Sechs Best Practices für die Kühlungsoptimierung

Mit einfachen Mitteln viel erreichen

28. Juni 2009, 22:56 Uhr | Jörg Poschen/jos Jörg Poschen ist Senior Marketing Manager Central Europe bei Daxten und Moderator der Gruppe Green IT auf Xing.

Bis zu 63 Prozent der erzeugten Kühlluft im RZ gelangt nicht zu ihrem Bestimmungsort, nämlich zur Hardware in den Racks. Sie geht vielmehr zuvor als Bypass-Luftstrom an Kabelführungen und weiteren Doppelbodeneinlässen, an nicht abgedichteten Höheneinheiten in den Racks und in nicht eingehausten Kaltgängen sowie im Doppelboden selbst durch fehlende Führung und Lenkung verloren. Wie dies mit einfachen Mitteln zu verhindern ist, zeigen sechs "Best Practices".

Das Marktforschungsinstitut Gartner hat in Studien erhoben, dass zwischen 35 und 50 Prozent der
gesamten Energiekosten eines Rechenzentrums für die Kühlung aufgewendet werden. In den kommenden
Jahren erwarten Gartner und IDC einen Kostenanteil, der deutlich über die 50-Prozentmarke
hinausgehen wird, wenn Rechenzentrumsbetreiber, Facility- und IT-Verantwortliche diesem Trend nicht
durch rechtzeitige thermische Optimierungen entgegensteuern. Dazu bedarf es nicht zwangsläufig
einer Investition in teure und leistungsfähigere Cooling-Systeme oder gar einer
Infrastrukturumstellung von Luft- auf Flüssigkeitskühlung, deren Amortisation oftmals auf viele
Jahre angelegt ist. Schon mit kleinen und kostengünstigen Korrekturen an einer bestehenden
Kühlungsinfrastruktur lassen sich deren Effizienz signifikant erhöhen und der "Energiehunger"
erheblich reduzieren.

Vom gesamten Einsparungspotenzial her geht es dabei nicht um "Peanuts": Das renommierte
amerikanische Uptime Institute hat ermittelt, dass bis zu 63 Prozent der erzeugten Kühlluft
überhaupt nicht zu ihrem Bestimmungsort, nämlich zur Hardware in den Racks gelangen, sondern zuvor
als Bypass-Luftströme an Kabelführungen und weiteren Doppelbodeneinlässen, an nicht abgedichteten
Höheneinheiten in den Racks und in nicht eingehausten Kaltgängen sowie im Doppelboden selbst durch
fehlende Führung und Lenkung entweichen. Was also liegt näher, als an genau diesen thermischen
Schwachstellen anzusetzen, eine "Kühlungskosmetik" zu betreiben und Einsparungen zu realisieren,
die sich äquivalent zu den "verblasenen" 63 Prozent ergeben? Dazu stellt der folgende Text sechs "
Best Practices" vor, die auch Bestandteile des aktuellen Maßnahmenkatalogs von Gartner zur Erhöhung
der Energieeffizienz im Rechenzentrum sind.

Aufdecken von Schwachstellen

Eine jede Optimierung gelingt natürlich am besten, wenn sich diese auf solide Fakten stützt. Aus
diesem Grund sollte jeder "Klimatisierungskosmetik" eine umfassende Analyse der thermischen
Ist-Zustände im Rechenzentrum vorausgehen. Dazu wird eine IT-Infrastruktur vor Ort fachmännisch
unter die Lupe genommen, um zum Beispiel die Luftströme über und im Doppelboden, Kühlluftverluste,
den Wirkungsgrad der Cooling-Systeme, die Hitzeentwicklung an den Racks und weitere wichtige
Kühlungsparameter zu messen und aufzuzeichnen. Auf Basis einer Auswertung dieser Daten gilt es
dann, gemeinsam mit dem Anwender einen sinnvollen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten, der exakt die zu
erwartende Einsparung für jeden einzelnen Optimierungsschritt oder bei einem Ineinandergreifen
mehrerer thermischer Korrekturen beziffert. Nur so lassen sich Amortisationszeiten solide bestimmen
und IT-Entscheidern damit schlagkräftige Argumente an die Hand geben, um entsprechende
Investitionen zu rechtfertigen.

