E-Mobilität wird zum Standard werden: Wo und wie kann ich aber mein Auto aufladen? Zudem müssen öffentliche und private Ladestationen für Elektrofahrzeuge gewartet und auf ihre elektrische Sicherheit geprüft werden. Hans-Dieter Schüssele von Fluke Europe geht der Sache auf den Grund.
Elektromobilität (E-Mobilität) wird mit dem Aufkommen des Elektrofahrzeugs (EV) unweigerlich zum Standard werden, aber mit diesem Wandel stellt sich die Frage: Wo und wie kann ich mein Auto aufladen? Neben den herkömmlichen Zapfsäulen für fossile Brennstoffe müssen auch die öffentlichen und privaten Ladestationen für Elektrofahrzeuge (EVSEEVSE; Stromversorgungseinrichtungen für Elektrofahrzeuge) gewartet und auf ihre elektrische Sicherheit geprüft werden. Schließlich wird das eigene Elektroauto in Zukunft zu den größten Stromverbrauchern im Haushalt gehören. Hans-Dieter Schüssele, Applikations & Technologie Experte bei Fluke Europa, geht der Sache auf den Grund.
funkschau: Welchen Stellenwert hat die Messtechnik im Zusammenhang mit der sich wandelnden Mobilität? Dies betrifft sowohl Ladestationen als auch das sichere autonome Fahren im Allgemeinen?
Hans-Dieter Schüssele: Es heißt, ohne Messtechnik würden Flugzeuge vom Himmel fallen, Brücken einstürzen und unsere Handys einfach nicht mehr funktionieren. Die Messtechnik ist der unsichtbare „Enabler“, der das Funktionieren der Menschheit garantiert – gerade im 21. Jahrhundert. Da wir uns langsam von den fossilen Brennstoffen verabschieden und die E-Mobilität zur Realität statt Utopie machen, wird die Messtechnik noch mehr an Bedeutung gewinnen. Die zunehmende Einführung von Elektrofahrzeugen (EVs) – und eines Tages auch von vollständig autonomen Fahrzeugen – erfordert, dass Genauigkeit und Sicherheit an erster Stelle stehen. Ohne die Umsetzung der höchstmöglichen Standards in der Messtechnik wäre es unmöglich, diese schöne neue Welt zu schaffen, in der maschinelles Lernen (ML) und künstliche Intelligenz (KI) die neuen Normen sind, auf die wir uns rund um die Uhr verlassen.
funkschau: Was unterscheidet die Mess- und Prüftechnik an Ladestationen für Elektrofahrzeuge von anderen Messaufgaben? Gibt es hier Besonderheiten oder besondere Herausforderungen?
Schüssele: Bei Elektrofahrzeugen geht es um die Sicherheit von Menschen und gleichzeitig darum, die Umwelt zu schützen und weitere Schäden für unseren Planeten zu verhindern. In Bezug auf EVSE kommt es darauf an, dass jede neue Ladestation den einschlägigen Normen für Elektroinstallationen entspricht, da fehlerhafte Ladestationen zu Netzüberlastungen und Systemausfällen führen können, die sich auf unser Stromverteilungssystem auswirken können. Der wichtigste Punkt rund um EVSE ist, dass es letztlich der Laie ist, der die Systeme bedient, und daher müssen Zuverlässigkeit und Sicherheit im Mittelpunkt jeder Installation stehen. Dies lässt sich nur durch strenge Erstprüfungen und regelmäßige Wiederholungsinspektionen mit modernster Messtechnik sicherstellen.
funkschau: Welche Normen und Sicherheitsstandards sind bei der Installation und Wartung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu beachten?
