Der deutschen IT-Industrie fehlen die Fachkräfte? Der deutsche IT-Channel-Vertrieb kommt sogar ganz ohne IT-Experten aus. Die CRN-Kopfnuss beleuchtet die Joghurtbecher-Theorie.
Einer aktuellen Studie der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge mangelt es den Deutschen an grundlegenden Kenntnissen zur IT-Technologie. Im europäischen Vergleich sackt Deutschland von Rang vier auf Rang zehn der sachkundigsten Nationen ab. Der ewige Warnerverband BITKOM warnt also richtigerweise: Der IT-Branche fehlt es an Fachkräften!
Der eigentliche PISA-Schock folgt aber erst mit dieser Enthüllung: Wie Kopfnuss erfahren hat, wurden im Rahmen der Studie nicht etwa spielwütige Kid-Roboter und verwirrte Silver-Surfer befragt, sondern ausschließlich Beschäftigte der IT-Branche. Das führt zu einer völlig neuen Schlussfolgerung: Deutschland hat nicht nur zu wenig IT-Fachkräfte, sondern gar keine.
Die Statistikbehörde bat unter anderem das Außenvertriebsteam eines Broadline-Distributors zum Test. Diese waren aufgefordert, Excel-Tabellen zu erstellen, neue Peripherie-Geräte an den PC anzuschließen und Zip-Dateien zu extrahieren. Die Außendienstler standen, wie man hört, dann eine Weile verdattert um die Testrechner herum und stellten schließlich fest: »Das sind also die ulkigen Dinger, die wir verkaufen?«
Der deutsche IT-Vertrieb ist ja seit jeher geprägt von der Joghurtbecher-Theorie: Ein Verkäufer soll das Produkt nicht kennen, sondern verkaufen. Nur auf diese ahnungslose Weise lasse sich effektiv alles an den ahnungslosen Kunden bringen, vom Joghurtbecher bis zur Schrott-Anleihe. Im europäischen Vergleich der Verkaufstalente schneiden die deutschen ITler dann auch schon viel besser ab: Rang zwei hinter den türkischen Teppichhändlern.
Dieser Umstand führt auch zu einem fundamentalen transatlantischen Missverständnis. Nämlich immer dann wenn die US-amerikanischen IT-Waren-Hersteller ihre gescheiten Produktexperten aussenden, um deutsche IT-Verkäufer über die Eigenheiten ihrer Technologie zu belehren und am Ende Zertifikate für das erlangte Wissen auszustellen. Für die deutschen Verkäufer ist das wie früher der Musikunterricht in der Schule: Man nickt brav zum Quack-Quack des Dozenten und holt sich am Ende ein Fleißbildchen ab, auf dem dann ein eindrucksvoller Titel, wie »Gold Server Product Expert« prangt. Natürlich könnte auf dem Zertifikat ebenso gut »Gold Joghurtbecher Product Expert« stehen. Egal.