Bedeutet "normgerecht", dass Komponenten auch den derzeit möglichen Stand der Technik repräsentieren? Bei dem engen Spielraum, den 40 und 100GbE bei den Dämpfungsbudgets bieten, kommt es auf hochqualitative Produkte an, die bisweilen mehr leisten müssen, als die Norm verlangt.Welcher Rechenzentrumsbetreiber träumt nicht von 40 oder 100 Gigabit Ethernet (GbE)? Setzt man beim Aufbau des Netzwerks auf international standardisierte und zertifizierte Komponenten, kann man eigentlich nichts falsch machen - oder etwa doch? Leider ist Standard nicht gleich Standard, wie sich bei genauerer Betrachtung der Normierung zeigt, denn nicht immer entsprechen die normgerechten Mindestanforderungen den tatsächlichen Voraussetzungen eines stabil agierenden Netzwerks. Dieser Beitrag beleuchtet den derzeitigen Stand der Normierung, zeigt etwaige Mankos und beschreibt, wie zuverlässige Netzwerkkomponenten beschaffen sein müssen.
Bei 40 beziehungsweise 100 Gigabit Ethernet handelt es sich um Netzwerke mit Datenübertragungsraten von 40 GBit respektive 100 GBit pro Sekunde. Mit dem stetigen Ausbau der multimedialen Anwendungen wächst der Bedarf an Bandbreite ständig. Triple-Play- (VoIP, TV, Internet) und Cloud-Computing-Anwendungen halten immer mehr Einzug in die Heimbereiche. Und auch auf mobilen Geräten wird das Internet standardmäßig genutzt. Diese multimedialen Inhalte müssen alle zentral und mit hoher Bandbreite in Rechenzentren bereitgestellt werden. Das Erreichen solch hoher Geschwindigkeiten setzt die Optimierungen der MAC-Parameter und des Physical Layers (Bitübertragungsschicht) voraus.
Komponenten in Next-Generation Networks
Ein Netz besteht aus Switches, Transceivern, Steckverbindern und Kabeln. Als Übertragungsmedien stehen Singlemode-Glasfasern und Multimode-Glasfasern zur Verfügung. Singlemode-Glasfasern sind attraktiv, da ihre Bandbreite theoretisch unbegrenzt ist und sich große Distanzen abdecken lassen. Durch eine serielle Übertragung mit WDM (Wavelength Division Multiplexing) sind für 40/100GbE weiterhin nur zwei Singlemode-Fasern nötig. Als Anschlusstechnik lassen sich dabei nach wie vor alle gängigen Einzelfaser-Steckverbinder einsetzen. Gegen Singlemode-Fasern sprechen allerdings die hohen Kosten für das Equipment.
Bei Multimode-Glasfasern ist die Bandbreite limitiert. Hier wird die Parallelübertragung genutzt, indem so genannte "Parallel Optic"-Transceiver zum Einsatz kommen. Die höheren Übertragungsraten erreicht man durch Kanalbündelung. Die Längenrestriktionen der Multimode-Fasern entsprechen im Zusammenhang mit 100GbE bei OM3 100 Meter, und OM4 ermöglicht Distanzen bis maximal 150 Meter. Studien zeigen aber, dass 88 Prozent der Strecken in Rechenzentren kürzer als 100 Meter und 94 Prozent kürzer als 125 Meter sind. Die Parallelübertragung erfordert von den Komponenten die Einhaltung eines strengen Dämpfungsbudgets von maximal 1,9 dB. OM1- und OM2-Fasern finden in der Norm bereits keine Berücksichtigung mehr.
Bei 40GbE kommt ein Zwölf-Faser-MPO/MTP-Stecker zum Einsatz. Vier Fasern senden, vier mittlere Fasern sind blind und vier Fasern empfangen. 100GbE verwendet laut Normierung den 24-Faser-MPO/MTP-Stecker. Um eine Migration mit vorhandenen Zwölf-Faser-MPO/MTP-Verbindungen auf 100GbE gewährleisten zu können, ist alternativ auch der Einsatz von zwei Zwölf-Faser-MPO/MTPs möglich. Ein Stecker (zehn Fasern) sendet, der andere Stecker (zehn Fasern) empfängt die Daten.
