Neue Anlagenkonzepte mit Profinet

Vier Paare für die Zukunft

24. November 2011, 7:00 Uhr | Dipl. Wirt. Ing. Bernd Horrmeyer, Fachreferent für industrielle Netzwerkverkabelung bei Phoenix Contact in Blomberg,

In der Automatisierungstechnik kommt zur Kommunikation der Teilnehmer untereinander heute mit großem Erfolg Industrial Ethernet zum Einsatz. Für künftige anspruchsvollere Anlagenkonzepte steht mit der neuen vierpaarigen Profinet-Verkabelung ein zukunftssicheres und leistungsfähiges System zur Verfügung.Seit rund zehn Jahren setzen die Betreiber Industrial Ethernet erfolgreich in der Automatisierungstechnik ein. Basis dieses Erfolgs ist zum einen die übertragungstechnische Leistungsfähigkeit von Ethernet gemäß IEEE 802.3. Zum anderen ist es die an Industrieapplikationen angepasste robuste Verkabelungstechnik, die sich auf die Erfahrungen aus dem Feldbusbereich stützt. Eine wichtige Anforderung dabei ist es, die Verkabelungstechnik optimal auf eine einfache Installation vor Ort abzustimmen. Leiterquerschnitte, Leiteranzahl und Farbcodierungen gehören zu den bestimmenden Merkmalen bei Feldbussen und Industrial Ethernet.

Datenübertragungsraten steigen

Wie die meisten anderen Systeme des Industrial Ethernet basiert auch Profinet auf dem Standard 100Base-TX gemäß IEEE 802.3 - mit einer Datenübertragungsrate von 100 MBit/s. Das System nutzt vier Adern, die in zwei Paaren oder einem Sternvierer organisiert sind. Spezielle Protokoll- oder Hardwareerweiterungen wie etwa IRT (Isochronous Real-Time) sind zusätzlich implementiert, um die in der Automationstechnik geforderten Echtzeiteigenschaften zu ermöglichen. Darum gibt es für dieses System keinen Grund, auf Ethernet mit höheren Übertragungsraten als 100 MBit/s zu setzen - es wäre teilweise sogar hinderlich. In der Profinet-Richtlinie 2713 sind daher auch Komponenten nach Kategorie 5 beschrieben - etwa vieradrige Leitungen und vierpolige Steckverbinder. Diese Komponenten bieten die erforderliche technische Leistungsfähigkeit sowie eine einfache Installationstechnik. Rationelle Installation, schnelle Inbetriebnahme und hohe Zuverlässigkeit im laufenden Betrieb sind somit kein Problem - sie tragen zum guten Ruf von Profinet in der automatisierungstechnischen Praxis bei.

Andererseits wachsen moderne Automatisierungslösungen über klassische Geräte hinaus. So werden Kameras zur Qualitätsinspektion, Server zur Dokumentation von Qualitätsdaten sowie Scanner zur Identifizierung von Bauteilen eingesetzt. Meist benötigen diese Geräte höhere Datenübertragungsraten. Eine weitere Aufgabenstellung ist häufig die Kommunikation der Automatisierungstechnik mit den Systemen der Fabriksteuerung und der Leittechnik zur Übermittlung der Aufträge und deren Bearbeitungsstand. Auch dazu sind oft Datenübertragungsraten von mindestens 1 GBit/s erforderlich. Geräte und Kommunikationsstrukturen sind dabei nicht separat zu betreiben - sie müssen logisch und physisch als integraler Bestandteil der gesamten Automatisierungslösung funktionieren.

Erweiterung von Profinet

Mit den klassischen Netzwerkstrukturen von Industrial Ethernet und der generischen Verkabelung aus der Bürowelt lässt sich diese Aufgabe nicht erfüllen. Profinet erreicht nicht die geforderte Datenübertragungsrate, und ein generisches Verkabelungssystem zielt auf eine Gebäudeinfrastruktur und nicht auf eine flexible Anpassung im Maschinen- und Anlagenbau. Dazu ist eine weitere Verkabelungsinfrastrukturebene zwischen Profinet und der generischen Verkabelung zu installieren. Diese Ebene muss alle klassischen Netzwerke einer automatisierungstechnischen Applikation untereinander verbinden, weitere Teilnehmer in die Automationsaufgaben einbinden sowie die Kommunikation zum Unternehmensnetzwerk sicherstellen. In diesem Modell bleibt die gängige zweipaarige-Profinet-Verkabelungsinfrastruktur erhalten - und gleichzeitig wird eine professionelle Lösung für anspruchsvolle Aufgaben im Industriebereich möglich.

Vor diesem Hintergrund hat sich die PNO entschlossen, das Verkabelungssystem für Profinet zu erweitern. Die Herausforderung für die Experten lag in einem Verkabelungssystem, das mindestens Ethernet nach 1000Base-T mit 1 GBit/s überträgt und dabei die für den Industriebereich geeignete robuste Technik mit ihren einfachen Installationsbedingungen adaptiert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die vierpaarige Installationstechnik ist vollständig kompatibel zu Profinet nach 100Base-T. Dies lässt sich dadurch erreichen, dass wichtige Parameter der zweipaarigen Verkabelung - etwa der geringe Delay Skew (Signallaufzeitunterschied) zur Garantie der Echtzeitübertragung IRT - auch bei der vierpaarigen Verkabelung gelten. Alle Anwendungen, die bislang mit einer zweipaarigen Verkabelung arbeiteten, sind nun auch bei der vierpaarigen Verkabelung möglich.

