Cybersicherheit im industriellen Umfeld ist komplex, doch Acronis begegnet ihr mit klarer Strategie: 100 Prozent Channel-Fokus, offene Plattformen und einfache Nutzung. Woran sich das Modell orientiert und welche Chancen sich für MSPs und Systemhäuser jetzt bieten, verrät Markus Bauer im Interview.
In einer Zeit, in der Cyberangriffe immer gezielter, raffinierter und zunehmend politisch motiviert erfolgen, steht insbesondere der industrielle Sektor unter wachsendem Druck. Kritische Infrastrukturen, vernetzte Maschinenparks und ein oft eklatanter Fachkräftemangel machen Operational Technology (OT) zu einem bevorzugten Ziel für Cyberkriminelle. Markus Bauer, Senior Technology Evangelist EMEA bei Acronis, warnt im Gespräch mit connect professional: „Früher ging es meist nur ums Geld – heute sehen wir vermehrt politisch motivierte Angriffe, die auf Sabotage und Destabilisierung zielen."
Acronis hat diesen Wandel erkannt und in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Transformation durchlaufen. Ursprünglich als klassischer Backup-Spezialist gegründet, setzt das Unternehmen heute auf einen ganzheitlichen Ansatz: Cyber Protection, die Datensicherung, Cybersicherheit und Wiederherstellbarkeit in einer Plattform integriert. „Die Zeiten, in denen man mit reinem Backup oder punktuellen Sicherheitslösungen durchkam, sind vorbei. Wir kombinieren das Beste aus beiden Welten“, erklärt Bauer.
Kern des Portfolios sind drei Produktlinien:
Besonders stark fokussiert sich Acronis dabei auf den Channel-Vertrieb – eine Entwicklung, die sich auch personell widerspiegelt: Das ursprünglich dreiköpfige Team für Channel Enablement ist inzwischen auf rund 30 Expert:innen allein in der EMEA-Region angewachsen.
Acronis sieht sich selbst als 100-Prozent-Channel-Unternehmen. Der gesamte Vertrieb erfolgt über Partner – sei es über klassische Systemintegratoren, spezialisierte MSPs oder große Distributoren wie Ingram Micro oder Also. „Wir machen so gut wie kein direktes Endkundengeschäft. Unser Ziel ist es, unsere Partner zu stärken und zu befähigen, unsere Lösungen erfolgreich zu vertreiben und zu betreuen“, betont Bauer. Das Channel-Modell ist dabei zweistufig aufgebaut: Distributoren bilden die Basis, hinzu kommen First-Tier-Partner wie Bechtle, die direkt mit Acronis zusammenarbeiten. Viele Partner nutzen die MSP-Plattform, um ihre Kunden flexibel zu verwalten – inklusive Sicherheitsfunktionen, Backup, Disaster Recovery und Supporttools.
Die Plattform unterstützt zudem über 300 Integrationen mit Drittanbieter-Lösungen – von Firewalls über Patch-Management bis hin zu spezialisierten Sicherheitsmodulen für Embedded Systems. Selbst Mitbewerberlösungen lassen sich anbinden, um Kunden maximale Wahlfreiheit zu ermöglichen. „Wir scheuen nicht mal Konkurrenz. Der Kunde soll frei entscheiden – wir stellen die Plattform bereit“, sagt Bauer.
Gerade in der Produktion sind oft keine IT-Experten vor Ort. Viele Systeme sind veraltet, schwer zugänglich oder nur rudimentär geschützt. „Wir erleben es immer wieder: Da hängt ein lebenswichtiges System offen im WLAN“, berichtet Bauer aus der Praxis. Deshalb setzt Acronis auf hohe Benutzerfreundlichkeit: Ein Beispiel ist das Feature „One-Click-Recovery“, das gezielt für OT-Umgebungen entwickelt wurde – mit dem Ziel, Maschinen im Störfall möglichst schnell wiederherstellen zu können.
„Die besten Lösungen helfen nicht, wenn niemand weiß, wie man sie bedient.“ |
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Die häufig praktizierte Netzwerkisolation durch Air Gapping betrachtet Bauer kritisch: Zwar sei die physische Trennung von Maschinen-Netzwerken verbreitet, führe jedoch oft zu fehlender Managebarkeit und trügerischer Sicherheit. „Ein Externer mit infiziertem USB-Stick hat bei einem großen Süßwarenhersteller vier Monate Stillstand ausgelöst – da hilft kein Air Gap.“ Acronis setzt hier auf sichere, agentenbasierte Kommunikation innerhalb eines abgeschotteten Peer-to-Peer-Netzwerks: Ein Agent mit Internetzugang versorgt die übrigen Systeme intern mit Updates und Signaturen – ohne dass diese selbst online sein müssen.
