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Hersteller und Distributoren denken um

Ungeliebtes Retail-Business

Wer große Volumen im Consumer-Segment absetzen will, kommt nach wie vor an den Flächenanbietern, vor allem an Media Markt/Saturn, nicht vorbei. Im Wettkampf mit den Etailern üben diese aber stärkeren Druck auf ihre Lieferanten aus. Die Distributoren zahlen im Retail-Business immer häufiger drauf, Teilrückzüge aus dem Geschäft sind die Folge.

Autor:Samba Schulte • 14.7.2009 • ca. 2:20 Min

Inhalt
  1. Ungeliebtes Retail-Business
  2. Feilschen mit den Lieferanten

Der Weg zum deutschen Consumer führt über den Zweimarken-Handelsriesen Media Markt/Saturn: Mit seinen Flächenmärkten dominiert die Media Saturn Holding (MSH) unangefochten den deutschen Retail-Markt für ITK-Produkte und Consumer Electronics. Wenn die Kette einen neuen Riesenmarkt eröffnet, strömen die Schnäppchenjäger herbei und sorgen für spektakuläre tumultartige Szenen. Wie vor zwei Jahren in Berlin, als es die chaotische Ladeneröffnung sogar in die Abendnachrichten schaffte, oder vor kurzem in München bei der Premiere des »weltweit größten Media Markts«. Media Markt und Saturn sind die zwei bekanntesten Marken unter den Flächenanbietern für ITK- und CE-Produkte und ziehen die meisten Käufer an.

Entsprechend begehrt waren und sind die Verkaufsflächen in den Filialen des Handelsriesen. Die großen Anbieter von Consumer-Produkten und ihre Distributoren umwarben die Einkäufer des Ingolstädter Konzerns mit zahlreichen Sonderkonditionen und speziellen Aktionsverkäufen. Im stationären Handel bilden die Handelskooperationen, Franchise-Ketten und Verbundgruppen, wie etwa unter Electronic Partner, Synaxon oder Euronics organisiert, die wohl größten Konkurrenten. Über eine vergleichbare Einkaufsmacht gegenüber den Lieferanten verfügen sie jedoch ebenso wenig wie die Fachmarktkonkurrenten Conrad Electronics, Medimax (EP) oder die REWE-Promärkte.

Preisaggressive Etailer-Konkurrenz

Die größte Konkurrenz im Privatkonsumenten-Geschäft erwuchs MSH und anderen Flächenanbietern durch den zunehmenden Erfolg der Online-Vermarkter. Tech Data-Geschäftsführerin Simone Frömming sieht einen deutlichen Trend hin zum Internet-Einkauf: »In der Vergangenheit hat sich der Kunde noch in den Flächenmärkten beraten lassen und dann eventuell online beim Etailer gekauft. Heute nutzen zunehmend mehr Kunden die zahlreichen Produktinformationen und Testergebnisse im Web und bestellen im Anschluss direkt online. Insgesamt gibt es heute bereits rund 33 Millionen Deutsche, die online einkaufen – Tendenz steigend.« Der Online-Handel in Deutschland verzeichnet dementsprechend trotz Wirtschaftskrise einen deutlichen Aufwärtstrend: Laut der »Paypal E-Commerce Studie 2009« stieg in den letzten zwölf Monaten bei fast 55 Prozent der Online-Händler der Online-Umsatz. Entsprechend optimistisch blicken die Etailer in die Zukunft: 56,6 Prozent rechnen mit weiteren Umsatzsteigerungen, lediglich 3,8 Prozent erwarten einen Umsatzrückgang. Prekär stellt sich die aktuelle Situation für manchen Retailer auch deshalb dar, weil sie den Online-Trend verschlafen haben. Beispiel MSH: Vor zwei Jahren stellte die Gruppe den nie richtig ins Laufen gekommenen Onlineshop Media Online ein. Angesichts der rückläufigen Konjunktur im stationären Handel will der Konzern nun wieder im Internet verkaufen – zum Verdruss der eigenen Filialen, die als eigenständige GmbHs agieren, und die preisaggressive Internet-Konkurrenz aus dem eigenen Hause fürchten. Alexander Maier, Director Consumer Channels bei Ingram Micro, stellt hierzu fest: »Online-Shopping erweist sich als überaus wichtiger Umsatzbringer, so dass es ohne Multi-Channel-Ansatz aus Kataloggeschäft, Stationärhandel und E-Commerce für Retailer deutlich schwieriger wird, sich in einem wettbewerbsintensiven Umfeld zu behaupten.«

Überhaupt: Hier finden sich die Retailer – einst dem klassischen stationären Fachhandel als größte Billigheimer verhasst – plötzlich selbst massiv unter Preisdruck gesetzt, denn (auch seriös agierende) Etailer können aufgrund ihres ungleich kostengünstigeren Geschäftsmodells (kein Ladengeschäft, weniger Personal und Logistik direkt aus dem Dis-tributionslager) Preispunkte setzen, die auch die Retailer nur noch mit Mühe darstellen können. »Die Online-Preise sind schwer zu unterbieten«, stellt Simone Frömming fest. Auch Media Markt-Mitarbeiter kennen nun dieses Phänomen, dass sich Kunden bei Online-Anbietern über die günstigsten Preise informieren und in der Filiale kräftige Preisnachlässe fordern.