Ressourcenschonung als Differenzierungsmerkmal

Hersteller mit grünem Fokus bevorzugt

22. November 2007, 23:00 Uhr | Sabine Koll/jos

Experten sind sich einig: IT-Verantwortliche müssen sich künftig auch mit den ökologischen Aspekten der Datenverarbeitung befassen. Neben PCs und Monitoren stehen insbesondere Rechenzentren als Energiefresser und Kohlendioxidverursacher am Pranger. Grüne Lösungen und Produkte dafür sind bereits auf dem Markt vorhanden, sodass die Anwenderunternehmen durchaus aktiv werden können. Doch die Hersteller stehen ebenso in der Pflicht, ihre Produkte energieeffizienter zu gestalten und sich auf entsprechende Standards zu einigen.

Green IT steht nach Meinung des US-Beratungshauses Gartner ganz oben auf der Liste strategischer
Techniken für das kommende Jahr. "Unternehmen sollten ökologische IT in ihrem strategischen
Planungsprozess berücksichtigen, indem sie Schlüsselfragen stellen und wohl überlegte
Entscheidungen treffen", erklärt Gartners Vice President David Cearley. Dies sollte vor allem vor
dem Hintergrund geschehen, dass Gesetze und Regularien entsprechende Maßnahmen in Zukunft
vorschreiben.

Zudem beobachtet Gartner, dass immer mehr Anwenderunternehmen an diesem Punkt ihrer sozialen
Verantwortung nachkommen. Ein Beispiel dafür ist der Internet-Provider Host Europe, der zehn
Rechenzentren in Deutschland und England betreibt. Das jüngste davon, im Mai in Köln in Betrieb
genommen, wurde nach ökologischen Gesichtspunkten konzipiert, gebaut und ausgestattet. "Ökologie
bleibt auch im Rechenzentrum eine freiwillige Leistung für Menschen, die umweltverträgliches und
verantwortungsvolles, unternehmerisches Handeln als richtig erachten – auch zu Lasten möglicher
Gewinnmaximierung", ist Geschäftsführer Patrick Pulvermüller überzeugt.

"Kunden werden künftig IT-Hersteller mit grünem Fokus bevorzugen und Regeln für den Einkauf
grüner IT-Produkte aufstellen", prognostiziert Gartner-Experte Cearley. Da verwundert es nicht,
dass auch IDC den Herstellern grüne IT dringend als das Differenzierungsmerkmal empfiehlt.

"Doch nicht nur die Verantwortung gegenüber der Umwelt treibt die Anwender zu ökologischem
Handeln", wendet Frank Donat ein, Manager beim IT-Riesen HP. "Mit den steigenden Stromkosten
spielen auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle." Dies bestätigt Pulvermüller: "Die Stromkosten
machen heute rund zehn Prozent der Gesamtkosten beim Betrieb eines Rechenzentrums aus. Und wir
gehen davon aus, dass der Strom auch in den nächsten Jahren überproportional teurer wird." Andreas
Zilch, Vorstandsmitglied bei der Münchner Experton Group, geht sogar noch einen Schritt weiter: "
Ökonomie wird immer die Hauptrolle spielen."

40 Prozent des gesamten IT-Energiebedarfs gehen heute auf das Konto von PCs und Monitoren,
schätzt Gartner. Mit gut einem Viertel stehen Rechenzentren an zweiter Stelle. Deren Anteil wachse
allerdings wesentlich schneller, sodass hier der dringendste Handlungsbedarf bestehe. Drei
Problemfelder identifiziert Gartner dabei:

den Platzmangel in den bestehenden Rechenzentren,

als Folge eine stark verdichtete Aufstellung von Servern – in Räumlichkeiten,
die dafür nicht konzipiert wurden, und

einen erhöhten Energiebedarf und eine hohe Wärmeentwicklung – forciert noch
durch die Entwicklung ständig leistungsfähigerer, aber auch energiebedürftiger
Mikroprozessoren.