Kaltgangeinhausung mit Vorhang

Thermalanalysen decken insbesondere Schwachpunkte auf, die die Kühlluftströmung zwischen Warm-
und Kaltgang betreffen: Die aktive Hardware in den Racks saugt die kalte Luft an der Rack-Front an
und gibt diese nach erfolgter Kühlung an der Rack-Rückseite als heiße Luft in den Warmgang ab.
Fatalerweise steigt die Warmluft dort am hinteren Rack-Korpus auf und strömt darüber hinweg wieder
zur Rack-Front in den Kaltgang zurück.

Ebenso kann die Warmluft durch nicht abgedichtete Höheneinheiten im Rack oder an den beiden
Flanken des Schranks in den gekühlten Bereich rezirkulieren. Darüber findet ein thermischer
Aufschaukelungsprozess statt, der sukzessive zu einer Temperaturerhöhung im kalten Gang führt.
Konventionell wird dieser Hitzeentwicklung nur durch eine Erhöhung der Leistung der Kühlanlagen
entgegengewirkt, was zu einem immens hohen Energieverbrauch führt.

Essenziell ist es aus Sicht von Gartner und gemäß den Leitlinien für energieeffiziente
Rechenzentren der Bitkom heute daher, die Warmluft einfach hermetisch vom Kaltgang zwischen den
Rack-Fronten abzuschirmen. Diese Abtrennung lässt sich durch hohe Investitionen über eine komplette
bauliche Kaltgangeinhausung oder kostengünstig mittels eines nicht entflammbaren PVC-Vorhangs
bewerkstelligen – bei nahezu identischem Wirkungsgrad. Messungen haben ergeben, dass bei konstanter
Kühlleistung der Unterschied zwischen den Temperaturen im Warm- und Kaltgang zwischen zehn und 15°C
liegt. Abhängig von Größe und räumlichen Gegebenheiten in diversen Rechenzentren ist so die
Kühlleistung der Anlagen um bis zu 30 Prozent reduzierbar. Bestätigt werden diese Zahlen durch
einen Anwendungsbericht zur Kaltgangeinhausung per PVC-Vorhang im US-Testrechenzentrum von Netapp,
der in dem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und Borderstep
Institute erstellten Report "Energieeffziente Rechenzentren: Best-Practice-Beispiele aus Europa,
USA und Asien" enthalten ist.

Eine die Kaltgangeinhausung ergänzende, aber auch für sich genommen wirkungsvolle thermische
Best Practice ist es, die unbelegten Höheneinheiten in Racks zuverlässig abzudichten, sodass keine
von Servern abgegebene heiße Luft zur vorderen Rack-Region in den Kaltgang rezirkulieren kann.
Dafür empfiehlt sich die Verwendung von brandschutzzertifizierten Kunststoffblenden, die
werkzeugfrei mittels Befestigungsclips an den Rack-Profilen angebracht sind.

Rack-Versiegelung und Luftführung im Doppelboden

Neben einer dadurch erreichten Abscheidung von Kalt- und Warmluftbereichen in Rack-Umgebungen
verhindert diese Maßnahme eine Bildung von Wärmenestern an den Racks und bewahrt die Hardware so
vor Überhitzung, hitzebedingten Systemstörungen oder gar Ausfällen. Laut Gartner lässt sich die
Lufttemperatur durch den Einsatz von Blindblenden durchschnittlich um 5,6 Grad senken.

Noch vor der Errichtung einer Kaltgangeinhausung und dem Anbringen von Blindblenden gilt es, die
Kühlluft durch den Doppelboden bis zu den Austritten am Rack zu führen, ohne dass sich diese über
weite Räume verteilt, abdriftet und es so zu einer Verminderung der Strömungsgeschwindigkeit und zu
einem Abfall des Luftdrucks kommt.

