Vorfahrt für digitale Kuverts!
Vorfahrt für digitale Kuverts! Vielleicht liegt es ja an der Wortwahl, dass eine Selbstverständlichkeit einfach noch nicht selbstverständlich ist: E-Mail-Verschlüsselung klingt vermutlich zu sehr nach geheimdienstlicher Tätigkeit, zu sehr nach 007 und zu wenig nach 0815.

Auch scheint für viele Zeitgenossen die Übertragung von geschäftlichen Informationen mittels elektromagnetischer Wellen statt mittels Papier schon mysteriös genug und sozusagen ein Buch mit sieben Siegeln, sodass sie es einfach nicht glauben können, dass man da etwas mitlesen kann. Doch lassen wir das Spekulieren über die Beweggründe, warum auch gut zwölf Jahre nach dem Beginn des E-Mail-Massenzeitalters immer noch ein Großteil der elektronischen Post als lose Blätter frei zugänglich für jedermann um die Welt geschickt werden. Wer hier den Schaden hat, spottet eigentlich jeder Beschreibung, könnte man zynisch sagen. Noch nie war das »digitale Kuvertieren« (unser sprachlicher Vorschlag für E-Mail-Verschlüsselung) so einfach wie heute. Die Hersteller bemühen sich wirklich mit allen technischen Mitteln, Kuvertierungslösungen anzubieten, die möglichst wenig Arbeit machen und möglichst wenig in den gewohnten Betrieb eingreifen (siehe unsere Titelgeschichte ab Seite 27). Sicher: Im Vergleich zum elektronischen Verschicken von Klartext-Mails wird das digitale Kuvertieren immer einen Klick und vielleicht eine Überlegung mehr kosten. Aber auch der Kuvertiervorgang von papiergebundener Post kostet Arbeit, trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, seine Auftragsbestätigungen und Rechnungen als DIN-A-4-Konfetti unters Volk zu bringen, und jeder wäre voll der Empörung, wenn das Gericht ihm den Vollstreckungsbescheid als Ansichtspostkarte zustellen würde. Konnte man noch vor Jahren die Ausrede gebrauchen, der Empfänger verfüge nicht über ausreichend leistungsfähige Brieföffner, um die eigene Klartext-Schlamperei zu beschönigen, ist dieser Hinweis schon längst fadenscheinig geworden. Mittlerweile gibt es jede Menge Verfahren, die auf relativ einfach zu handhabende Weise diese Schwierigkeit meistern. Ob man langfristig zu solchen Workaround-Verfahren raten sollte, steht auf einem anderen Blatt. Aber wie kann man die Verblendeten zur Einsicht und die Trägen auf Trab bringen? Vielleicht sollten die Provider einfach jede Klartext-E-Mail auf ihrem Weg zum Empfänger in der Geschwindigkeit um das Zehnfache drosseln.
Jürgen Höflingjuergen.hoefling@informationweek.de