Achtung Finanzamt: Aktenordner gegen die Aufklärung
In der Oberfinanzdirektion Münster ist die Welt noch in Ordnung. Dort gehen zumeist römisch- katholische Bürgerinnen und Bürger ihren steuerlichen Pflichten noch nach traditioneller Art und Weise nach – nämlich mit Aktenordern unter dem Arm.
Aus gutem Grund, denn die Oberfinanzdirektion des westfälischen Verwaltungsstandorts weist ihre Klientel und die heimische Kreditwirtschaft darauf hin, dass elektronische Belege grundsätzlich nicht akzeptiert werden.
Das gilt sowohl für die von Banken per Mail übersendeten PDF-Dateien als auch für die im Onlinebanking von Kunden selbst ausgedruckten Abrechnungen. Die Konsequenz: Halten sich Bürger nicht an diesen Erlass, versteuern sie Kapitaleinnahmen noch einmal in voller Höhe, obwohl ihnen darauf bereits der Zinsabschlag abgezogen wurde.
Diese Vorgehensweise erstaunt nun alle Bürger, die die elektronisch-digitalen Ambitionen des Bundes und der Steuerverwaltungen aller Länder für fortschrittlich halten. Unter dem neumodischen Begriff E-Government verstehen diese Behörden im weiteren Sinn »die Vereinfachung und Durchführung von Prozessen zur Information, Kommunikation und Transaktion innerhalb und zwischen staatlichen Institutionen sowie zwischen diesen Institutionen und Bürgern und Unternehmen durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien«.
Eine derart ausgefeilte Befreiungsstrategie vom Amtsstubenstaub vergangener Jahrhunderte erscheint der Oberfinanzdirektion Münster als geradezu ketzerischer Angriff auf ihre natürliche Behördenordnung. Eine leidliche Herausforderung, der sich die westfälische Direktion aber schon einmal siegreich stellte – bei der Einführung der elektronischen Steuererklärung, auch ELSTER genannt. Nachdem man zunächst ortsansässige Ornithologen vergeblich zu Rate gezogen hatte, entdeckte man glücklicherweise eine Gesetzeslücke und entschied sich für die sofortige Abschaffung aller Computer. Münster also weiterhin ein vogelfreier Raum, dem Oberfinanzpräsidenten sei’s gedankt.
Der Widerstand gegen heidnische Bevormundung spiegelt sich übrigens auch in der Adresse des altehrwürdigen Amtes wider – Andreas-Hofer-Straße 50. Der Tiroler Freiheitskämpfer kämpfte erbittert gegen die Truppen Napoleons und die Reformen der bayrischen Herrscher. Seine Aufstandsbewegung richtete sich dabei nicht nur gegen Besatzung und Fremdherrschaft, sondern war auch ein antimoderner Kampf gegen die Ziele der Aufklärung.
Dabei rechtfertigten gerade die massiven Eingriffe in das Beamtendasein – pardon religiöse Leben – den Kampf des Klerus und der einfachen Bevölkerung. Dem Westfälischen Frieden sei Dank hat die Oberfinanzdirektion Münster schon vor langer Zeit die Waffen gestreckt und einen gänzlich pazifistischen Weg des Widerstandes gefunden.