Kein Tag vergeht derzeit ohne neue Schreckensnachrichten über Hacker-Angriffe. Die Liste der angegriffenen Unternehmen ist ebenso lang wie beeindruckend – sie reicht von Google, RSA, Visa, MasterCard, Citibank, Epsilon über den US-Senat, den britischen National Health Service, Fox und Sony bis hin zum CIA, dessen Internetauftritt gerade erst Opfer einer DDOS-Attacke wurde. Doch wie wirken sich diese Angriffe zukünftig auf das Internet aus? Sind diese konzertierten Aktionen von Hacker-Gruppen etwas grundlegend Neues, gibt es so etwas wie eine neue „Hack-Ordnung“ im Web? Oder muss man vielleicht sogar von einem „Cyberkrieg“ sprechen?
Natürlich sind Hacker-Gruppen kein neues Phänomen. Erstmals kamen sie in den Anfangstagen der PCs während der frühen achtziger Jahre auf. Damals boten sie ihren Mitgliedern Foren, in denen diese sich informieren, lernen und ihre Fähigkeiten miteinander messen konnten. Die neunziger Jahre sahen dann den Aufstieg einer anderen Art von Hacker-Gruppe: „L0pht Heavy Industries“ wurde eher als Forschungsorganisation betrieben, offerierte Software-Tools und gab Hinweise auf Sicherheitslücken – berühmt wurde 1998 ihr Beweis für den US-Kongress, dass sie das gesamte Internet in weniger als 30 Minuten würden lahmlegen können. Das neue Jahrtausend erlebt nun den Aufstieg von „Anonymous“ und in jüngerer Zeit von „LulzSec“. Ersteres ist ein Kollektiv, das mit Angriffen auf die Scientology-Kirche begann und sich dank der breiten Medienberichterstattung zu einem größeren „Unternehmen“ entwickelt hat. Es handelt sich dabei um keine „geschlossene Gruppe“: Anwender können einer solchen zentralen Einrichtung die Kontrolle über ihren Computer übergeben, damit die Angriffe besser gesteuert und kontrolliert werden können. Demgegenüber ist „Lulz Sec“ eine in sich geschlossene Gruppe, deren einzige Motivation in Anarchie besteht. Ähnliche Gruppierungen finden sich auf der ganzen Welt: In Pakistan und Indien beispielsweise ist ein heftiger Wettbewerb zwischen den einzelnen Gruppen entbrannt, in Rumänien haben Organisationen wie „HackersBlog“ bereits verschiedene Unternehmen angegriffen.
Es geht also keineswegs nur um Hacking zum „Spaß“ und des Ruhms wegen – die organisierte Kriminalität beschäftigt sich mit dem Thema bereits seit vielen Jahren, in den vergangenen zwölf Monate gab es lediglich einen deutlichen Anstieg, was die Häufigkeit der Angriffe betrifft. Ziel dieser Angriffe: Informationsdiebstahl und finanzielle Bereicherung. Ein einziger Angriff kann zu einer derartig großen Ausbeute an weiterverkaufbaren oder anderweitig zu missbrauchenden persönlichen Daten führen, dass sich eher die Frage stellt: Warum hat es so lange gedauert, bis diese Entwicklung Fahrt aufgenommen hat?