Fraunhofer IGD virtualisiert Designprozess und Forschungsprojekt macht Anproben im Web passgenau

Virtuelle Modeentwürfe werden auf das Handy geschickt

23. April 2009, 22:58 Uhr |

Forscher des Fraunhofer IGD unterstützen mit einer Software die Modedesigner in ihrer Kreativität: Ein neues Kleidungsstück entsteht zunächst vollständig am Computer. Mit der auf Messe IMS vorgestellten Lösung ist es zudem erstmals möglich, die virtuellen Entwürfe auf Handys zu übertragen. Das Forschungsprojekt Simakon stellt in Köln seinen Systemprototypen einer virtuellen Anprobe im Internet vor.

Mit ihrer Echtzeitbekleidungssimulation beschleunigen die Entwickler des Fraunhofer IGD aus
Darmstadt und Rostock den Designprozess. "Mit unserer Software ermöglichen wir es dem Designer, am
Computer die gleichen Bedingungen wie in der Realität vorzufinden", erklärt Jörn Kohlhammer,
verantwortlicher Abteilungsleiter des Fraunhofer IGD.

Die Besonderheit der Simulation ist das sehr realistische Verhalten des Stoffs: Alle relevanten
physikalischen Gesetzmäßigkeiten werden berücksichtigt. Ein im Computer entworfenes Kleid fällt
genauso wie das reale Gegenstück am Modell. Detailkorrekturen, Entwurfsänderungen und sonstige
Anpassungen sind wesentlich schneller und kostensparender möglich.

Mit einer internetbasierten Anwendung können die Modegestalter auch weltweit an der Entwicklung
teilhaben – die Meister begutachten oft in ihren Ateliers nur die Entwürfe ihres Teams. Mit der
IGD-Lösung sind die Informationen auch auf Handys übertragbar – die Modeschöpfer können direkt
unmissverständliche Änderungswünsche an ihre Schnittmacher senden. Die Internetlösung ist auch
Basis für Kollaboration: Weltweit operierende Designergruppen können in Echtzeit an derselben
Entwicklung arbeiten.

Mit dem Exponat der Hochschule Fulda auf der IMB geht der Surfer von zu Hause aus Bekleidung
einkaufen – unabhängig von Öffnungszeiten. Mit der virtuellen Anprobe geht das Team von Professor
Karim Khakzar das Problem an, dass die Retourenquote bei Online-Käufen bei bis zu 80 Prozent liegt,
was enorme Kosten verursacht. Bei der Lösung wird nun Kleidung im Online-Shop am eigenen virtuellen
Körper anprobiert. Die Technik entsteht im Projekt Simakon (Simulation von Maßbekleidung und
Konfektion online zur Passformkontrolle), einem vom Forschungsministerium geförderten
interdisziplinären Kooperationsprojekt unter Leitung der Hochschule Fulda.

Die einzelnen Komponenten, aus denen reale Bekleidung besteht, werden bei dem Projekt im Rechner
zu einem dreidimensionalen Kleidungsstück zusammengefügt und dem Avatar, dem virtuellen Abbild des
Kunden angezogen. Sowohl Konfektionsware als auch Maßkonfektion wird unterstützt.

Um Faltenwurf und textile Oberfläche realistisch darzustellen, werden physikalische
Stoffeigenschaften, Schwerkraft und Reibung berücksichtigt. Höchste Detailtreue wird durch die
Abbildung von Merkmalen wie Nahtfäden, Stoffdicke und Knöpfen gewährleistet. Die aufwändige
Berechnung von Beleuchtung und Schattenwurf trägt ebenfalls zu einem hochwertigen
Darstellungsergebnis bei.

Die Avatare sind hinsichtlich ihrer Körpermerkmale anpassbar: Körpermaße und -form, Frisur und
Hautfarbe sowie bald individuelle Gesichtsformen. Neben einer zuverlässigen Passformkontrolle und
Beurteilung der Optik der Bekleidung soll so auch sichergestellt werden, dass die Kunden sich mit
ihrem virtuellen Ebenbild identifizieren.

Nahtlos integriert in beliebige Bekleidungs-Shops kann die 3-D-Szene – Avatar, vollständiges
Outfit mit mehreren Bekleidungsstücken und Hintergrund – im Web-Browser betrachtet werden. Die
Kunden haben die Möglichkeit, ihr Anprobeergebnis interaktiv aus beliebigen Blickwinkeln zu
begutachten und Details zu vergrößern. Einzelne Kleidungsstücke oder bei Maßkonfektion auch
Komponenten wie Stoffe oder Krägen lassen sich direkt aus dem Produktkatalog heraus
austauschen.

Im Simakon-Projekt findet eine enge Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Partner mit
Unternehmen aus der Textilbranche statt, um alle relevanten Anforderungen der Praxis zu
berücksichtigen. Fortlaufende Benutzertests stellen bereits in der Entwicklungsphase sicher, dass
durch Benutzerfreundlichkeit ein hohes Maß an Akzeptanz bei den Endkunden erreicht wird. Die
aktuellen Arbeiten bis zum Projektabschluss konzentrieren sich zum einen auf die weitere
Optimierung der Benutzungsschnittstellen. Des Weiteren wird an der Erweiterung und Verbesserung der
Möglichkeiten zur kundenindividuellen Anpassung der Avatare und Leistungsverbesserung der
Bekleidungssimulation gearbeitet.

Die zukünftige Fortführung der Forschungsaktivitäten wird perspektivisch im Bereich der Avatare
sowie der Realisierung des Konzepts der virtuellen Anprobe und des Bekleidungseinzelhandels
generell in virtuellen Welten, speziell unter User Experience Gesichtspunkten angesiedelt sein.
Kooperationsanfragen sowohl aus dem Bereich Wirtschaft als auch der Forschung sind jederzeit
willkommen.

Am Forschungsprojekt Simakon ist nehen der Hochschule Fulda auch die Hochschule Reutlingen
beteiligt, der Maßkonfektionärs Campe & Ohff, die Damenmaßmanufaktur Hoffmann aus Nürnberg
sowie das Fraunhofer IGD aus Darmstadt. Auf der Messe ist das Projekt am Stand der Hochschule
Reutlingen (Halle 07.1, Stand C040) zu sehen.

Rochus Rademacher/CZ


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