Eine gute LWL-Faser ist nur etwa halb so teuer wie eine gute Angelschnur. Die erwartete Wertschöpfung ist jedoch um Potenzen höher. Daher ist gerade bei der LWL-Verkabelung die einseitige Fixierung auf Kostensenkung sehr gefährlich. Die Risiken lassen sich allerdings minimieren.Qualität in der Datenverkabelung ist unverzichtbar für jede hochverfügbare Infrastruktur in Rechenzentren, Büros und Produktionsstätten. Diese Qualität beginnt bereits mit der Ausschreibung: Will der Betreiber am Ende eines Projekts einen hohen Standard haben, dann muss er diesen schon am Anfang in der Ausschreibung eindeutig fordern. In dieser Hinsicht haben viele Ausschreibungen gerade im öffentlichen Sektor enorme Schwächen. Das heißt für Anbieter: Wenn ihm Ausschreibungen seltsam vorkommen, ist es durchaus legitim, beim potenziellen Kunden nachzufragen und die eigene Beratungskompetenz anzubieten. Zum Teil liegt das Problem in veralteten Ausschreibungstexten, die seit vielen Jahren als Muster dienen. 2013 kam erstmals seit 1995 eine neue Ausgabe des Standardleistungsbuchs für das Bauwesen (STLB-Bau) auf den Markt. Nachdem die 18 (!) Jahre alte Ausgabe in Sachen Datenverkabelung völlig überaltert war - sie kannte als höchsten Standard die Klasse D, enthält die neue Edition sehr detaillierte Informationen zu einer Vielzahl zeitgemäßer Produkte. Mit dem jetzt auch elektronisch verfügbaren STLB-Bau kann sich ein Auftraggeber bequem per Mausklick die Spezifikationen seiner gewünschten Cabling-Infrastruktur zusammenstellen. Damit wird die Qualität der Ausschreibung jedoch nicht automatisch steigen. Denn nur auf den ersten Blick ist das Erstellen von normkonformen Ausschreibungstexten nun einfacher. Eben weil sich alles mit allem kombinieren lässt, erfordert die richtige Auswahl ein hohes Maß an Fachkenntnis. Fehlt dieses Wissen, dann kann der Planer mit dem elektronischen STLB-Bau eine normgemäße, aber vollkommen absurde Produktbezeichnung auswerfen - beispielsweise ein konfektioniertes LWL-Innenkabel mit acht Fasern OS2 mit DIN-Steckverbinder in der Ausführung APC 9°. Hinzu kommt: Die komplexe Marktsituation - charakterisiert durch Faktoren wie unterschiedlichste normative Anforderungen, immer höhere Anforderungen an die Leistung, steigende Energiekosten bei der Produktion und Preisdruck - verleitet Hersteller und Wiederverkäufer zu Marketingaussagen, die dem Endanwender einen objektiven Vergleich zusätzlich erschweren. Auch wenn dieser sich für einen namhaften Markenhersteller entscheidet, ist er nicht automatisch auf der sicheren Seite, da die Unterschiede zwischen einzelnen Produkten zu groß sind. Eine Differenzierung von augenscheinlich gleichwertigen Produkten bei der Produktauswahl ist nur durch eine eindeutige und zugleich technisch und normativ saubere Ausschreibung möglich, die alle relevanten Parameter mit einbezieht. Alle Parameter berücksichtigen Grundsätzlich gilt die Faustregel: Nur die Konstruktion des Kabels oder nur die Faser im Detail zu spezifizieren, reicht nicht aus. Allzu leicht kommt es dabei zu Lücken in der Definition. Der Anwender sollte sich bei den Angaben der Hersteller genau ansehen, was jeweils spezifiziert ist. Denn nur dann ist ein objektiver Vergleich der Leistungsmerkmale möglich. So forderte ein Planer beispielsweise in einem Ausschreibungstext folgendes Kabel: "I-VHH 8G 50/125µm mit OM3-Faser". Damit ist die geforderte Kabelkonstruktion korrekt beschrieben. Der Begriff "OM3" alleine beschreibt aber die LWL-Faser nicht eindeutig. OM2, OM3 oder OM4 sind in den Normen unterschiedlich spezifiziert. Das heißt, eine ISO/IEC-Norm schreibt andere Eigenschaften für eine OM3-Faser vor als TIA/EIA. Auch muss dem Planer bewusst sein, dass sich hinter den jeweiligen Normen zahlreiche Anforderungen (Dämpfungswerte, geometrische Abmessungen, Messverfahren etc.) verbergen, die die Übertragungseigenschaften maßgeblich beeinflussen. Wenn der Planer in der Ausschreibung nicht genau festlegt, was er will, kann der Anbieter sich einfach die Norm aussuchen, die für ihn am bequemsten zu er-füllen ist. Für den Auftraggeber besteht dann das Risiko, dass seine Qualitätserwartung enttäuscht wird, er aber keine Nachforderungen stellen kann - denn formal ist die Ausschreibungsanforderung tatsächlich durch den Lieferanten erfüllt. Die Vorgaben durch die Normen lassen also viele Freiräume. Denn trotz scheinbar eindeutiger Beschreibung der Anforderungen an das LWL-Kabel durch Normbezug, Kabelkonstruktion, Fasertyp und übertragungstechnische Eigenschaften kann es zu Unterschieden in der Übertragungsleistung kommen. Um eine weitgehend gleiche Qualität bei LWL-Kabeln und Fasern zu erzielen, müssen zumindest folgende Parameter eindeutig definiert sein: Zugfestigkeit, Querdruck, Kabelbiegung unter Zug, Kabelbiegung und Temperaturwechselprüfung. Dazu müssen jedoch nicht nur die jeweiligen Parameter mit ihren Mindest- oder Maximalanforderungen benannt sein, sondern auch das Mess- und Prüfverfahren mit Applikationen und Grenzwerten. