Messungen an einem Glasfasernetz, in dem MTP/MPO-Steckertechnik zum Einsatz kommt, sind nicht trivial. Dies gilt besonders, wenn es sich um bereits installierte Systeme handelt. Netzwerk-installateure haben beim Aufbau einer leistungsfähigen optischen Verbindung besonders zwei Parameter im Blick: eine präzise Kernzentrierung und eine äußerst saubere Steckeroberfläche.Der Qualitätsgedanke in Glasfasernetzen war in der Vergangenheit bereits wichtig, heute erlangt er einen noch größeren Stellenwert, denn die Installationen müssen immer höhere Übertragungsleistungen bieten. Dazu gehört insbesondere das Einhalten geringerer Dämpfungspegel.
Um sowohl die Entwickler als auch die Anwender in diesem Punkt zu unterstützen, sind neue Standards entstanden. Einer der jüngsten ist die Norm IEC 61280-4-1 Ed. 2.0, die sich unter anderem mit einem Hauptproblem der modernen optischen Netze befasst - dem eingeschlossenen Strahlungsfluss (Encircled Flux).
Encircled Flux
Wenn sich Licht in einer Multimode-Faser ausbreitet, kann es eine von vielen möglichen Pfaden oder "Moden" einschlagen, daher der Ausdruck Multimode (Mehrmodenfaser). Die Modenleistungsverteilung sagt aus, wie viele Moden in einer Multimode-Faser angeregt sein können. Dies sind typischerweise mehrere Hundert, während sich in einer Singlemode-Faser nur eine einzige Mode ausbreitet. Die Modenleistungsverteilung heißt in der Fachsprache im Allgemeinen auch Anregungsbedingung.
Die Modenanregungsbedingungen können sowohl die in Multimode-Verkabelungssystemen gemessene Dämpfung als auch die Bandbreite beeinflussen. Misst der Techniker einem Multimode-Glasfaser-Link mit Lichtquellen von zwei verschiedenen Messgeräteherstellern, können die Messergebnisse der Streckendämpfung (Link Loss) im Feld um bis zu 50 Prozent voneinander abweichen.
Unterschiedliche Lichtquellen erzeugen unterschiedliche Anregungsbedingungen. Zum Beispiel überfüllt eine LED eine Multimode-Faser mit zu vielen Lichtmoden, während ein Laser nicht genügend anregt. Bei Vollanregung (Overfilled Launch) einer Faser können die Messwerte der Streckendämpfung zu hoch ausfallen, während die Messungen bei Teilanregung (Underfilled Launch) tendenziell zu niedrige Werte für die Streckendämpfung liefern.
Daher besteht die Gefahr, dass Abnahmemessungen, die auf einer Teilanregung basieren, die eventuell auftretenden großen Dämpfungsereignisse verschleiern, wie beispielsweise eine ungenügende Kernausrichtung der Stecker. Falsche "Pass?-Ergebnisse können dann die Folge sein, was im Endeffekt eine verminderte Leistung der Verkabelungsinfrastruktur verursacht. Mit der aktuellen Entwicklung der Netzwerktechnik und den immer kleiner werdenden Dämpfungsbudgets sind also auch die Messungen der optischen Dämpfung einer Glasfaserstrecke anspruchsvoller geworden.
Neue Netzwerkanwendungen erfordern noch präzisere, reproduzierbare Messungen der Dämpfung einer Multimode-Faser, die mit verschiedenen Feldmessgeräten vorgenommen werden können. Industrieexperten sind daher zu dem Schluss gekommen, dass eine Begrenzung der möglichen Anregungsbedingungen in der Multimode-Faser notwendig ist, speziell wenn es um die Messung von Übertragungsraten von 1 GBit/s und darüber hinaus geht. Encircled Flux (EF) ist dazu die Bezeichnung im neuen Standard, der den erforderlichen Rahmen schafft und eine erhebliche Verbesserung gegenüber den bisherigen Messmethoden darstellt.
Encircled Flux bietet eine Möglichkeit zur Charakterisierung der Anregungsbedingungen einer Multimode-Lichtquelle (LED oder Laser) und beschreibt den Prozentsatz der Lichtleistung innerhalb eines gegebenen Radius um den Faserkern, wenn Licht durch einen Transmitter in eine Multimode-Faser eingekoppelt ist. Diesen Leistungsanteil ermittelt die Messung aus den Nahfeldmessungen des Lichts, das aus einer an das Messgerät angeschlossenen Referenzfaser kommt.
Konformität mit dem neuen EF-Standard soll die Messabweichungen bei der Dämpfungsmessung auf ±10 Prozent und die Testabweichungen bis zu 75 Prozent im Vergleich zum vorhergehenden Standard reduzieren. Mit dieser jüngst verabschiedeten Norm verbessern sich folglich sowohl die Messgenauigkeit also auch die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse bei der Prüfung von Multimode-Fasern.
Bekanntlich bietet das Labor ideale Voraussetzungen zur Einhaltung der EF-Anregungsbedingungen, doch sind außerdem bereits Konzepte für die Messungen im Feld entstanden. Zur Kontrolle der Anregungsbedingungen gibt es spezielles Zubehör wie Launch-Controller und Referenzfasern mit Modenkonditionierer. Dies reduziert die Anzahl der Modengruppen, die von der Messfaser eingekoppelt werden, auf eine Menge, die innerhalb der EF-Spezifikationen liegt. So ist abgesichert, dass die durchgeführten Messungen genaue und wiederholbare Ergebnisse entsprechend der Normen liefern.
