Unified Communications künftig auch per Hologramm

Cisco zielt auf Web 2.0 und Green IT

21. November 2007, 0:01 Uhr |

Unter dem Schlagwort "Cisco 3.0" hat der Netzwerkmarktführer bei einer Pressekonferenz in München seine Strategie für die kommenden Jahre erläutert. Cisco inszeniert das Netzwerk als die integrierte Plattform für alle Lebensbereiche ("Work, Live, Play, Learn") - also längst nicht mehr nur für die Arbeitswelt. Entsprechende Akquisitionen wie die des Settop-Box-Herstellers Scientific Atlanta haben diese Neuausrichtung bereits dokumentiert. Nun zielt der Anbieter vor allem auf Unified Communications (UC, netzgestützte multimediale Kommunikation) sowie auf eine serviceorientierten Netzwerkarchitektur (SONA). Per Videoclip demonstrierte Cisco, wie UC in naher Zukunft aussehen könnte: Bei der Eröffnung eines Rechenzentrums in Indien hatte CEO John Chambers einen Kollegen aus Kalifornien hinzugezogen - aber nicht via Ciscos Videokonferenzsystem Telepresence, sondern als Echtzeitübertragung eines Hologramms.

Laut Analysten sind für das Jahr 2009 rund 71 Millionen Haushalte mit Glasfaseranschluss (Fiber to the Home, FTTH) zu erwarten. Cisco geht davon aus, das 20 Haushalte im Jahr 2010 soviel Internet-Traffic generieren werden wie das gesamte Internet 1995. Hausintern betrage der Anteil des Video-Traffics bei Cisco heute bereits 50 Prozent des Netzverkehrs. Unter Video versteht der Netzwerkausrüster aber nicht nur Consumer Video à la Youtube, sondern auch Business-Anwendungen wie Telepresence, Unified Communications (hier hat Cisco jüngst den Onlinekonferenzanbieter Webex übernommen), Digital Signage (per Netz verteilte digitale Multimediainhalte zum Beispiel für Werbeanzeigetafeln) und Kamerabilder beispielsweise für die Geländeüberwachung. Ciscos Message hierzu: Das Netzwerk müsse immer mehr Aufgaben übernehmen – eben im Sinne einer SONA – und Applikationen würden künftig nicht "auf dem Netz" laufen, sondern "mit dem Netz".

Um die nötigen Innovationen voranzutreiben, investiert Cisco nicht nur stark in die Forschung und Entwicklung (allein 5 Mrd. Dollar von 35 Mrd. Dollar Konzernumsatz im Jahr 2007) und kauft fleißig Spezialisten hinzu (bislang über 120 Firmen). Zudem versucht das Unternehmen, Innovation als strukturierten Prozess umzusetzen: Mit "I-Zone" hat Cisco eine Kollaborationsanwendung für die konzernweite Ideensammlung unter seinen 62.000 Mitarbeitern aufgesetzt. Ein klar definierter Workflow ermöglicht die systematische Evaluierung und Selektion eingebrachter Ideen und reicht über die Entwicklung eines Geschäftsmodells und die technische Umsetzung der Idee bis hin zu deren Vermarktung. Kürzlich hat Cisco diese Applikation unter dem Namen "I-Prize" für Externe zugänglich gemacht, um sich auch das Ideenpotenzial außerhalb des eigenen Unternehmens zu eröffnen.

Als Beispiel für die eigene Innovationskraft nannte Cisco die dank Parallelverarbeitung erreichte Latenzoptimierung, die den Kern der Telepresence-Lösung ausmache: Die Lösung komprimiert Bildströme von 3,6 GBit/s auf 8 bis 12 MBit/s und erzeugt dabei laut Cisco nur 80 Millisekunden Latenz. Damit arbeite dieser Codec deutlich effizienter als der von HDTV (hochauflösendem Fernsehen) oder der MPEG4-Codec. Diese Kompression und Latenzoptimierung ebneten nun auch den Weg zur Übertragung von Hologrammen: Der Hologrammdatenstrom liege bei zirka 10 MBit/s, die Latenz zwischen Kalifornien und Indien sei bei der Demo unter 160 Millisekunden geblieben.