Um den Kühlungsbedarf zu drosseln und somit mehr Strom für das Equipment zur Verfügung zu
stellen, verbreitern viele Anwender die Gänge zwischen den Schrank-reihen. "Dies ist eine
Behelfsmaßnahme, die jedoch nur in großen Räumen zur Verfügung steht und endgültig versagt, wenn
die Abwärme zu hoch wird", warnt Michael Schumacher, technischer Leiter beim
Rechenzentrumsausstatter APC-MGE. "Um die Energieeffizienz dauerhaft zu verbessern, hilft nur ein
intelligentes und modular aufgebautes Kühlungskonzept."

Um aus dieser Malaise zu entkommen, empfiehlt Host-Europe-Geschäftsführer Pulvermüller den Bau
energieeffizienter Rechenzentren, den Kauf ebensolcher Servertechniken sowie die Virtualisierung
zur Verbesserung der Serverauslastung als die drei wichtigsten Punkte. Diese hat Host Europe beim
Bau seines neuesten Rechenzentrums beherzigt – mit dem Ergebnis, dass es im Vergleich zu den
herkömmlich gebauten des Mutterkonzerns Pipex Communications 30 Prozent weniger Strom verbraucht. "
Abhängig von der Außentemperatur nimmt das grüne Rechenzentrum pro Watt Rechenleistung 1,45 bis
1,78 Watt Strom auf. Unsere normalen Rechenzentren benötigen hingegen zwischen 2,20 bis 2,24 Watt
Strom pro Watt Rechenleistung", rechnet Pulvermüller vor. Dadurch vermeide man den Ausstoß von 2500
Tonnen Kohlendioxid und spare etwa eine halbe Million Euro an Stromkosten je 500 Quadratmeter
Rechenzentrumsfläche.

Doch nicht jedes Unternehmen kann und will sich gleich einen Rechenzentrumsneubau leisten. "Die
Möglichkeiten bei einem gänzlich neuen Gebäude sind natürlich größer. Trotzdem gibt es auch
vielfältige Möglichkeiten bei bestehenden Rechenzentren", stellt Experton-Analyst Zilch klar. Denn
jedes RZ, daran hat er keinen Zweifel, müsse künftig ganzheitlich und nachhaltig grün gestaltet
werden. Auch HP-Manager Donat ist der Ansicht, dass in bestehenden Rechenzentren
Energiesparpotenzial schlummert, das es zu heben gilt. An welchen Stellen genau, darüber geben so
genannte Thermal Assessments Aufschluss, wie sie etwa HP anbietet. Dabei nehmen Spezialisten die
Klimatisierung genauer unter die Lupe, visualisieren sie in einer dreidimensionalen Übersicht und
geben Tipps für die Optimierung.

Einig sind sich die Experten, dass in bestehenden Rechenzentren die Trennung von kalten und
warmen Luftströmen – am besten mit der Überdachung dieser Gänge – einen wesentlichen
Energieeffizienzschub bringt. Donat weist darauf hin, dass Server in der Regel mit einer vorderen
Kühlluft von bis zu rund 25 Grad betrieben werden. "An der Rückseite aber erreichen die
Temperaturen der Abluft je nach der im Rack installierten Hardware durchaus Werte bis zu 50 Grad",
erklärt er. Insofern lohne es sich, die Server so aufzustellen, dass warme und kalte Gänge
entstehen, deren Luftmassen sich nicht vermischen. Dies senkt die Kühlkosten.

Doch klar ist auch, dass die Industrie in den nächsten Jahren noch viele Maßnahmen in Richtung
grünes Rechenzentrum angehen muss. Dies beginnt bei der Entwicklung energieeffizienter Prozessoren
und geht über die Steuerung des maximalen Energieverbrauchs von Servern bis hin zu Schnittstellen
für eine integrierte Steuerung von IT-Systemen und Klimaanlagen. Experton-Vorstand Zilch; "Wichtig
wären zudem Standardmetriken für den tatsächlichen Stromverbrauch von Komponenten und Systemen."


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