Energieeffiziente IT-Infrastrukturen

Wo im Rechenzentrum gespart werden kann

19. Mai 2023, 8:00 Uhr | Autorin: Leonie Hermann / Redaktion: Alexandra Hose
© funkschau/123rf

Energiekosten waren bislang eher nebensächliches Thema für die Betreiber von Rechenzentren, da sie den nötigen Strom vergleichsweise günstig beziehen konnten. Die aktuelle Energiekrise setzt sie jedoch unter Druck. Welche Datacenterbereiche ein hohes Optimierungs- und Einsparpotenzial versprechen.

Der Artikel liefert unter anderem Antworten auf folgende Fragen:

  • Über welche Stellschrauben können Rechenzentren energieeffizienter gemacht werden?
  • Wie lassen sich der physische und virtuelle Server-Betrieb hinsichtlich Energieeffizienz anpassen?
  • Welche Kühlmethoden versprechen Vorteile, um das Rechenzentrum energieeffizient zu managen?
  • Macht ein Umstieg auf erneuerbare Energien Sinn?
  • Welche Rolle spielen die regelmäßige Wartung der Haustechnik sowie die Überprüfung und Generalüberholung von Gebäuden?

Die Energiekrise bereitet den Betreibern von Rechenzentren großes Kopfzerbrechen. Lag bislang eher eine optimale Verbindung zwischen Energieverbrauch, Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit im Fokus der Datacenterbetreiber, lösen inzwischen hohe Strompreise Druck und Existenzängste aus. Laut Bitkom ist der Energiebedarf von Rechenzentren und kleineren IT-Installationen in Deutschland zwischen 2010 und 2020 von 10,5 Milliarden auf 16 Milliarden kWh/a gestiegen1. Es ist daher empfehlenswert Maßnahmen zu ergreifen, um Rechenzentren energieeffizienter zu machen – sowohl im Sinne der Nachhaltigkeit als auch hinsichtlich des Kostendrucks. Es gibt einige Stellschrauben, über die bestimmte Bereiche optimieren werden können. 

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„Die Kühlung ist einer der größten Kostenfaktoren in Rechenzentren. […] So konnten wir durch eine Erhöhung von ein bis zwei Grad bereits fünf bis sieben Prozent Strom einsparen. Mit der Kombination aller durchgeführten Maßnahmen kommen wir insgesamt auf eine Einsparung von etwa 15 Prozent bei den Stromkosten unserer Rechenzentren.“

Benedikt Ernst, Partner and Cloud Advisory Leader bei Kyndryl Consult

Stellschraube 1: Der physische und virtuelle Server-Betrieb

Server verursachen den größten Stromverbrauch in einem Rechenzentrum. Folglich ist dort das größte Einsparpotenzial zu finden. Zunächst gilt es, eine umfassende Analyse der Infrastruktur durchzuführen. Welche Ressourcen stehen zur Verfügung und wie stark sind sie ausgelastet? Daraus lässt sich nicht nur der aktuelle Stromverbrauch ablesen, sondern auch feststellen, ob sich eine umfängliche Modernisierung der Server-Landschaft lohnt – schließlich sind moderne Systeme darauf ausgelegt, effizienter als ihre Vorgänger zu arbeiten. Zudem können sogenannte Zombie-Server ermittelt werden. Dabei handelt es sich um Hardware, die zwar Teil des laufenden Betriebs ist, jedoch keine produktiven Anwendungen mehr ausführt. Diese Zombie-Server abzuschalten würde durchaus Energie sparen, doch die Betreiber hadern oft das zu tun: So meinen sie etwa, sie könnten die Rechenleistung dieser Server in Zukunft eventuell noch benötigen und nehmen folglich einen Mehrverbrauch in Kauf. Stattdessen wäre es ratsam, genaue Analysen durchzuführen, um diesen Missstand zu verhindern.

Hardware, die nicht einfach abgeschaltet werden kann, lässt sich ebenfalls energieeffizient optimieren – zum Beispiel, indem Betreiber die Taktrate herunterschrauben. Aus Vorsorge und Annehmlichkeit ist diese oft auf ihren Maximalwert eingestellt, wobei Betreiber die tatsächlichen Anforderungen der Anwendungen ignorieren. Dabei gilt: Je höher die Taktrate, desto höher die notwendige Strommenge. Meist reicht eine wesentlich niedrigere Taktrate aus, damit Anwendungen optimal laufen und der Energieverbrauch sinkt.

Eine weitere Möglichkeit, um einen energieeffizienten Betrieb bei laufenden Servern zu erreichen, stellt die Virtualisierung dar – ein Konzept, das zwar bekannt ist, jedoch nicht flächendeckend ausgereizt wird. Da sich Ressourcen oftmals auf mehrere, voneinander getrennte Systeme verteilen, sind diese nicht vollständig ausgelastet. Trotzdem verbraucht jeder Server so viel Strom wie unter voller Auslastung. Setzen Betreiber aber auf Virtualisierung und virtuelle Maschinen (VMs), benötigen sie nur wenige Server, die jedoch voll ausgelastet sind – Energie wird gespart. Ein weiterer Vorteil: Cloud-Migration ist in einer virtualisierten Umgebung einfacher umzusetzen, darüber hinaus bietet sich die Zusammenarbeit mit Hyperscalern an, um weitere Einsparungen zu nutzen.