Norm vs. Realität?
Normungsgremien bestehen aus Experten und definieren unter anderem technische Parameter für Produkte, um so die Funktionalität und Kompatibilität der eingesetzten Komponenten zu garantieren. An dieser Stelle sind es insbesondere die IEC (International Electrotechnical Commission) auf internationaler und die Cenelec (Comité Européen de Normalisation Électrotechnique) auf europäischer Ebene, die auch für den Fiberoptic-Bereich verantwortlich sind und mit ihren Normen die anerkannten Standards für Glasfaserkabel und Glasfaseranschlusstechnik setzen.
In Deutschland ist die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik, kurz DKE/VDE, für die Normierung verantwortlich. Die Unterkommission DKE/UK 412.7 "LWL-Verbindungstechnik und passive optische Komponenten" beschäftigt sich in erster Linie mit den technischen Anforderungen an die Steckverbinder und die Verkabelung. Sie ist ein Teil des Normungsnetzwerks und entsendet ihre Vertreter in die internationalen Gremien der Cenelec und IEC.
Die internationale Normung erweist sich oft als schwierig und langwierig, sollen dort doch oft teilweise sehr unterschiedliche Interessen unter einen Hut gebracht werden. Während für den Singlemode-Bereich zahlreiche Normen oder Normenentwürfe existieren, gilt dies für den Multimode-Bereich nicht. Zentrale Qualitätskriterien für MPO-Stecker sind neben einer optisch einwandfreien, kratzerfreien Oberfläche vor allem die maximalen Faserhöhendifferenzen aller Fasern (HA) und die maximale Höhendifferenz zweier benachbarter Fasern (HB). Um so erstaunlicher ist es, dass diese beiden Werte im aktuellen Normenentwurf zur Multimode-MPO-Produktnorm (50377-15-1) nicht berücksichtigt sind.
Selbst wenn man für die Multimode-Steckverbinder die für die Singlemode-Stecker geplanten Werte für HA und HB von 500 nm beziehungsweise 300 nm zu Grunde legt, so reichen diese bei Weitem nicht aus, um Stecker zu konfektionieren die 40 oder 100 GBit/s übertragen können. Dort sind deutlich engere Grenzen zu setzen. Dies gilt auch für die Dämpfungswerte. Während im Singlemode-Bereich die oberste Dämpfungsklasse A noch nicht einmal definiert ist, soll nach dem aktuellen Normenentwurf für Multimode-Steckverbinder der Kategorie C (kontrollierte Umgebung) in der höchsten Dämpfungsklasse M (diese entspricht der Klasse A im Singlemode-Bereich) eine maximale Dämpfung (Insertion Loss) von 0,75 dB gelten. "Normengerecht" alleine ist somit weder ein Garant für Qualität, noch für die Funktionsfähigkeit von beispielsweise Anschlusskabeln.
Die vergleichsweise lockeren technischen Mindestanforderungen von IEC und Cenelec stehen im krassen Gegensatz zu den realen Mindestanforderungen an ein stabiles 40GbE- oder 100GbE-Netzwerk. In der gerade im letzten Jahr verabschiedeten 40/100GbE-Norm wird für Distanzen von 100 m bei OM3 ein komplettes Dämpfungsbudget von 1,9 dB pro Link vorausgesetzt, 1,5 dB sind dabei für die Steckverbindungen vorgesehen. Bei OM4 über 150 m stehen für den Link insgesamt 1,5 dB zur Verfügung, für die Steckverbindungen sind hier nur noch 1,0 dB reserviert.