Auch die robuste Ausführung der Komponenten bleibt erhalten, sodass beide Verkabelungssysteme gleichberechtigt in der rauen industriellen Umgebung zum Einsatz kommen können. Leiterquerschnitte, die eine umständliche Berechnung der Übertragungslängen überflüssig machen, Farbcodierungen nach dem populären Standard TIA568 sowie aufeinander abgestimmte Leitungen und Steckverbinder erleichtern dem Planer und Installateur die Arbeit. So sind künftig anspruchsvollere Anlagen ohne Systembruch mit einer Profinet-Verkabelung auszurüsten. Dabei kann der Betreiber dann - abhängig vom jeweiligen Teil der Anlage - eine zwei- oder vierpaarige Verkabelung im Channel einsetzen.

Bei den Steckverbindern ist außerdem zu beachten, dass diese auch bei der Polzahl und der Signalintegrität die Anforderungen erfüllen. Der RJ45 ist heute in Ausführungen von Kategorie 5 bis Kategorie 6A erhältlich - und ist damit zukunftssicher. Anders verhält es sich beim M12. Der vierpolige nach IEC 61076-2-101 D-codierte M12-Steckverbinder, der heute in vielen Automatisierungssystemen arbeitet, ist nur für 100Base-TX geeignet, da er lediglich vier Kontakte hat. Für 1000Base-T und 10GBase-T eignet sich der achtpolige M12 mit X-Codierung gemäß IEC 61076-2-109. Er erfüllt Kategorie 6A und stellt somit auch eine zukunftssichere Lösung für die vierpaarige Profinet-Verkabelung dar.

Fazit

Neue Herausforderungen in der Automatisierungstechnik erfordern immer wieder neue Lösungen in der Kommunikationstechnik. Mit der vierpaarigen Verkabelungstechnik von Profinet eröffnen sich zukunftsweisende Möglichkeiten. So können leistungsfähige Geräte zur automatisierungstechnischen Gesamtlösung beitragen, wobei die Systeme die robuste und einfache Installationstechnik für den Industriebereich übernehmen. Mit dem umfangreichen Angebot an Steckverbindern und weiteren Komponenten von Herstellern wie beispielsweise Phoenix Contact sind Automationslösungen einfach zu planen und zu installieren sowie zuverlässig zu betreiben.

Gigabit Ethernet im Industrieumfeld

Elektrisch ist Gigabit-Ethernet im Standard IEEE 802.3 beschrieben. Dort ist auch die Signalkodierung niedergelegt, die nach den Verfahren PAM 5 und PAM 16 verläuft (PAM = Pulse Amplitude Modulation). Im Gegensatz zu Binärsignalen, bei denen nur der untere und obere Spannungspegel die Information tragen, ist der Spannungsbereich bei PAM von -1 V bis +1 V in fünf oder 16 Pegel aufgeteilt, die die Informationen tragen. Dies bedeutet, dass der Spannungsunterschied zwischen zwei Informationspegeln bis auf 133 mV sinken kann. Schon leichte Beeinträchtigungen können eine Spannung induzieren, die den ursprünglichen Informationsgehalt zerstört. Bei IEEE geht man von standardmäßig definierten Störungen aus, die für das Büroumfeld zutreffen können und die Identifizierung des korrekten Signalinhalts noch ermöglichen. Störungen im Industrieumfeld sind meist stärker, und Echtzeitanforderungen akzeptieren keine Paketwiederholungen. Dies hat zur Folge, dass zur Übertragung von Gigabit Ethernet im Industriebereich deutlich höhere Schutzmaßnahmen erforderlich sind, als sie von der IEEE für das Büroumfeld definiert sind. Dabei kommt es auf die Qualität der Komponenten an, die eine möglichst geringe Dämpfung des Signals über den ganzen Frequenzbereich sicherstellen sollen. Zum Schutz gegen Einkopplung von äußeren Störungen ist zudem eine qualitativ hochwertige Schirmung erforderlich. Umso wichtiger ist es, geschirmte Komponenten einzusetzen und eine möglichst hohe Systemreserve vorzuhalten. Maßstab für die Schirmqualität ist die Kopplungsdämpfung, die einen Wert von 80 dB erreichen sollte. So wird auch die Trennklasse d nach EN 50174-2 erreicht, sodass Kommunikationsleitungen direkt neben Leistungsleitungen verlegt werden können. Dies ist ein wichtiges Kriterium bei engen Platzverhältnissen und Leitungspaketen - etwa an Robotern. Die Kombination dieser Maßnahmen stellt ein solides Fundament für die Übertragung von Gigabit Ethernet im Industriebereich dar.

Einfache Konfektion eines RJ45-Steckverbinders für den Industriebereich: Leitung vorbereiten und Adern einführen (links), Adern schneiden (Mitte), Drücker schließen und Gehäuse aufrasten (rechts).
LANline.

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