Stellschraube 2: Kühlsysteme

Nach den Servern verbrauchen die Kühlsysteme die zweithöchste Menge an Energie. Zwar sind sie für ein funktionierendes Rechenzentrum zwingend notwendig, können mit den richtigen Optimierungsmaßnahmen jedoch für signifikante Einsparungen sorgen. Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit, die Kühlungstemperaturen um wenige Grade zu erhöhen. Dieser Schritt sollte jedoch nur in Abstimmung mit den jeweiligen Hardware-Herstellern erfolgen. Diese können akkurate Aussagen darüber machen, welche Toleranzwerte existieren und ab welchen Temperaturen die Technik potenziell Schaden nehmen würde. Neue Verfahren wie „Direct Chip Cooling“ versprechen ebenfalls Optimierungspotenzial.

Anstelle von Luft lässt sich auch vergleichsweise günstigeres Wasser zur Kühlung von Server-Racks einsetzen. Dieses moderne Konzept erfordert allerdings noch hohe Investitionen. Mittlerweile arbeiten Unternehmen an weiteren innovativen Kühlmethoden – teilweise noch in experimentellen Phasen. So sollen Sys-teme, die nach dem Prinzip der Absorptionskälte funktionieren, in Zukunft die Abwärme zur Kühlung nutzen. Sollte sich dieser Ansatz etablieren, könnte dies einen erheblichen Beitrag zum Energiesparen leisten.

Einige bekannte Branchenvertreter weichen inzwischen auch auf natürliche Kühlmethoden aus. Im Rahmen des sogenannten „Free Coolings“ entstehen Rechenzentren an Standorten in nördlicheren Regionen nahe des Polarkreises. Aufgrund der niedrigeren Außentemperaturen ist eine geringere Energiezufuhr notwendig. So befindet sich eines der größten europäischen Rechenzentren in der ehemaligen Lefdal-Mine in Norwegen. Verglichen mit herkömmlichen Kühlmethoden ist der Aufbau abgelegener Polar-Rechenzentren allerdings mit hohen Kosten verbunden. Außerdem sind sie eher ungeeignet, wenn es um Anwendungen geht, die auf eine geringe Latenz angewiesen sind. Hier ist die Nähe zu den Nutzern entscheidend.

Stellschraube 3: Gebäudeinfrastruktur und Energiebezug

Nicht nur die Komponenten innerhalb eines Rechenzentrums können für einen energieeffizienten und kostensparenden Betrieb angepasst und optimiert werden, sondern auch die Immobilie selbst. Die Haustechnik sollte regelmäßig gewartet und auf ihr Energieeinsparungspotenzial überprüft werden. Besonders gilt das für die Klimaanlagen, die zu einem großen Teil des Stromverbrauchs beitragen und sehr schnell ineffizient werden können, wenn sie nicht optimal funktionieren. Eine wichtige Kennzahl zur Überprüfung der Energieeffizienz ist dabei der sogenannte PUE-Wert. Die Power Usage Effectiveness gibt das Verhältnis des Gesamtstrombedarfes eines Rechenzentrums in Relation zum Strombedarf der IT-Infrastruktur an. Rechenzentrumsbetreiber sollten in jedem Fall einen (partiellen) Umstieg auf erneuerbare Energien in Betracht ziehen, sofern diese noch nicht in ihren Strommix einfließen. Dabei kommen verschiedene Quellen wie Ökostrom aus Windkraft und Photovoltaik in Frage, aber auch Biogas- oder Blockheizkraftwerke.

Diese Aspekte sollten bestenfalls bereits während der Konzeptionsphase eines Rechenzentrums berücksichtigt werden. Der Standort mit Anbindung zur bestehenden Infrastruktur ist idealerweise so zu wählen, dass sowohl Energiezufuhr als auch Abwärmenutzung ressourcenschonend vonstattengehen.

Mit einigen Optimierungseingriffen lassen sich bereits beträchtliche Energie- und folglich auch Kosteneinsparungen erzielen. Diese Maßnahmen umfassen die effizientere Nutzung von Servern und Kühlsystemen, die regelmäßige Wartung der Haustechnik, die Überprüfung und Generalüberholung von Gebäuden sowie der Bezug von erneuerbaren Energien – sowohl extern als auch in Eigenproduktion. Angesichts der rasant steigenden Energiepreise sollten Betreiber sich diese Chance nicht entgehen lassen, Strom und Geld zu sparen und gleichzeitig etwas für die Umwelt zu tun.

Leonie Hermann ist Cloud Consultant bei Kyndryl Consult Deutschland

1 https://www.bitkom.org/sites/main/files/2022-02/10.02.22-studie-rechenzentren.pdf


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