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Neue Beratungsqualität durch NGN

Neue Beratungsqualität durch NGN Banken müssen auch ihre Kernprozesse optimieren. Dabei helfen Next Generation Networks, also rein IP-basierende Netzwerkinfrastrukturen. Die Migration unterstützen Score Cards.

Autor:Redaktion connect-professional • 8.3.2007 • ca. 3:45 Min

Deutsche Banken und Versicherungen arbeiten im internationalen Vergleich mit der höchsten Kostenquote. Viele Finanzinstitute planen daher, verstärkt Prinzipien aus der Fabrikautomation auf die eigenen Abläufe zu übertragen. Dabei wollen sie häufig wiederkehrende Prozesse standardisieren, automatisieren und auslagern. Im Gegensatz zum Outsourcing für allgemeine Geschäftsprozesse wie Gebäudemanagement, Buchhaltung oder Human Resources fokussiert das sogenannte Factoring nunmehr die Kernprozesse von Finanzdienstleistern. Auf dem Prüfstand stehen unter anderem die Bereiche Konsumentenkredit, Wertpapierkauf, Bausparvertrag und Haftpflichtversicherung. Allen diesen Prozessen ist gemein, dass sie sowohl standardisierbare als auch individuelle Anteile beinhalten. So lässt sich etwa die Kaufabwicklung eines Wertpapiers automatisieren, während die vorangegangene Beratung sehr kundenindividuell abläuft und damit stark zur Wertschöpfung beiträgt. Factoring restrukturiert dabei zumeist nicht nur die Geschäftsprozesse, sondern führt auch eine prozessorientierte Organisation ein.

Neue Herausforderungen durch Factoring
Für Banken und Versicherungen entstehen beim Factoring neue Herausforderungen: Zwischen der Factory, die oft ein externer Provider betreibt, den Filialen und den einzelnen Divisionen müssen viele multimediale Informationen hin und her fließen. Hierzu gehören Mails, Formulare, Vertragsunterlagen, Telefonate, Terminreservierungen, Prämien, Kundenkontaktdaten, neue Produktstrukturen und die zugehörigen Vertriebsabläufe. Ein besonders innovatives Beispiel: Versicherungskunden, die sich beim Surfen auf der Homepage für ein bestimmtes Produkt interessieren, können mit einer Push-to-Talk-Funktion dem Beratungscenter signalisieren, dass sie sofort angerufen werden möchten. Gleichzeitig können sie direkt einen Blick in das Call Center werfen, sodass sie ihre Ansprechpartner sehen und auswählen können. Der Kunde wird hierdurch nicht nur äußerst schnell bedient, sondern auch emotional positiv beeinflusst. Nun sollen alle Prozesse aber nicht nur zwischen unterschiedlichen Netzen von Zentralen, Filialen und Providern sondern auch zwischen neuen Content-Management- und BPM-Lösungen auf der einen sowie proprietären Legacy-Systemen auf der anderen Seite ablaufen und dabei moderne Collaboration- und Poolkonzepte mit Leben erfüllen.

