Alles SOA?

8. Juni 2006, 0:00 Uhr | Werner Fritsch
Werner Fritsch

Alles SOA?. Das Konzept einer serviceorientierten Architektur (SOA) bringt Software-Infrastrukturen ins Rampenlicht. Den Applikationsriesen SAP macht es zu einer fortschrittlichen Software-Schmiede. In der Vergangenheit hat dieser Hersteller ...

Alles SOA?

Das Konzept einer serviceorientierten Architektur (SOA) bringt Software-Infrastrukturen ins Rampenlicht. Den Applikationsriesen SAP macht es zu einer fortschrittlichen Software-Schmiede. In der Vergangenheit hat dieser Hersteller betriebswirtschaftliche Funktionen mit Liebe zum Detail, aber alt­backenen Werkzeugen implementiert. Den Anbieter Microsoft, berüchtigt für Software, die Kunden bindet und Wettbewerber aussperrt, bringt SOA auf
Standard-Kurs: In der neuen Windows-Version wird eine profunde SOA mit Web-Service-Standards verankert.
Fundamental neu ist SOA indes nicht. Diese Architektur stützt sich vielmehr auf Konzepte, die seit Jahrzehnten zum Grundbestand der Entwicklung guter Software für die Unternehmen zählen: Modularisierung und die Unterstützung geschäftlicher Aufgaben. Die für SOA kennzeichnende verteilte Datenverarbeitung wurde bereits vor mehr als zehn Jahren im Rahmen von Corba exakt formalisiert. Während jener Ansatz freilich auf der Ebene programmiersprachlicher Objekte angesiedelt ist, erlaubt SOA eine höhere Abstraktionsebene. Nicht zuletzt ermöglichen Web Services eine herstellerübergreifende Standardisierung.
SOA ist auf dem besten Weg, zum dominierenden Paradigma der Software-Entwicklung zu werden. Wiederverwendung und flexible Kombination von Bausteinen zu neuen Anwendungsprogrammen sind attraktiv. Die Geschäftsprozesse lassen sich rascher
anpassen, weil die unterstützenden Programme schneller geändert werden können. Unter dem Strich winken den Unternehmen Agilität und die Fähigkeit, sich bietende Chancen leichter zu nutzen.
Für eine SOA wird ein Repository gebraucht, das die verfügbaren Services enthält, ferner eine Ablaufumgebung sowie Software für Integration und Orchestrierung im Einklang mit den Geschäftsprozessen. Die Software-Hersteller müssen SOA-Konzepte in
ihren Werkzeugen, Infrastruktur- und Anwendungsprogrammen unterstützen. Und sie sind auf einem guten Weg dorthin: von IBM und Sun über Oracle und SAP bis zu
Microsoft. Für ein Anwenderunternehmen ist eine SOA trotzdem kein Produkt, das es einfach kaufen kann. Vielmehr gilt es, eine maßgeschneiderte SOA für die geschäftlichen Anforderungen des Unternehmens aufzubauen. Neben der Software-Technik ist die Organisation betroffen und auch die Fachseite, wie unsere Titelgeschichte zeigt.
Durch die flexible Kombination von Services zu komplexeren Anwendungen verschwimmen die Grenzen zwischen Individual- und Fertig-Software. Web-Service-Standards ermöglichen im Prinzip die Kombination von Bausteinen verschiedenster Herkunft ? sofern die großen Hersteller nicht doch noch proprietäre Schranken aufbauen, um ihre Kunden fester an sich zu binden.
Dienstleister raten nicht selten dazu, die Web-Service-Standards nicht so wichtig zu nehmen. Irgendwie serviceorientiert zu arbeiten reiche auch und sei vielleicht sogar
besser. Diese vermeintlich realistische Sicht hilft möglicherweise, kurzfristig an Aufträge der Anwender zu kommen. Doch wer meint, auf die Neustrukturierung von Software-Systemen und die Implementierung von Standards verzichten zu können, wird am Ende dastehen wie der Kaiser in seinen neuen Kleidern.

Dr. Werner Fritsch (werner.fritsch@informationweek.de)


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