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen. Bei der Prüfung der Zugfestigkeit gemäß IEC 61300-2-4 oder IEC 60794-1-2 ist zu beachten, welches der beiden in der Norm erwähnten Verfahren eingefordert wird. Auch bei der Prüfung "Kabelbiegung unter Zug" nach IEC 60794-1-2 E18 gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, an einem Kabel zu ziehen. Jedes Verfahren ergibt ein anderes Ergebnis. Auch die Anforderung an die Zugkraft ist nicht für jedes Kabel gleich. Beim Querdrucktest gemäß IEC 60794-1-2 E3 sind die Anforderungen an "Kräfte im Betrieb" und "Dauer im Betrieb" nicht definiert und könnten deshalb sogar ungeprüft bleiben - mit fatalen Folgen für den Endanwender. Bei der Kabelbiegung nach IEC 60794-1-2 E11A schließlich sollte zusätzlich die Dämpfungserhöhung des Kabels definiert sein. Ein besonders gutes Beispiel für Freiheitsgrade in der Norm ist auch die Temperaturwechselprüfung nach IEC 61300-2-22. Sie beschreibt ein Verfahren, mit dem der Einfluss von wechselnden Umgebungstemperaturen auf das Dämpfungsbudget des Kabels zu ermitteln ist. Beginnend bei Raumtemperatur muss das Kabel laut Norm zuerst auf eine niedrige, dann auf eine hohe und dann wieder auf mittlere Temperatur gebracht werden. Anschließend ist ein zweiter Zyklus zu durchlaufen, wobei die Temperatur jeweils für eine Stunde bestehen bleibt. Die Einfügedämpfung darf sich während des Tests um maximal 0,40 dB verändern. Der Unterschied zwischen den Werten vor und nach dem Test darf höchstens 0,05 dB betragen. Bei den Temperaturamplituden kann der Prüfer jedoch zwischen verschiedenen Temperaturklassen wählen. Es liegt auf der Hand, dass die alleinige Anforderung "Temperaturwechseltest bestanden" ohne Angabe der Temperaturklasse den Wettbewerb verzerrt. Klare Prüfstandards erarbeiten Aus den in diesem Beitrag beschriebenen Praxiserfahrungen lässt sich eine Checkliste für Ausschreibungstexte ableiten: Faser, Kabel und Steckverbinder müssen möglichst genau beschrieben sein, der Planer sollte nicht nur auf Normen verweisen, sondern genau die geforderten Leistungswerte für einzelne Parameter aufführen, für jede Komponente sind die geforderten Prüfverfahren und Zielwerte festzulegen. Zertifizierungen von Kabeln durch herstellerunabhängige Prüflabors können beim Durcharbeiten der Checkliste eine Hilfestellung geben. So existieren für Kabel, die das GHMT Type Approval (GHMT TA) oder das GHMT Premium Verification Program (GHMT PVP) durchlaufen haben, genaue Testvorgaben. Auf diese Weise sind die weit gefassten Normspezifikationen im Sinne der Vergleichbarkeit präzisiert. Für Auftraggeber ist es aber auch sinnvoll, vor der Ausschreibung die Soll- und Ist-Situation in Sachen Datenverkabelung von einem unabhängigen Experten analysieren zu lassen. Auch sind Handbücher zu Verkabelungskomponenten inklusive Musterausschreibungstexten lieferbar, die eindeutiger sind als das STLB-Bau. Qualität ist zu prüfen Qualität, die man nicht genau definiert und dann überprüft, ist eine unbekannte Größe und stellt somit ein nicht kalkulierbares Risiko dar, das kein verantwortlicher Planer oder Betreiber tragen muss. Gerade in hochverfügbaren Umgebungen wie in Rechenzentren, in Leitwarten, in der Produktion, in Krankenhäusern, aber auch in Weitverkehrsnetzen können solche Risiken nämlich fatale Folgen haben. Die Qualität und Leistungsfähigkeit von Verkabelungsprodukten muss detailliert und eindeutig in Ausschreibungen beschrieben sein. Es gilt zudem, die Einhaltung dieser Anforderung neutral nachzuweisen. Nur so lässt sich eine hohe Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit im späteren Betrieb erreichen. Tests auch für Meterware Waren bisher nur konfektionierte Lichtwellenleiter (Patch- und Trunk-Kabel sowie Pigtails) Gegenstand von Überprüfungen der GHMT, hat diese nun auch für die Qualifizierung von unkonfektionierten Lichtwellenleiterdatenkabeln, also der so genannten "Meterware", die nötige interne Infrastruktur entwickelt. Planer und Bauherren können somit ab sofort die neutrale Prüfung und Bestätigung der Leistungsfähigkeit auch für unkonfektionierte Lichtwellenleiterdatenkabel ausschreiben und von ihren Lieferanten einfordern. Hersteller qualitativ hochwertiger Kabel haben nun auch im LWL-Sektor die Möglichkeit, sich gegen Wettbewerber minderer Qualität abzugrenzen. Anwender sorgen mit der Ausschreibung dieser Qualitätsvorgaben für einen fairen Wettbewerb. Auch die Anbieter profitieren davon, dass die - eindeutige - Beantwortung der Ausschreibung erleichtert wird.