auftun. Mit dem Modellvorhaben „Smarte.Land.Regionen“ hingegen wird die Digitalisierung der Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen verfolgt. Solche Projekte werden am Fraunhofer IESE großflächiger angeboten. „Und das nicht nur als Konzept, sondern als Endprodukt“, so die Softwaredesignerin.
„Was Design ausmacht, ist die Übersetzungsarbeit: das, was die Menschen wollen, in konkrete Features und digitale Dienstleistungen zu überführen.“ |
---|
Seit dem vergangenen Wintersemester unterrichtet Claudia Nass Bauer nun auch, neben ihrer Tätigkeit am Fraunhofer IESE, an der Hochschule Mainz im Fach „Design Strategy“. „Meine Professur beschäftigt sich im Grunde auch genau mit diesen Fragestellungen: Welchen Mehrwert kann ich eigentlich für einen Endnutzer oder Kunden generieren und welche neuen Features und Dienstleistungen lassen sich darüber erstellen“, erklärt sie. „Durch die Arbeit am Fraunhofer IESE bin ich eher auf der ‚Meta-Designebene‘. Es geht um die Entwicklung von Methoden, die es beliebigen Unternehmen erlauben, diese Features zu entdecken beziehungsweise diese Dienstleistungen und Produkte zu identifizieren. Und das ist mehr oder weniger kontextunabhängig – könnte also sowohl im Geschäfts- als auch Endkundenbereich Anwendung finden.“
Für den Softwareentwickler sei dabei entscheidend, sowohl in der frühen Phase als auch darüber hinaus – über den gesamten Prozess hinweg – eng mit den Unternehmen zusammenzuarbeiten, um Perspektiven zu erarbeiten. Dazu gehört: Welche Produkte und digitalen Dienstleistungen kommen überhaupt in Frage? Das Design spiele dabei eine wichtige Rolle. Denn, wenn man ein neues Produkt erstelle, bewege man sich in einem steten Spannungsfeld aus dem,
„Design spielt in diesem Dreiecksgeflecht insofern eine wichtige Rolle, als dass es den Menschen im Entwicklungsprozess eine Stimme gibt“, ist die Software-Expertin überzeugt. Normalerweise werde dieser Aspekt schon früh im Prozess berücksichtigt, indem man die Bedürfnisse erhebe, Forschung dazu betreibe und Ideen visualisiere. „Auf Grundlage dieser Basis müssen Unternehmen viele Entscheidungen treffen. Tun sie dies nicht, werden die Menschen also nicht mehr berücksichtigt, kann es sein, dass das Produkt womöglich schlechter wird“, führt Nass Bauer aus.
Was macht ein Softwaredesigner? |
---|
Softwaredesigner gestalten Software. Das Feld reicht dabei aber weit über die bekannten Programme, wie Microsoft Office oder Desktop-Anwendungen für Computer, hinaus. Seit einigen Jahren erweitern sich die Anwendungsgebiete für Software immer weiter und neben Geräten mit Displays – wie Smartphones, Tablets oder Mixed-Reality-Brillen – sind inzwischen auch sprachgesteuerte Geräte mit komplexer Software versehen. Smart-Home-Geräte, die über Stimmerkennung Befehle ausführen beispielsweise. Aber auch Industrieanwendungen benötigen Software, die individuell gestaltet werden muss. Das Design bezieht sich dabei nicht nur auf eine visuell ansprechende Benutzeroberfläche, sondern auch auf die umfängliche Funktionalität der Software. Welche Fähigkeiten sind entscheidend? |