CRN-Kopfnuss

Ausgetüftelt: Eingeschneit im Nasenkino

29. April 2015, 14:42 Uhr |
© Fotolia/Javier Brosch

Das Kino muss sich etwas einfallen lassen, um im Konkurrenzkampf mit dem Heimkino zu bestehen. Der neue 4D-Foltersessel könnte für einen wichtigen Vorsprung sorgen.

Während sich 3D in der Filmwelt allmählich durchsetzt, kündigt sich mit der 4D-Variante bereits der nächste Top-Trend für Leinwand-, Bildschirm und Röhrengucker an. Natürlich geht es dabei nicht um die eher komplexe physikalische Vorstellung von einer vierten Dimension - die Marketing-Experten der Filmindustrie wollen einfach nur versichern: »4D ist eins besser als 3D.« Der Terminus lässt sich künftig problemlos auf 5D oder 6D upgraden und klingt natürlich besser als »Nasenkino«.

Denn darum geht es im Kern: Filme sollen nicht nur Augen und Ohren, sondern auch weitere Sinne ansprechen. Vor allem mit Begleit-Gerüchen experimentierten Theater- und Filmemacher bereits seit einigen Jahrzehnten, was der Bewegung den drolligen Namen einbrachte. Theaterregisseur Max Reinhard soll beispielsweise schon Anfang des 20 Jahrhunderts einer »Sommernachtstraum«-Inszenierung mit dem Versprühen von Waldduft-Spray im Theater mehr Authentizität verliehen haben. Auch im Kino wurden Zuschauer versuchshalber von eifrigen Tüftlern mit Parfüm- oder Kot-Gerüchen in die olfaktorische Aufnahmebereitschaft versetzt.

Der Programmierer CJ 4DPlex geht noch einen Schritt weiter: Auf der Branchenmesse CinemaCon stellt die Firma ein Effekte-Paket vor, dass die Zuschauer die Darstellung mittels wackelnder Sessel, Duftzuführung, Lichteffekte oder eben Regen und Schnee sinnlich umfassend miterleben lässt. Anschaulich führt das eine Werbespot einer Firma vor: Bei einer Action-geladenen Autoverfolgungsjagd rast da ein Zuschauer in seinem Kinosessel einfach mit den Wagen durch die Straßen der Stadt und lässt sich den Fahrtwind, Pistolenkugeln und während der finalen Karambolage allerlei Splitter um die Nase wehen.

Die Technologie soll Kinopaläste für die Konkurrenz mit den Heimkino-Anbietern rüsten. Natürlich wird der Trend aber erst dann richtig abheben, wenn erste Systeme für den Hausgebrauch bereit stehen. Für den Zuschauer freilich gilt es dann, das Filmangebot klug zu sondieren: Im 4D-Folterstuhl wird der Untergang der »Titanic« zu einem nassen Vergnügen, die »Eiskönigin« zur sehr frostigen Angelegenheit und wie es in der Höhle von »Alien« riecht, will man dann auch nicht mehr wissen.

Unbeirrt davon werkelt der westfälische Gerätepionier Wortmann, wie wir erfahren haben, bereits an einer solchen Rundumguck-Sesselserie. Allerdings beschränkt man sich auf das vergleichsweise beschauliche deutsche TV-Programm: Die Zuschauer können dann Derrick durch die Straßen München-Grünwalds, die Kanäle Venedigs oder die Wälder Schwedens (wo Derrick dann Donna Leon bzw. Kurt Wallander heißt) begleiten. Der Wortmann-Sessel beschränkt sich dabei auf ein gleichmäßiges Wiegen und überführt den deutschen Zuschauer sanft in seinen geliebten Samstagabend-Schlaf auf der Fernsehcouch.


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