Hardware im Rechenzentrum leichter reparieren und länger in Betrieb halten – das ist das Ziel einer EU-Verordnung, die seit zwei Jahren in Kraft ist und jetzt real greift. Für Unternehmen ist das die Chance, ihre Rechenzentren ökologisch und ökonomisch nachhaltiger zu gestalten.
Der Artikel liefert unter anderem Antworten auf folgende Fragen:
Die Zeiten, in denen Energieeffizienz als allein bestimmender Faktor für Nachhaltigkeit in Rechenzentren galt, sind vorbei. Vielmehr werden umfassendere Ansätze verfolgt. Aus gutem Grund: Die Fertigung von Servern und Storage-Systemen verbraucht viel Energie, Wasser und zahlreiche Chemikalien. Obendrein werden wertvolle Rohstoffe wie Wolfram, Coltan und seltene Erden benötigt. Bei deren Abbau spielen ernsthafte Umwelt- und Sozialvorgaben nur selten eine Rolle. Zudem reisen alle Grundstoffe, Komponenten und Endprodukte über verzweigte Lieferketten quer um den Globus – mit entsprechenden Emissionen. Und schließlich ist auch die Außerbetriebnahme der Geräte eine Herausforderung: Man muss die Hardware fachgerecht zerlegen und Rohstoffe zurück-gewinnen, um möglichst wenig Material endgültig zu entsorgen.
Wenn man den kompletten Lebenszyklus betrachtet, liegt es auf der Hand, dass der Verzicht auf unnötige Neuproduktion von Hardware ein äußerst wirksames Mittel ist, um Ressourcen und die Umwelt zu schonen. Aber stattdessen zeigt sich in der bisherigen Praxis ein typischer Server-Refresh-Zeitraum von drei bis maximal fünf Jahren. Diese Zeitspanne entspricht dem von den meisten Herstellern angebotenen Garantie- beziehungsweise Wartungszeitraum und seinem End of Service Life (EOSL).
Ist ein Wartungsvertrag mit dem Hersteller ausgelaufen, erscheint es häufig günstiger, neue Server mit entsprechend neuen Verträgen anzuschaffen als die hochpreisigen OEM-Konditionen einer Wartungsverlängerung anzunehmen. Dieses Vorgehen bedeutet aber auch: Regelmäßig mustern Unternehmen voll funktionstüchtige und leistungsfähige Hardware aus und ersetzen diese durch Neugeräte, die dazu produziert werden mussten – samt aller Emissionen. Dabei können Server und andere Hardware ohne Performance-Verluste zehn Jahre und länger im Einsatz sein.
Ein weiteres Argument für Unternehmen, Hardware nach dem End of Service Life abzustoßen, war bislang die Frage nach Sicherheits-Updates und Firmware-Aktualisierungen, wenn der Support durch die Hersteller ausgelaufen war. Doch inzwischen stellt sich die Situation anders dar: Vor zwei Jahren, im März 2021, trat die zweite Stufe der EU-Durchführungsverordnung 2019/424 zur europäischen Ökodesign-Richtlinie in Kraft. Während Stufe 1 höhere Anforderungen an Reparierbarkeit, Nachrüstbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Servern und Storage-Systemen stellte, sollte Stufe 2 die Nutzungsdauer von Hardware nochmals deutlich ausdehnen. Dazu verlangt sie, dass die Hersteller ihre Geräte länger mit Security-Updates und aktualisierter Firmware versorgen. Konkret heißt das: Alle neuen Produktmodelle, die seit dem 1. März 2021 in den Verkehr gebracht wurden, sollen von dieser Regelung profitieren, indem „[…] die neueste verfügbare Version der Firmware […] für einen Zeitraum von mindestens acht Jahren […] kostenlos oder zu fairen, transparenten und nichtdiskriminierenden Kosten zur Verfügung gestellt […]“ werden muss. Somit können IT-Abteilungen sicher sein, die notwendigen Sicherheits-Updates auch nach der Herstellerwartung zu erhalten. Das ist ein gewaltiger Schritt, hin zu einem OEM-unabhängigen und um Jahre verlängerten Lebenszyklus der Hardware.
Aber was macht diese EU-Verordnung gerade jetzt, zwei Jahre nach Inkrafttreten, so relevant? Für die ersten neuen Hardware-Komponenten, die seit März 2021 auf den Markt kamen, rückt nun der End of Service Life näher. Betreiber sollten jetzt planen, wie sie mit dem Datum umgehen möchten. Denn sie haben nun die Gewissheit, dass ihre Hardware über viele Jahre mit Updates versorgt werden wird, auch die Reparierbarkeit ist gegenüber älteren Modellen erhöht. Der Druck, funktionstüchtige Hardware zu ersetzen und die Wartung beim Hersteller zu bestellen, ist damit gesunken.
Dieser neue Handlungsspielraum wirkt sich doppelt positiv auf das Budget aus: Zum einen lassen sich technisch unnötige Investitionen in die Zukunft verschieben. Zum anderen eröffnen sich neue Möglichkeiten, die Hardware durch unabhängige Dienstleister warten zu lassen. Analysten von Gartner beziffern das Einsparpoten-zial eines solchen Wechsels von der Herstellerwartung zu Third-Party Maintenance (TPM) auf bis zu 70 Prozent. Unternehmen können in Sachen ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit neue Wege gehen. Entsprechend spannend wird sein zu beobachten, ob und wie schnell die Unternehmen ihre neue Freiheit nutzen.
Arnd Krämer, CEO Technogroup IT-Service