Nach sieben Jahren hat Deutschland wieder vier Mobilfunknetze. 1&1 hat die mobilen Dienste seines „1&1 O-RAN“ freigeschaltet. Dieses basiert auch auf anderer Technologie als die herkömmlichen Netze. Wegen Auflagen der Bundesnetzagentur steht der Anbieter allerdings noch vor großen Herausforderungen.
Nach der Übernahme von E-Plus durch O2 vor sieben Jahren gab es in Deutschland nur noch drei Mobilfunknetze: von Telekom, Vodafone und O2. Das hat sich jetzt geändert. Denn der Telekommunikationskonzern 1&1 nun die mobilen Dienste seines „1&1 O-RAN“ freigeschaltet. Damit ist das vierte Mobilfunknetz Deutschlands voll funktionsfähig und kann auch unterwegs mit Smartphones genutzt werden.
Voraussetzung für die Freischaltung mobiler Dienste war die Bereitstellung von 5G National-Roaming durch Telefónica Deutschland. Damit können 1&1-Kunden überall dort, wo das im Aufbau befindliche 1&1 Netz noch über keine eigene Abdeckung verfügt, auf das 5G Netz von Telefónica zugreifen. Ab Sommer 2024 soll auch Vodafone plangemäß 5G National-Roaming bereitstellen. Ende September hatte 1&1 für sein Netz erst 60 Antennenstandorte, Anfang 2024 sollen es aber 200 sein. Zum Vergleich: O2 hat bundesweit mehr als 28.000 Antennenstandorte. Der Ausbau muss hier Fahrt aufnehmen. Auch weil laut Auflagen der Bundesnetzagentur die Antennen des Unternehmens bis Ende 2025 mindestens ein Viertel der deutschen Haushalte erreichen müssen und bis Ende 2030 sogar die Hälfte.
Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing sagte: „Leistungsfähige Netze bilden die Basis für unsere digitale Zukunft. Die Gigabitstrategie ist unser Kompass auf dem Weg zu mehr Wettbewerb, Tempo und Qualität. Mit 1&1 haben wir einen vierten Netzbetreiber, der durch den Einsatz modernster Technologie dazu beitragen wird, Deutschland bei 5G an die Spitze zu bringen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, das wir nur durch Mut zur Innovation erreichen. Ich freue mich auf die neuen Chancen, die die Open-RAN-Technologie ihren Nutzern bietet, sowie auf einen lebendigeren Wettbewerb im Mobilfunkmarkt.“ Auch Verbraucherschützer versprechen sich von dem neuen Netz ein besseres Angebot am Markt.
1&1 setzt dabei vollständig auf die Open RAN-Technologie. Herzstück des 1&1-Netzes – „1&1 O-RAN“ – bildet eine private Cloud, die in hunderten Städten mit dezentralen Edge-Rechenzentren betrieben wird. Die Netzsteuerung des 1&1 O-RAN erfolgt über die Software und Plattform von Rakuten sowie über ein Kernnetz von Mavenir. Für die End-to-End-Integration des Netzes ist Rakuten Symphony verantwortlich, ein Unternehmen der Rakuten-Gruppe, das globale B2B-Dienste für die Mobilfunkbranche anbietet und internationale, cloudbasierte Mobilfunkdienste der nächsten Generation ermöglicht. Sämtliche Netzfunktionen werden per Software gesteuert, die auf herkömmlichen Servern läuft. An allen Antennenstandorten werden Gigabit-Antennen eingesetzt, die via Glasfaser mit den 1&1-Edge-Rechenzentren verbunden sind. Diese Netzarchitektur ermöglicht minimale Latenzen, was für zukünftige Echtzeitanwendungen unabdingbar ist.
Anders als traditionelle Netze, die auf proprietärer Technik spezialisierter Netzwerkausrüster wie Huawei basieren, verfügt das 1&1 O-RAN über eine Vielzahl standardisierter Schnittstellen. Über diese können Software- und Hardware-Komponenten verschiedener Anbieter flexibel kombiniert werden. Das macht 1&1 unabhängig von einzelnen Ausrüstern. Bereits heute werden Produkte und Dienstleistungen von über 80 Unternehmen eingesetzt. So entsteht parallel zum 1&1 O-RAN ein neues digitales Ökosystem.
„Von Anfang an haben wir die Entwicklung der neuartigen Open RAN-Technologie eng verfolgt. Als Rakuten dann vor drei Jahren das erste vollständig virtualisierte Mobilfunknetz in Tokyo, Nagoya und Osaka launchte, waren wir uns sicher: Das ist die Zukunft! Seitdem wurden interne Spezialisten-Teams aufgebaut, ein starkes Partnernetzwerk etabliert und anstrengende National Roaming-Verhandlungen zum Abschluss gebracht. Vor einem Jahr konnten wir mit der Inbetriebnahme unseres ersten Services ‚5G zu Hause‘ die Funktionalität von Open RAN auch in Deutschland unter Beweis stellen“, sagte Ralph Dommermuth, CEO von 1&1. „Mit der Freischaltung mobiler Dienste gehen wir nun den nächsten Schritt. Das 1&1 O-RAN ist jetzt voll funktionsfähig – ein wichtiger Meilenstein unserer Unternehmensgeschichte. Mein Dank gilt allen Mitarbeitenden und unseren Geschäftspartnern. Sie haben Großes geleistet! Mein Team und ich freuen uns darauf, den eingeschlagenen Weg entschlossen weiterzugehen und mit dem 1&1 O-RAN einen Unterschied im deutschen Mobilfunkmarkt zu machen.“
Bislang war 1&1 lediglich ein virtueller Netzbetreiber. Die United-Internet-Tochter hatte also für ihr Mobilfunkgeschäft Kapazitäten der etablierten Anbieter genutzt und dafür Miete gezahlt. Die 1&1-Kunden wurden dabei bisher hauptsächlich mit dem O2-Netz verbunden. 2019 entschied Ralph Dommermuth, selbst an einer Frequenzauktion teilzunehmen, und ersteigerte Nutzungsrechte für 1,1 Milliarden Euro. Damit war der Grundstein für das eigene Mobilfunknetz gelegt. Bis 2030 plant 1&1 mit insgesamt fünf Milliarden Euro Kosten für das Netz.
„1&1 schreibt Geschichte im europäischen Mobilfunk – wir sind sehr froh, Partner dieser Innovation zu sein. Als erster Betreiber in Europa, der erfolgreich ein kommerzielles offenes Funkzugangsnetz betreibt, hat 1&1 eine Vorreiterrolle für die Zukunft der Telekommunikation eingenommen, in der Netzwerke automatisiert, cloud-nativ und auf offenen Schnittstellen aufgebaut sind“, sagte Mickey Mikitani, Chairman und CEO der Rakuten Group. „Rakuten sorgt für die nahtlose Integration aller Komponenten im 1&1 O-RAN durch den Einsatz intelligenter Software. Wir freuen uns darauf, unseren Partner weiterhin auf seinem Weg zu unterstützen, die Vorteile von Open RAN und einem cloud-nativen Mobilfunknetz zu realisieren.“