Schüssele: In Deutschland müssen EVSE eine Reihe von Normen erfüllen. Dazu gehören DIN VDE 0100-600, DIN VDE 0100-722 und DIN EN IEC 61851-1 (VDE 0122-1). Je nach Größe der Ladestation können auch VDI 2166 oder VDE-AR-N 4100 gelten. Zu den Prüfungen, die ein Elektroinstallateur durchführen muss, gehören das Messen, Prüfen und Kontrollieren der verschiedenen Betriebszustände einer Ladestation sowie die Prüfung der Durchgängigkeit von Schutzleitern, der Funktion von Fehlerstromschutzschaltern (RCDs) sowie des Isolations- und Erdungswiderstandes.
In der Systemnorm DIN EN IEC 61851-1 (VDE 0122-1) sind vier verschiedene Ladebetriebsarten beschrieben. Für Elektrofahrzeuge im Haushalt sind die Ladebetriebsarten 2 und 3 für das Laden mit Wechselstrom (AC) anwendbar. Bei der Betriebsart 2 benötigt ein durchschnittliches Kleinfahrzeug zwischen 24 und 36 Stunden, um an einem einphasigen Stromnetz geladen zu werden. In der Ladebetriebsart 3 bietet die Ladestation eine ein- oder dreiphasige Versorgung mit einer Netzspannung von 230 oder 400 V und Ladeströmen von 16 oder sogar 32 A.
funkschau: Fluke hat kürzlich den FEV300 vorgestellt, einen Adapter, der für Ladestationen für Elektrofahrzeuge entwickelt wurde. Für welche spezifischen Anwendungen ist der FEV300 konzipiert? Welche Sicherheitsmerkmale weist er auf?
Schüssele: Der neue EVSE-Adapter FEV300 von Fluke wurde speziell für die Prüfung von Ladestationen zur beschleunigten Ladung entwickelt, die das Laden mit Ladebetriebsart 3 von 3,7 bis 22 kW ermöglichen. Die Sicherheit von Installations- und Wartungselektrikern sowie Endnutzern war bei der Entwicklung des Adapters von entscheidender Bedeutung.
Eine zuverlässige Kommunikation zwischen der Ladestation und dem angeschlossenen Elektrofahrzeug ist unerlässlich, und ohne die Simulation eines Elektrofahrzeugs wäre die EVSE nicht in der Lage, die Ausgangsspannung zu liefern. Aus diesem Grund simuliert der FEV300-Adapter ein Elektrofahrzeug mit Ladebetriebsart 3 mit den Steckertypen 1 (einphasig) und 2 (dreiphasig) – unter Verwendung der CON-TY1-Stecker (Typ 1) und CON-TY2-Stecker (Typ 2) von Fluke. Damit wird die sichere und effiziente Leistungsabgabe einer Ladestation in Übereinstimmung mit den oben genannten Normen überprüft. Gleichzeitig ermöglicht der FEV300 – in Verbindung mit einem Multifunktions-Installationstester (MFT) wie dem Fluke 1663 oder 1664FC – das Prüfen von Fehlerstromschutzschaltern (RCDs) sowie von Fehlergleichstrom-Überwachungseinrichtungen (RDC-DD), die bei jeder Ladestation zum Schutz gegen elektrischen Schlag installiert sind.
funkschau: Wie fügt sich das Gerät in das bestehende Fluke-Angebot für Elektromobilität ein?
Schüssele: Das E-Mobility-Angebot von Fluke umfasst eine Reihe von Prüfgeräten und Software, mit denen Techniker Ladestationen für Elektrofahrzeuge effizient und sicher installieren und prüfen können. Alle Geräte sind so konzipiert, dass sie einfach zu bedienen, vielseitig einsetzbar und robust für den Einsatz in anspruchsvollen Umgebungen sind. Der EVSE-Adapter FEV300 ergänzt eine Vielzahl anderer Fluke-Lösungen, die sich für den Einsatz im gesamten Bereich der Elektromobilität eignen, darunter E-Motorräder, Gabelstapler, Motorroller und E-Bikes.
funkschau: Wie wichtig ist die E-Mobilität für Fluke im Allgemeinen? Wie will sich das Unternehmen hier kurz- und mittelfristig positionieren?
