Gesundheits-Telematik: Entscheidend ist die Akzeptanz. Der Vorschlag für die Lösungsarchitektur der Gesundheitskarte liegt seit März auf dem Tisch. Jetzt müssen die Karten-Herausgeber die endgültigen organisatorischen, technischen und finanziellen Eckwerte festlegen.
Nachdem das vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) angeregte Forschungs- und Entwicklungsprojekt (F&E-Projekt) unter der Mitwirkung verschiedener Fraunhofer-Institute zur diesjährigen Cebit seine Ergebnisse vorgelegt hat, befindet sich die von den Spitzenverbänden des deutschen Gesundheitswesens gegründete »gematik« mbH derzeit in der Phase der aktiven Qualitätssicherung.
Im Laufe dieser Arbeiten ist einerseits eine Sichtung und erste Einschätzung der vorgelegten Dokumente vorgenommen worden. Die noch offenen oder widersprüchlichen Punkte beziehungsweise die Elemente, für die noch kein Konsens besteht, werden zudem so ausgearbeitet, dass die hieraus entstehenden Spezifikationen Gegenstand späterer Ausschreibungen beziehungsweise Produktentwicklungen sein können.
Bei der Einführung der Gesundheits-Telematik hat der Datenschutz oberste Priorität. Das gilt sowohl für Patienten als auch für die Ärzte. Alle Komponenten, Schnittstellen, Dienste und Prozesse in der Telematik müssen an erster Stelle den Erfordernissen des Datenschutzes und der Datensicherheit entsprechen.
Ticket-Verfahren im Prinzip sehr gut
Damit der Zugriff auf in der Telematik-Infrastruktur gespeicherte Daten erfolgen kann, beziehungsweise zur Rechteverwaltung, wird in der vom Fraunhofer-Institut ISST präsentierten Lösungsarchitektur ein Ticket-Verfahren vorgeschlagen. Für ein solches Verfahren spricht der Datenschutz. So fand etwa das im »D2D«-Projekt der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein verwendete Ticket-Verfahren eindeutige Zustimmung des dortigen Landesdatenschutzbeauftragten. Ein weiterer Grund für den Einsatz eines solchen Verfahrens ist die Performance. Nimmt man beispielsweise eine Telematik-Anwendung, die hohe Transaktionsraten erfordert, wie etwa ein elektronisches Rezept, so wird dies zwangsweise über verteilte Transaktionsserver zu handhaben sein. Diese wiederum müssen für jede einzelne Transaktion gezielt ansprechbar sein; Tickets bieten sich in diesem Zusammenhang geradezu an.
Tickets können auch bei einem Verlust der elektronischen Gesundheitskarte eingesetzt werden. Hier können die in einem Praxisverwaltungssystem gespeicherten Tickets neu aufgebracht werden. Und im Falle eines medizinischen Notfalls kann darüber hinaus mit diesem Verfahren durch den koordinierenden Arzt auch die gesamte Information erneut auf die Karte gebracht werden.
Das seitens des F&E-Projektes vorgeschlagene Ticket-Verfahren ist allerdings völlig neu, technisch sehr aufwändig und bietet damit potenziell für den Betrieb viele Fehlerquellen. Daher sollte ein vereinfachtes Verfahren zum Einsatz kommen oder aber auf ein praxiserprobtes System zurückgegriffen werden.
Die rechtlichen Grundlagen im Sozialgesetzbuch sehen vor, dass auf bestimmte Daten (beispielsweise Notfalldaten, Arzneimitteldokumentation usw.) nur mittels eines Heilberufsausweises (HBA) zugegriffen werden darf. Daher muss die Gesamtarchitektur entsprechende technische Vorkehrungen treffen, um unberechtigte Zugriffe zu verhindern. Speziell für den »Offline-Fall«, das heißt etwa bei Haus- oder Altersheim-Besuchen, wird hierfür eine »Card-to-Card-Authentification« (C2C) vorgeschlagen. Obwohl auch dieses Verfahren nicht alle Eventualitäten abdeckt (beispielsweise die Möglichkeit, in elektronische Gesundheitskarten mittels abhanden gekommener Heilberufsausweise Einsicht zu nehmen), bietet es eine gewisse Sicherheit vor unberechtigtem Zugriff.
Verzeichnisdienst als Sicherheitsschleuse
Der Standardfall einer Sicherung vor unberechtigtem Zugriff wird allerdings eine Prüfung gegen einen Verzeichnisdienst sein, welcher online zur Verfügung steht. Sollte ein Heilberufsausweis verloren gehen, so wird dies in Sperrlisten hinterlegt. Damit ist eine weitere Online-Verwendung dieses Ausweises ausgeschlossen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Kosten. Das F&E-Projekt macht hierzu kaum konkrete Aussagen. Da die Ärzte beim Aufbau der Telematik-Infrastruktur in Vorleistung gehen müssen, wurde zwischen den Partnern nach § 291a Abs. 7 SGB V eine Finanzierungsvereinbarung ausgehandelt. Sie sieht grob gesprochen eine Refinanzierung der Telematik bedingten Investitions- und Betriebskosten durch eine entsprechende Nutzung vor. Näheres hierzu wird in bilateralen Verträgen geregelt werden. Die Grundlage dafür bildet eine Kosten-Nutzen-Analyse, die in den kommenden Wochen erstellt werden soll.
Die Arbeiten müssen jetzt zügig weiter vorangetrieben werden. Insbesondere gilt es, bei allen Beteiligten Akzeptanz für die Telematik zu schaffen. Dazu ist eine Informations- und Aufklärungskampagne notwendig. Jeder Vertragsarzt und Vertragspsychotherapeut, jeder Vertragszahnarzt, jeder Arzt im Krankenhaus sowie auch Physiotherapeuten und Krankengymnasten müssen über den Nutzen der Telematik informiert sein. Wenn der Vertragsarzt die Gesundheits-Telematik als einen Fortschritt akzeptiert, wird er auch seinen Patienten raten, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Letztlich ist es nämlich der Patient, der über den Erfolg oder Misserfolg der Telematik entscheiden wird. Ihn gilt es zu überzeugen. Heinz-Theo Rey, ist Leiter der Abteilung IT, bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Berlin