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Meinung – Ausblick Networking 2008

Führung und Folge

Wer etwas über den Zustand des Infrastrukturmarktes wissen, gar eine Prognose wagen will, kommt an dem Hersteller Cisco nicht vorbei. Dem Zahlenmaterial führender Institute und Analysten zufolge dominiert der Route-Riese den LAN-Bereich mit Anteilen um die 70 Prozent.

Autor:Redaktion connect-professional • 23.2.2008 • ca. 3:00 Min

In einigen Segmenten wie dem Layer-3-/-4-Switching sind die Anteile sogar größer, in anderen wie Wireless kleiner. Nichtsdestotrotz, an dem Unternehmen aus San Jose geht kein Weg vorbei. Dies gilt bereits seit mehreren Jahren, weshalb die Konkurrenz in Interviews dem Branchenprimus durchaus Respekt zollt. Vor allem gelingt den Kaliforniern ein Kunststück: im Switching- und Routing-Bereich durch marketinggetriebene Ideen Magie hineintragen, die am Ende den Kunden so verzaubert, dass er seine bestehenden Cisco-Switches durch neue Catalyst ersetzt.

Erst waren es Geschwindigkeit und Portdichte, ein im Ethernet altbekanntes Argument. Cisco hat dies danach mit dem Schlagwort Voice-over-IP (VoIP) abgelöst und so nicht nur die Konvergenz als die bestimmende Netzwerklehre etabliert. Der Branchenführer hat sich vom reinen Box- zu einem Lösungsverkäufer umpositioniert.

Die Konkurrenz ist natürlich auf diesen Zug aufgesprungen, haben die propagierten Lösungen wie VoIP doch auch ihnen geholfen, neue Switches zu verkaufen. Allerdings haben die meisten der anderen Anbieter immer nur Gegenmodelle zu Cisco entworfen, ohne eigene Ideen und Wege zu entwickeln. Dies war gewiss eine Folge des Diktats des Marktführers: »Folge oder stirb.«

Nun geschieht Konvergenz bereits seit einigen Jahren, Produkte werden gekauft und Netze installiert. Es bedarf also neuen, frischen Zaubers, um die kommende Generation der Switches, Router und ihrer Module in Position zu bringen.

Hebel Sicherheit

Es ist dem Branchengiganten erneut gelungen, eines der wichtigsten kommenden Themen für sich einzunehmen. Und das, obwohl andere Anbieter wie Enterasys viel früher die gleiche Idee vertraten und weitaus früher als Cisco erste Lösungen hierfür verkauften. Trotzdem wird »Network Access Control« (NAC) eng mit den Catalysts verbunden, auch wenn mit Microsoft und unter dem Schirm der Trusted-Network-Connect-Gruppe (TNC) die wichtigsten Konkurrenten gleichermaßen auf diesem Gebiet aktiv waren und sind. Die Markt-, Marketing- und Vertriebskraft des Router-Riesen waren zu erfolgreich.

Das Konzept NAC bringt Sicherheitsfunktionen in die Netzinfrastruktur ein. In seiner maximalen Ausprägung sprechen die Switches mit den Dektop-Tools, authentifizieren die User mit Hilfe von Backend-Radius-Servern oder anderen Anwenderdatenbanken. Die Switches reagieren auf Intrusion-Prevention-Systeme, interagieren mit Behavioral-Analyse-Mechanismen, indem sie deren Resultate interpretieren und einen Client sowie seinen User beispielsweise in einer Quarantäne isolieren.

Cisco möchte dieses Thema gern komplett für sich in Beschlag nehmen. Eine Allianz wurde gegründet, um darin Hersteller zusammen zu trommeln, die sich zum Cisco-Konzept bekennen. Übrigens Anbieter, deren Portfolios sich nur wenig mit dem des Hausherren decken.

Interessanterweise haben aktuell nur wenige Anbieter ein eigenes NAC-Modell entwickelt, das dem von Cisco paroli bieten will. Darunter sind Firmen wie 3Com (Tippingpoint), Alcatel, Enterasys, HP Procurve oder Nortel. Ihnen fehlt die Aufmerksamkeit, zumal der Glanz von 3Com und Nortel in den vergangenen Jahren verblasste. Eine Ursache für ihren Rückstand ist gewiss die Schwäche der TNC-Gruppe. Wie üblich bei großen Standardvorhaben, schreitet deren Arbeit nur langsam voran. Außerdem sind die TNC-Mitglieder bei den Ausgaben für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit weitaus weniger engagiert als die Damen und Herren aus San Jose.

Die Welt gehört niemandem allein

Die Motive hinter der Cisco-Allianz sind offensichtlich. All jene Security-Anbieter, mit denen der Router-Riese gar nicht oder nur sanft konkurriert, sollen sich an die teilweise proprietäre Welt des Netzriesen binden. Auf diese Weise gewinnt ein Anbieter die Akzeptanz des Markts für seine Idee.

Es wird sicher spannend, ob die Konkurrenten im kommenden Jahr auf diesem Gebiet Boden wettmachen können. Immerhin betonen die Vertreter in Gesprächen, dass NAC keinem Hersteller allein gehöre.

In anderen Bereichen, die ganz klar auch von der reinen Port- und Geschwindigkeits- weg gehen hin zur Lösungsverkaufe, werden die Trends zur Kooperation deutlich. Während Cisco weiter versucht, den Großteil aus dem eigenen Portfolio heraus zu bieten wie bei Voice, hat beispielsweise Nortel beim Thema »Unified Communications« Microsoft als Partner gewonnen. HP Procurve wird gewiss kommendes Jahr einen Voice-Partner vorstellen, »gemeinsam gegen Cisco« sozusagen.

3Com und kleinere Player wie Foundry oder Extreme gehen noch einen Schritt weiter. Sie öffnen ihr Betriebssystem Applikations-partnern und der Open-Source-Welt. Durch die enge Bindung an die Switches sollen schließlich neben den altbekannten Geschwindigkeits- auch Gewinne an Intelligenz stehen. Am Ende werden sie sich aber auch im Jahr 2008 am Riesen und dessen enormer Forschungskraft, Vertriebs- und Marketingmacht abarbeiten.