Schüssele: E-Mobilität ist kurz-, mittel- und langfristig ein wesentliches Element im Messtechnikangebot von Fluke. Unterstützt durch ein bewährtes globales Netzwerk von Partnern und Distributoren ist sich Fluke des exponentiellen Wachstums des Elektromobilitätsmarktes und der Rolle, die seine Lösungen bei der Weiterentwicklung dieses Marktes spielen werden, bewusst. Laut Bloombergs Annual Electrical Vehicle Outlook 20221 gibt es heute rund 20 Millionen Elektrofahrzeuge auf der Welt, und allein in Deutschland ist die Zahl der neu zugelassenen E-Fahrzeuge 2019 um 41 Prozent gestiegen. Kein anderer Markt entwickelt so schnell, und Bloomberg geht davon aus, dass bis 2025 zwischen 40 und 50 Prozent aller Neuwagenverkäufe in Deutschland, Frankreich und Großbritannien auf Elektrofahrzeuge entfallen werden.
„Angesichts der prognostizierten Verbreitung von Ladestationen auf der ganzen Welt besteht ein dringender Bedarf an Technikern, die so schnell wie möglich für diesen neuen Markt fit gemacht werden müssen. Die Trainingsprogramme von Fluke stehen im Mittelpunkt dieser Bemühungen, um diejenigen weiterzubilden, die für den Erfolg des unaufhaltsamen weltweiten Strebens nach emissionsfreiem Fahren entscheidend sein werden.“ |
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funkschau: Der Markt boomt derzeit, was lange Wartelisten für die Installation von Ladestationen zur Folge hat. Fluke bietet daher auch in Deutschland Schulungen für die Prüfung und Wartung von Ladestationen an. Wie sieht das Schulungsprogramm von Fluke genau aus?
Schüssele: Der Trend zu Elektrofahrzeugen schreitet schnell voran, aber einer der Faktoren, der ihn bremsen könnten, ist die Verfügbarkeit von Ladestationen. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen wie Fluke nicht nur die Prüfgeräte liefern können, die für die schnelle Einführung von Ladestationen erforderlich sind, sondern auch Schulungsprogramme anbieten. Diese Schulungen vermitteln Technikern das Wissen und die Kenntnisse, die sie benötigen, um die Prüfungen bei der Installation und Wartung von Ladestationen nach den gültigen Vorschriften und Normen durchzuführen.
Fluke ist dabei ein führender Anbieter von Schulungsprogrammen für die Prüfung und Wartung von EVSE in Deutschland, und das Unternehmen ist bestrebt, die Bedürfnisse von Elektrikern zu erfüllen, die jetzt ihre Kenntnisse in diesem Bereich weiterentwickeln und verbessern möchten. Um sicherzustellen, dass das Sammeln und der Austausch von Wissen so produktiv wie möglich sind, setzt Fluke auf persönliches Training in kleinen Gruppen, damit die Techniker nicht nur die Art der Ausrüstung, mit der sie arbeiten, vollständig verstehen, sondern auch die Ergebnisse interpretieren können, die ihre Messgeräte anzeigen.
Gleichzeitig hat Fluke bei der Entwicklung von Produkten wie dem EVSE-Adapter FEV300, seinen Multifunktions-Installationstestern und seinem breiten Angebot an Oszilloskopen darauf geachtet, dass sie einfach und intuitiv zu bedienen sind. Das bedeutet, dass geschulte Techniker und Prüfingenieure diese sofort verwenden können, sodass sie sich auf die eigentliche Aufgabe konzentrieren können – nämlich die Sicherheit und Zuverlässigkeit von EVSE zu gewährleisten – ohne sich um grundlegende betriebliche Probleme kümmern zu müssen.
1 https://about.bnef.com/electric-vehicle-outlook/