Kommunikationsbasis NGN
Dies gelingt nur mit einem Netz, das mittels eines einheitlichen Protokolls vielfältige Services transportieren kann. Diese Eigenschaften erfüllen Next Generation Networks (NGN). Sie setzen Anwendungsplattformen, die Dienste bereitstellen, und die Endgeräte der Nutzer flexibel und unabhängig voneinander ein. Der Zugang zu einem Service wie etwa einer Videokonferenz kann dann mittels IP-Protokoll sowohl über ein Kabelmedium wie VDSL als auch mobil über UMTS erfolgen. Da die Anwendungs-, Transport- und Zugangsebenen voneinander entkoppelt sind, spielt es auch keine Rolle mehr, ob das Endgerät über Festnetz, ISDN, Wimax, DVB-H, UMTS oder einen anderen Übertragungsstandard Dienste empfängt. Ein NGN steigert auch die Flexibilität von Legacy-Systemen, bei denen Anwendungs- und Kommunikationstechnik stark verwoben sind. So können viele Filialen für den Datenaustausch nicht ISDN nutzen, sondern verwenden ältere Datex-P-Schnittstellen und dedizierte Einzelverbindungen. Ebenso weisen heutige Geldautomaten meist keine IP-Komponenten auf, sondern sind mit X25-Protokollen am Bankrechner angeschlossen. Im NGN-Netz konvertieren Gateways und Router die Daten daher in ein IP-basierendes Transportprotokoll. Da viele Legacy-Systeme über EthernetLAN vernetzt sind, bestehen grundsätzlich auch gute Voraussetzungen für die IP-Fähigkeit. Für Banken und Versicherungen entstehen damit skalierbare Infrastrukturen mit geringeren Betriebskosten, da proprietäre Protokolle entfallen. Weil die Netzplattformen von den Anwendungen entkoppelt sind, werden Spezialisierungen und Partnerschaften kommunikationstechnisch besser unterstützt. So verwenden Versicherungen heute mitunter noch 40 Prozent ihrer Prämieneinnahmen für Provisions- und Verwaltungsprozesse statt für das Risikomanagement. Neue, NGN-gestützte Partnermodelle könnten beispielsweise so aussehen, dass die Kreditvergabe in einer Filiale mit Cross-Selling-Produkten ebenfalls am NGN angeschlossener Autohändler gekoppelt wird.

Score Cards schaffen Überblick
Vor dem Aufbau eines Next Generation Network müssen zusammen mit dem jeweiligen Carrier die entstehenden Investitionskosten abgeschätzt werden. Eine Score Card hilft dabei, detailliert den eigenen Entwicklungsstand einzuschätzen und eine effiziente Migration der Betriebsabläufe zu gewährleisten. Sie sollte die wesentlichen Geschäftstreiber und Key-Performance-Indikatoren (KPI) sowie ihre Abhängigkeiten aufzeigen. Dabei sollten sowohl finanzielle, servicebezogene, technische und organisatorische Indikatoren beachtet werden. Ein wichtiger technischer Indikator ist die Zeit, die das Unternehmen für Design und Engineering von konvergenten Anwendungen benötigt. Ein Beispiel für solche Applikationen wäre ein multimedialer, internetgestützter Verkaufs­dialog. Um hier einen Zielwert von 24 Monaten zu erreichen, sind sogenannte Service Creation Tools erforderlich. Sie ermöglichen es, in Anwendungen TK-spezifische Services wie etwa eine Push-to-Talk-Funktion zu integrieren. Ein anderer Indikator gibt an, ob für den Aufbau des Unternehmens-VPN ein Netzwerkplanungstool genutzt wurde. Wenn ja, sind bereits viele Daten zur Netzarchitektur vorhanden. Daher reduziert sich die Migrationsdauer von Filialen mit Legacy-Systemen erheblich. Idealerweise sollte die Migration, abhängig von den genutzten Services, in fünf Monaten möglich sein. Anhand der ausgefüllten Score Card steht fest, auf welchem Stand die Infrastruktur ist und welche konkreten Maßnahmen durchzuführen sind. Anhand der Einzelmaßnahmen lässt sich das Investitionsvolumen prognostizieren und ein Business Case erstellen. Auf der Kostenseite profitiert das Unternehmen dabei durch eine optimierte Leistungstiefe. Zudem lassen sich viele Geschäftsprozesse auf wenige Standorte reduzieren. Auf der Ertragsseite gibt es mehrere positive Effekte. So lassen sich durch ein NGN viele ­direkt am Kunden ausgerichtete dezentrale Kernprozesse wie Vertrieb und Beratung stärker vernetzen. Das ermöglicht unter anderem verbessertes gegenseitiges Coaching, Controlling und ­Mo­nitoring. Zusammen mit neuen Multimedia-Angeboten, die mehr interaktiv abrufbare Informationen enthalten, ergibt sich für den Kunden dadurch eine verbesserte Beratungsqualität.

Wolfgang Löffelsender und ­Karsten Prey sind Managing Consultants bei Detecon International. ­Löffelsender ist zuständig für den Bereich Strategy & Marketing, Prey für den ­Bereich Information Technology.