Die größten Schleusen sind geschlossen, doch Entwarnung gibt es längst nicht. Die Chip-Sicherheitsprobleme »Spectre« und »Meltdown« haben die Computer-Industrie erschüttert. Und sie ebnen den Weg für eine ganz neue Klasse von Angriffen.
Die Bedrohung durch das kürzlich veröffentlichte massive Sicherheitsproblem in Computer-Chips dürfte auch mit den nun veröffentlichten Patches nach Einschätzung eines Experten nicht völlig gebannt sein. »Das ist erst der Anfang von dem, was wir mit Seitenkanal-Attacken erleben werden«, sagte Thomas Prescher, Software-Architekt bei Cyberus Technology, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Mit »Spectre« und »Meltdown« sei »eine völlig neue Klasse von Angriffen« entdeckt worden, die zuvor niemandem aufgefallen sei. Prescher, Absolvent der Brandenburgischen Technischen Universität und ehemaliger Intel-Mitarbeiter, gehörte selbst zu dem Team internationaler Forscher, das die Angriffszenarien entdeckt hatte.
Im Sommer vergangenen Jahres war ein wissenschaftlicher Artikel erschienen, der erstmals eine potenzielle Lücke direkt im Design der Hardware beschrieb. Nach vielen Diskussionen unter anderem mit einem Forscherteam aus Graz habe er selbst versucht, ob ein solches Angriffsszenario überhaupt möglich sei - und es zunächst für unwahrscheinlich gehalten, sagte Prescher. Tatsächlich sei er aber »relativ schnell zum Erfolg« gekommen. »Das war nicht so schwierig, sogar verblüffend einfach.« Dass die seit mehr als 20 Jahren existierende »Lücke« nicht bekannt gewesen sei, habe nur daran gelegen, dass es zuvor niemanden gab, der auf das Design des Chips geschaut habe.
Die Veröffentlichung von Spectre und Meltdown hatte vergangene Woche eine Schockwelle in der IT-Branche ausgelöst. Dabei handelt es sich um Angriffsszenarien, die mit herkömmlichen Softwareschwachstellen nicht vergleichbar sind. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie direkt das Design des Chips ausnutzen, das eigentlich die Rechenprozesse beschleunigen soll. Während von Meltdown vorwiegend Prozessoren von Intel betroffen sind, gibt es das Spectre-Problem bei Chips nahezu aller Hersteller, also auch von AMD und IBM sowie bei Chips des Designers ARM, die vorwiegend in Smartphones verbaut werden.