Revolution: nur bei Brot und Schnaps
Ein Raunen geht durchs Land. Ein Beben von Flensburg bis Berchtesgaden. Das Volk mault.
Historiker mahnen: Preissteigerungen bei Brot und Schnaps führen zu Revolutionen. Nun, der Schnaps ist’s nicht. Brot schon eher, Milch und Butter, Käse und Fleisch vor allem. Bis zu 50 Prozent höhere Preise befürchtet die Zentrale Marktund Preisberichtsstelle. Es werde einen Preisruck geben, wie ihn Deutschland noch nicht erlebt hat, sagt Erhard Richarts, einer der Berichter. Das führt sofort die Historiker auf den Plan. Sie sehen in einem Land, das eher der Pflicht zugeneigt denn der Revolution – vom Wendeherbst 1989 einmal abgesehen – Parallelen zu vergangenen Jahrhunderten. Zu Zeiten, als beispielsweise zwischen 1871 und 1873 in 20 Städten des Deutschen Reiches das Volk wegen zu teurer Lebensmittel auf die Straße ging.
Damals wehrte sich das Volk, wenn auch unter hohen Verlusten. Heute gibt es wenig Hoffnung. Jedenfalls wenn man dem Bundesverband des Lebensmittelhandels glaubt: Teuerungen seien etwas, woran sich die Verbraucher gewöhnen müssten. Die Produktion bei Milch, Getreide und Vieh sei zu knapp, die amtlich verordneten Produktionsquoten zu niedrig.
Tun sich da womöglich völlig neue Perspektiven für andere Wirtschaftszweige auf? Haben unter Umständen all jene Volks-, Betriebs- und sonstigen Wirte Unrecht die behaupten, Nachfrage führe zu mehr Innovation, zu höherer Produktion und die zu günstigeren Produktionskosten? Ist gar die künstliche Verknappung der Rettungsanker für die gesamte Wertschöpfungskette? Man stelle sich vor, die EU würde die Produktionsquoten für Computer, Peripherie und Zubehör bestimmen. Würde Notebookund Handy-Berge abbauen, den Desktop-Herstellern Höchstmengen vorgeben und den Peripherieausstoß nach einem Pro-Kopf- Schlüssel ordnen. Vielleicht auch noch einen Quotenerlass für Import einführen. Welch ein Nachfragedruck könnte so entstehen, welche Preisphantasien wären möglich. 20, 30 bis 50 Prozent – nicht runter, sondern rauf. Die Hersteller verdienten mehr am Produkt, die Distributoren und der Handel ebenso.
Man stelle sich vor, der Markt wäre reglementiert. Keine Werbeschlachten mehr um den preisgünstigsten PC. Für das neue Handy wird wieder gespart. Die Hersteller sparen sich hohe Werbekostenzuschüsse. Statt dessen gibt’s Quoten. Und die Historiker späterer Generationen würden nur lapidar feststellen: Preiserhöhungen führen nur bei Brot und Schnaps zu Revolutionen.