MPO/MTP-Stecker
MPO- beziehungsweise MTP-Stecker sind standardisierte Mehrfaserstecker, die vier, acht, zwölf, 24 oder sogar 72 Fasern in einem Stecker umfassen. Die Stecker sind in Monomode- sowie Multimode-Ausführung erhältlich und entsprechen in ihren äußeren Abmessungen in etwa denen eines gängigen RJ45-Steckers. Dabei haben die Ferrulen, in die die Fasern eingeführt und eingeklebt sind, mit etwa 2,5 × 6,4 mm deutlich geringere Abmessungen. Somit erlauben MPO/MTP-Stecker auch bei begrenztem Platzangebot im Rechenzentrum extrem hohe Packungsdichten und Performance. MPO- und MTP-Stecker sind kompatibel. MPO steht für "Multipath Push-on" und ist eine freie Bezeichnung, bei MTP handelt es sich um ein eingetragenes Warenzeichen der Firma US Conec.
Die Fertigung eines qualitativ hochwertigen MPO-Steckers erfordert höchste Präzision und Know-how. Die Verteilung mehrerer im Raster von 0,25 mm eng beieinander liegender Fasern in einer einzigen Ferrule stellt nicht nur hohe Ansprüche an die Herstellung hochpräziser und eng tolerierter Ferrulen, sondern auch an die Konfektion hochperformanter Stecker. Ein nachträgliches Tunen oder Ausrichten der Ferrulen im Stecker - bei anderen Steckverbindern gängige Praxis, um Toleranzen in den Ferrulen auszugleichen und damit bessere Performance zu erreichen - ist dabei nicht möglich. Komponentenseitig bedeutet dies, dass insbesondere die Bohrungen für Fasern und Führungsstifte mit höchster Präzision gefertigt sein müssen. Beim verwendeten Kunststoffmaterial sind hohe Qualität und spezielle Eigenschaften erforderlich. Auf der Fertigungsseite lässt sich eine gute Performance der MPO-Steckverbinder nur durch die ständige Optimierung und Anpassung der Polierprozesse erreichen. Nur verschärfte geometrische Vorgaben für die Steckeroberfläche, die über die IEC-Anforderungen hinausgehen, sowie die 100-prozentige Überprüfung dieser Vorgaben können eine konstante Qualität und geringste Dämpfungsverluste garantieren.
Für die Performance der Stecker ist insbesondere die Erzielung eines gleichmäßigen Faservorstands entscheidend, damit beim Koppeln zweier Stecker zwischen allen Fasern ein möglichst geringer Luftspalt verbleibt und so Verluste minimal bleiben. Die maximalen Faserhöhendifferenzen, die sich mit moderner Fertigungstechnik und hochwertigen Komponenten erreichen lassen, liegen bei sorgfältigster Fertigung im Nanometerbereich, und damit weit unterhalb der beabsichtigten Norm. Nur so lassen sich Dämpfungswerte von maximal 0,20 dB realisieren.
Gelingt es nicht, hochqualitative Mehrfasersteckverbinder herzustellen, kann sich dies sogar negativ auf die Skew-Werte der Strecken auswirken, und es kommt zu einer unerwünschten zeitlichen Differenz beim Empfang zweier parallel gesandter Signale.
Modulare Systeme bieten den enormen Vorteil der absoluten Flexibilität und eignen sich besonders gut für die Errichtung von 40/100-GbE-Netzwerken. Sie sind jederzeit ausbau- oder reduzierbar, ohne das komplette System ersetzen zu müssen. Ein Beispiel ist das von TDE entwickelte Verkabelungssystem TML (T Modular Link). Es besteht aus den drei Kernkomponenten Modul, Trunk-Kabel und Modulträger. Laut Hersteller handelt es sich um zu 100 Prozent in Deutschland gefertigte, vorkonfektionierte und getestete Systemkomponenten, die vor Ort eine Plug-and-Play-Installation innerhalb kürzester Zeit ermöglichen sollen. Das Herz des Systems sind die rückseitigen MPO- und Telco-Steckverbinder. In Standardbestückung werden im TML-System 96 Fasern auf einer Höheneinheit installiert, mithilfe eines speziellen Moduls ist bei einer Vollbestückung des Patch-Felds mit acht Modulen die Installation von bis zu 576 Fasern auf nur einer Höheneinheit möglich. Auf der Rückseite des Moduls ist ein 72-Faser-MPO-Stecker angebracht, der über eine Fanout-Einheit im Inneren die 72 Glasfasern auf sechs vorderseitig platzierte Zwölf-Faser-MPOs verteilt.