Auch technologische Grundlagen wie Machine Learning werden gezielt genutzt, um Sicherheitsprozesse zu automatisieren. „Die Maschinen müssen lernen, wie sie genutzt werden, um sich effektiv schützen und im Zweifel schnell wiederherstellen zu können.“ Daneben sind es auch gesetzliche Vorgaben wie NIS2, DORA oder CRA, die Unternehmen zum Handeln zwingen. „Viele sehen das als lästig – ich sehe es als notwendig. Unsere Abhängigkeit von IT ist riesig. Wenn ein norddeutscher Müllversorger drei Monate lahmgelegt wird, merkt man erst, wie kritisch diese Systeme sind“, so Bauer. Sein Appell an IT-Verantwortliche vor diesem Hintergrund: „‚Blackout‘ von Marc Elsberg lesen – danach sieh man die IT ganz anders.“ Ein Weckruf, der verdeutlicht: Cybersicherheit ist längst kein technisches Nischenthema mehr – sondern ein zentraler Pfeiler der gesellschaftlichen Resilienz.
Um seine Partner noch gezielter zu unterstützen, hat Acronis sein Partnerprogramm vor Kurzem neu aufgestellt. Statt langer, generischer Schulungen gibt es nun themenspezifische Fokustage – etwa zu Microsoft 365 oder zur Absicherung virtueller Maschinen. „Die Partner wollen nicht zum x-ten Mal hören, dass Acronis aus der Schweiz kommt. Sie wollen wissen, was heute wichtig ist“, so Bauer. Viele Schulungen finden mittlerweile online statt – aus Kostengründen, aber auch, weil Partner sich flexible, modulare Formate wünschen.
„Die Partner wollen keine Theorie mehr. Sie wollen wissen, was heute zählt.“ |
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Ergänzend dazu bietet Acronis individuelle Workshops für Partner an und geht flexibel auf deren Bedarfe ein. Auch Nicht-MSP-Partner wie klassische Systemhäuser oder Händler im Corporate-Cloud-Segment sollen wieder stärker adressiert werden. Feedback aus dem Channel wird aktiv in Weiterentwicklungen des Programms eingebunden – unter anderem über die Acronis Academy, die praxisnahe Inhalte bereitstellt und Partner auf Wunsch bis in den technischen Support hinein begleitet.
Als europäisches Unternehmen mit Hauptsitz in Schaffhausen in der Schweiz profitiert Acronis vom wachsenden Wunsch nach lokaler Datenverarbeitung. „Cloud ist nicht gleich Cloud. Kunden wollen heute wissen, wo ihre Daten liegen – und dass sie im Land bleiben“, sagt Bauer. Acronis betreibt dezentrale Rechenzentren in allen Kernmärkten. Für deutsche Kunden heißt das konkret: Die Daten bleiben in Frankfurt. Das erleichtert nicht nur die Einhaltung von Compliance-Vorgaben, sondern stärkt auch das Vertrauen in die Plattform. Bauer plädiert für mehr Bewusstsein: „Selbst privat möchte ich nicht, dass meine Daten irgendwo in den USA landen. Dieses Denken kommt jetzt auch in den Unternehmen an.“ Auch die früher häufig geführten Preisdebatten gegenüber Hyperscalern hätten sich laut Bauer weitgehend erledigt – heute zählten Standort, Sicherheit und Transparenz.
Die Sicherheitslage erfordert neue Lösungen – und neue Strategien. Acronis setzt auf Vereinfachung durch Integration und Skalierung durch ein starkes Partnernetzwerk. In Zeiten von Fachkräftemangel, regulatorischem Druck und wachsender Bedrohungslage wird eine gut geschulte, lokal verwurzelte Channel-Community zum strategischen Erfolgsfaktor. Bauers Fazit: „Wir wollen unseren Partnern nicht nur ein gutes Produkt geben, sondern ein komplettes Ökosystem, mit dem sie ihre Kunden sicher durch eine komplexe IT-Welt führen können.“