Die Normungsgremien von IEC und TIA haben Dokumente veröffentlicht, die die Anforderungen für EF darlegen. Speziell ist dabei der Standard IEC 61280-4-1 Ed. 2.0 zu nennen, den die TIA als TIA-526-14-B mit dem Titel "Dämpfungsmessungen in Lichtwellenleiterkabelanlagen mit Mehrmoden-Fasern" herausgegeben hat. Da Messgeräte, die nach dem EF-Standard arbeiten, bei der Abnahmemessung konsistente und zuverlässige Ergebnisse liefern - sowohl im Labor als auch im Feld - ist Netzwerkingenieuren und Planern zu empfehlen, ihre Prüfspezifikationen daraufhin zu aktualisieren und EF-konforme Messquellen zu nutzen.
Qualität der Steckerstirnfläche
Nach wie vor bleibt die äußerste Sauberkeit der Steckeroberfläche ein entscheidender Faktor für die Leistung. In einer Studie von NTT-Advanced Technology gaben 98 Prozent der befragten Installateure und 80 Prozent der Netzwerkbetreiber an, dass die Verunreinigung der Steckverbinder der größte Einzelfaktor für einen Netzwerkausfall war.
Die Sauberkeit der Steckverbinder bleibt eine große Herausforderung, da ein einziger Schmutzpartikel im Bereich des Faserkerns bereits eine signifikante Einfügedämpfung, Rückreflexion und sogar Geräteschäden bewirken kann. Liegt die Rückreflexion einer sauberen Verbindung beispielsweise bei ?67,5 dB, ergibt sich eine Gesamtdämpfung von gerade einmal 0,250 dB, wohingegen eine unsaubere Steckeroberfläche Reflexionen von ?32,5 dB hervorrufen kann, woraus dann eine Gesamtdämpfung von 4,87 dB resultiert. Das Problem dabei ist: Bei jedem Steckvorgang verlagern sich auch die um den Faserkern herum befindlichen Schmutzpartikel und verteilen sich über die Oberfläche der Faser. Große Partikel sind sogar in der Lage, einen physischen Steckerkontakt zu verhindern, während sich kleinere unter 5 µm in der Oberfläche einlagern. Einschläge und Ausbrüche sind die Folge.
Verunreinigung kann ebenso durch gewöhnlichen Staub und Öl entstehen, die von verschiedenen Quellen wie den Messgeräten selbst kommen können, von Staubkappen, Bulkheads und natürlich von Menschen. Grund für diese Misere ist die unbestrittene Tatsache, dass die meisten Steckverbinder nicht inspiziert und gereinigt bleiben, bis ein Problem auftaucht. Dann ist allerdings meist bereits ein dauerhafter Schaden entstanden.
Steckerinspektion empfohlen
Eine vorsorgliche Steckerinspektion - also die visuelle Prüfung der Glasfaserstecker in jeder einzelnen Phase vor dem Zusammenstecken - ist von allergrößter Wichtigkeit. Zudem lassen sich Steckverbinder vor dem Stecken wesentlich leichter säubern.
Auf die Problematik der visuellen und automatisierten Inspektion der Stirnfläche eines Glasfasersteckers geht der Standard IEC 61300-3-35 ein, der auch als Interoperabilitätsnorm für Hersteller und Anwender von Steckverbindern fungiert. Er unterteilt die Faser in vier Zonen: die Kernglaszone, die Mantelglaszone, die Verklebungs- und die Kontaktzone. Für jede Zone sind verschiedene Ausfallkriterien für Oberflächendefekte und Kratzer spezifiziert, und zwar in Form von Qualität und Größe sowie Lage in Bezug zum Faserkern.
Dabei gibt die Norm auch Empfehlungen zu einer Reihe von Akzeptanzkriterien für bestimmte Steckverbindertypen. Bei Singlemode-Steckern mit UPC-Politur beispielsweise dürfen keine Kratzer oder Oberflächendefekte in der Kernglaszone vorhanden sein, in der Mantelglaszone hingegen sind Kratzer bis 3 µm zulässig. Andere aufgeführte Steckverbindertypen sind Singlemode APC, Multimode PC und PC-Bändchenfaserstecker. Zweifelsohne spielen die Messkabel eine ausschlaggebende Rolle bei der Überprüfung einer Glasfaserverkabelung. Aus diesem Grund legen die neuen Normen Anforderungen an die Messkabel fest. Der Standard (BS EN) IEC 61280-4-1:2009 beschreibt zwei Typen von Messkabeln: zum einen Messkabel mit Steckverbinder in Referenzqualität (RGT - diese haben die bestmögliche Qualität), die zur Reduzierung der Messunsicherheit empfohlen sind, und zum anderen Messkabel mit "normalen" Steckverbindern. Bei Letzteren sind etwas höhere Dämpfungswerte erlaubt.
Hersteller bleiben am Ball
Es ist also noch ein Stück Weg zu gehen, sowohl in der Entwicklung optischer Messgeräte für die Messung im Feld also auch in der Entwicklung zuverlässiger Messkabel in Referenzqualität. Auch Hersteller wie Siemon beschäftigen sich derzeit mit dieser Problematik, um abzusichern, dass alle Stirnflächen der hauseigenen Glasfasern (unabhängig vom Steckverbindertyp) Konformität mit den Encircled-Flux-Messungen entsprechend der Normvorgabe aufweisen, damit Glasfasernetze ihre gesamte Performance ausschöpfen und mit der vollen vorgesehenen Datenrate arbeiten können.