Kanalisierung und Führung der Kühlluft im Doppelboden

Dazu werden Luftstrombegrenzer und Umlenksysteme an den Doppelbodenträgern und -sockeln
angebracht, die die Strömungsräume im Doppelboden unter den Racks verkleinern, die gekühlte Luft
kanalisieren und so auf kürzestem und schnellstem Wege zu den Öffnungen im Kaltgang befördern. Der
Effekt: Aufgrund des erhöhten Drucks und der gesteigerten Strömungsgeschwindigkeit der kalten Luft
kann der Betreiber die Leistung der Cooling-Systeme drosseln und somit Energie einsparen. Bei den
Begrenzern ist darauf zu achten, dass diese aus einem nicht leitenden und reaktionsträgen Material
bestehen und über eine Brandschutzzertifizierung verfügen.

Hoher Luftdurchlass bei Lüfterplatten

Damit die durch die Begrenzer kanalisierte Luft gezielt und mit hohem Druck aus dem Doppelboden
in den Kaltgang und schließlich zu den Rack-Fronten strömen kann, ist es erforderlich, an den
Austrittstellen einen optimalen Luftdurchlass im Doppelboden sicherzustellen. Dafür empfiehlt sich
der Einsatz von Lüfterplatten (Airflow Panels), die eine hohe Luftdurchlässigkeit aufweisen.
Ausgereifte Modelle schaffen Durchsatzraten zwischen 56 bis 65 Prozent (konventionelle Platten
erreichen zwischen 20 und 30 Prozent) und verfügen über ein spezielles Rost- und Lamellendesign,
das die Kühlluft abermals kanalisiert und mit hohem Druck zur Hardware in den oberen Rack-Regionen
führt.

Einer Entstehung von Wärmenestern (Hot Spots) und hitzebedingten Systemstörungen beugt dies
wirksam vor. Als Faustregel für die richtige Wahl einer Lüfterplatte gilt: Je höher der Durchlass,
umso höher der Druck, desto geringer die benötigte Leistung der Kühlanlagen und umso mehr Energie
lässt sich einsparen.

Versiegelung von Kabelführungen und weiteren Einlässen

Leider gibt es im Rechenzentrum neben den erforderlichen Luftaustritten auch Öffnungen im
Doppelboden wie etwa Kabeldurchführungen oder Rohrleitungen, an denen unerwünschterweise ein hoher
Anteil der erzeugten Kühlluft entweicht. An diesen Stellen gehen laut Uptime Institute je nach
Größe des Rechenzentrums und Zahl der Doppelbodeneinlässe mehr als 30 Prozent der erzeugten kalten
Luft verloren. Dieses Problem lässt sich jedoch einfach mit einer Versiegelung durch
Dichtungskanten beheben. Diese bestehen aus einem soliden Rahmen mit zwei einander zugewandten
Kunststofffaserreihen, die Kabel und weiteres durch den Doppelboden geführtes Equipment lückenlos
umschließen und so ein Entweichen von Kühlluft verhindern.

Beispiel

Bewährt hat sich diese Maßnahme zum Beispiel in einem der größten Rechenzentren Europas bei
Amadeus in Erding: Belegt durch ein externes Gutachten erbrachte allein der Einsatz einer
Versiegelungslösung eine Energiekosteneinsparung von über 46.000 Euro pro Jahr – bei einer
Amortisationszeit von drei Monaten. Eine erhebliche Steigerung der Kühlungs- und damit
Energieeffizienz im Rechenzentrum mit einfachen Mitteln ist folglich machbar – und lässt sich
nachweislich anhand der aufgezeigten Best Practices mit geringem finanziellen Aufwand und
Amortisationszeiten zwischen drei und neun Monaten realisieren.

Empfehlung: Best Practices beachten

Optimierungswillige fahren am besten damit, zuallererst den Effizienzgrad ihrer bestehenden
Kühlungsinfrastruktur durch eine Thermalanalyse bestimmen zu lassen, um auf einer soliden Basis das
tatsächliche Einsparpotenzial ermitteln zu können. Dann gilt es, die wirkungsvollsten Maßnahmen
miteinander zu kombinieren, zur Anwendung zu bringen und deren Wirkungsgrad innerhalb eines Jahres
zu evaluieren.


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