Große Erwartungen setzt der Netzwerkgigant auch in Web 2.0, das Cisco "Internet Phase II" nennt: Web 2.0 sei geprägt von so genannter "Consumerization". Der Begriff beschreibt den Umstand, dass Innovation bei technischen Produkten und Lösungen heutzutage stark vom Privatanwender- oder Consumer-Segment angetrieben wird. Höchste Anforderungen an das Netz stellen zum Beispiel heute nicht vorrangig die handelsüblichen Business-Anwendungen, sondern Onlinewelten wie Second Life oder World of Warcraft. Weitere Web-2.0-Trends seien die Allgegenwart von Breitband-Connectivity und Videokommunikation, das Heranwachsen von "Digital Natives" (also einer Generation von Anwendern, die keine Welt ohne jederzeit verfügbare Webdienste mehr kennt) und das Prinzip des "Prosumers" (Wortneuschöpfung aus "Producer" und "Consumer": die Grenzen zwischen Hersteller und Konsument von Webinhalten verschwimmen, siehe Youtube und Co.). In diesem Markt will auch Cisco künftig stärker mitspielen. So habe man mit Five Across einen Spezialisten aufgekauft, das die Erstellung von Videoinhalten à la Youtube für den Unternehmenseinsatz nutzbar macht.

Einen weiteren Schwerpunkt setzt Cisco beim allgegenwärtigen Modethema Green IT, für das sich der Netzwerkausrüster nachdrücklich engagiert, so mit seinem Green-IT-Infoportal www.gruene-it.de. Den Weg zum umweltgerechten IT-Einsatz sieht Cisco in vier Stufen gegliedert: 1. energieeffiziente Produkte, zum Beispiel durch intelligentes Chipdesign; 2. Virtualisierung, in Ciscos Fall mittels intelligenter Netzwerke; 3. die Nutzung von IT, um die Welt außerhalb der IT umweltgerecht zu beeinflussen, etwa durch intelligente Verkehrsleitsysteme oder Onlinekollaboration; sowie als letzte Stufe das, was Ciscos Marketiers als "Human Network" bezeichnen: das Netzwerk als zentrale Plattform für den digitalen – und damit, so die implizierte Hoffnung, umweltfreundlicheren – Lifestyle.

Als Beispiel für eine konkrete, greifbare Green-IT-Initiative präsentierte Kai Reichert, Leiter Integration und Quality Assurance bei der Hypovereinsbank, das Virtualisierungsprojekt der Bank: HVB Information Services (IS) habe mittels Vmware ESX und LPARs (logischer Partitionen im Unix-Umfeld) 2600 Server virtualisiert. Dieses Projekt habe sich allein durch die Stromverbrauchssenkung gerechnet: Der Verbrauch der Windows-Server ist laut Reichert von 5 Mio. kWh/a auf 0,57 Mio. kWh/a gesunken, dies entspreche eine Ersparnis von 89 Prozent. HVB IS habe fast alle Windows-Server komplett virtualisiert, mit Ausnahme einiger hoch ausgelasteter Cluster. Für Vmware seien dabei die I/O-intensiven Applikationen eine Herausforderung gewesen. Auf Unix-Seite habe man den Serverbestand mittels AIX LPARs von 100 physischen Geräten auf zwei gesenkt und dabei eine Stromersparnis von 66 Prozent erzielt. HVB IS müsse sein Strombudget selbst verantworten und lege die Stromkosten auf die Bepreisung der angebotenen Services um, so Reichert. Die Virtualisierung von Desktops mittels VDI (Virtual Desktop Infrastructure) habe die HVB bereits "in der Schublade". Einem VDI-Rollout stehen laut Reichert derzeit allerdings noch die hohen Kosten entgegen. Hier müsse der Wettbewerb erst noch für Preissenkungen sorgen.

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