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Colossus@Home

Es ist einer dieser typischen Abende, an denen ich gerne noch einen Spielfilm im Fernsehen sehen möchte, der gerade mal eine halbe Gehirnhälfte beansprucht.

Autor:Andreas Stolzenberger • 25.9.2007 • ca. 1:30 Min

Folglich suche ich mir etwas aus meiner DVD- und VHS-Sammlung heraus. Beim Stöbern fällt mir »Colossus« in die Hände. Der 1970er-Sci-Fi-Klassiker erzählt die Geschichte eines Großcomputers, der geschaffen wurde, die USA im kalten Krieg vor bösen russischen Angriffen zu schützen. Leider funktioniert das nicht ganz wie geplant. Colossus dreht durch und stellt fest, dass alle Menschen eigentlich blöd sind und unbedingt vor ihrer eigenen Lebensweise in Schutz genommen werden müssen. Was für eine überholte Vision von selbst lernenden Computern und künstlicher Intelligenz. Am folgenden Tag komme ich in das Labor und muss feststellen, dass fast alle Server in der vergangenen Nacht abgestürzt sind.

Ein Windows-2003-Server hatte, dank automatischer Updates, einen von Microsoft als kritisch eingestuften Patch erhalten und daraufhin ohne weitere Rückfrage einen Neustart eingeleitet. Was die Programmierer bei Microsoft nicht wussten, als sie diese »Komfort-Funktion« zum Schutz der Maschine implementierten, war, dass auf dieser Maschine eine In-Band-Virtualisierungssoftware des Labor-SANs lief.

Sind das die ersten Vorläufer von Colossus, der eigenmächtig zu wissen glaubt, was gut für seine Anwender ist? War an dieser Sci-Fi-Story von 1970 dann doch etwas Wahres dran? Nicht ganz: Es wird noch schlimmer. Im Film dreht der Computer von ganz allein durch. In der Realität sorgen die Softwareentwickler dafür. Auch sie haben erkannt, dass die Masse der Anwender zu ungebildet dafür ist, einen Computer zu bedienen. Nun versucht »intelligente« Software, die Fehler von Anwendern zu vermeiden. Der automatische Neustart eines unverzichtbaren Servers ist dabei nur der Anfang. Erste Einblicke auf Windows Vista zeigen, dass der Großteil der neuen Funktionen darauf zielt, den Anwender weiter weg von der tatsächlichen Technik zu positionieren. Bald kommt keiner mehr an die wahren System-, Hard- und Software-Einstellungen heran, weil die schlauen Softwareentwickler den Anwender vor der Selbstzerstörung seiner Maschine schützen wollen. Wenn dann plötzlich nichts mehr geht, kann keiner erkennen, ob die Maschine spinnt oder die ach so weise Software ihre Aufgabe verfehlt. Wenn der Colossus zu Hause oder im Büro nicht von allein durchdrehen kann, helfen ihm künftig fürsorgliche Softwareentwickler dabei, in bestem Wissen und Gewissen vollständig auszurasten.

Ihr Andreas Stolzenberger