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Glosse: Lehrstück zu viraler Verbreitung – ein Blumenkübel geht um die Welt

Es geschah am 5. August 2010, einem verregneten Sommertag, da bekämpfte die deutschsprachige Twitter-Gemeinde die aufkommende trübe Stimmung, indem sie sich kollektiv über einen Bericht der Münsterschen Zeitung amüsierte. Das Blatt hatte sich in einer Meldung vom 3. August mit dem demolierten Deko-Inventar eines Altenheims befasst - unter der wohl selbst für Lokalredaktionen nicht übermäßig packenden Überschrift " Großer Blumenkübel zerstört". Redakteur Ralf Heimann meldete dies mit dem Tweet " In Neuenkirchen ist ein Blumenkübel umgefallen", was in seiner lakonischen Antiklimax stark an Meldungen der Satire-Site The Onion erinnert, die gerne mal Dinge berichtet wie: "Mann aus der Gegend hat wieder einen Tag überstanden? (? Area Man Makes It Through Day").

Autor:Redaktion connect-professional • 6.8.2010 • ca. 1:50 Min

Was nun folgte, könnte man durchaus als Lehrstück für so genannte "virale Verbreitung?
betrachten – wenn es denn seitens der Zeitung Absicht gewesen wäre, woran man allerdings stark
zweifeln darf. Als "
virales Marketing? bezeichnet die
Werbebranche Aktionen, die so witzig, amüsant oder überraschend sind, dass sie sich
möglichst schnell und weit über die Social-Media-Kanäle verbreiten – sozusagen
"per Ansteckung?, daher die etwas unschöne Metapher.

Die Twitter-Gemeinde – kommunikationsfreudig und mit ausgeprägtem Hang zu Spott, Ironie und
Sarkasmus gesegnet – hat diese realsatirische Steilvorlage dankbar aufgegriffen und ein drohendes
Sommerloch immerhin temporär
überbrückt. "Blumenkübel? ist per digitalem Pollenflug in Nullkommanichts zum "Miniatur-
Mem? geworden – zu einem Begriff, der durch massenhafte
Verbreitung ein Eigenleben entwickelt.

Mit dem Hashtag "#Blumenkübel? wurde eine Zeit lang – Twitter-üblich in jeweils maximal 140
Zeichen – für gegenseitiges Amüsement gesorgt, so zum Beispiel mit Kurzkommentaren wie den
folgenden, mit denen es der traurige Blumentopf sogar in die Twitter-Trendthemen schaffte:

"
#Blumenkübel just ousted #Sack Reis as
Major of Berichterstattung on @formsquare
"  (Sic! Gemeint ist "Mayor? – eine Anspielung
auf das Social Network bzw. Social Game Foursquare, bei dem der eifrigste Besucher einer Lokalität
zu deren "Bürgermeister? ernannt wird.)

Der Kürzestgeschichtenerzähler Florian Meimberg (Twitter-Handle @tiny_tales) meldete sich mit
folgender Drama-Miniatur: "
Trudelnd raste das winzige Raumschiff gen
Erde. Das letzte, was der Außerirdische vor dem Aufprall sah, war ein #Blumenkübel.
?

Auch schön – auf ganz andere Weise – und damit ein Happyend für das betroffene Altenheim: "
Geht doch! Würzburger Fa spendet
Antoniusstift 2 neue #Blumenkübel

bit.ly/cWjS5k?

Die Münstersche Zeitung griff diese unerwartete Web-2.0-Popularität schließlich selbst in einem
Artikel auf  – und konnte somit doch noch über Amüsanteres berichten als
über Blumentopf-Vandalismus.

Wir merken uns: Von umgekippten Blumenkübeln lernen heißt siegen lernen!