Belauscht: Ahnenforschung im digitalen Zeitalter
Die Erforschung des eigenen Stammbaums war früher eine zähe Sache. Ungezählte Stunden haben Hobby-Ahnenforscher in staubigen Archiven zugebracht, um kleinste Kleinigkeiten herauszufinden.
Dank Internet und WLAN kann man den Vorfahren inzwischen ganz bequem vom Wohnzimmertisch aus auf die Spur kommen.
Zumindest in Großbritannien hat sich das Geschäft mit der Stammbaumforschung per Mausklick dabei offenbar schon zu einer beträchtlichen Einnahmequelle gemausert. In dreijähriger Arbeit hat der britische Ahnenforschungsdienst Ancestry.co.uk den Bestand aller britischen Telefonbücher von 1880 bis 1984 digitalisiert. Für schlappe 9,95 Pfund im Monat erhält der Hobby-Genealoge so nicht nur Auskunft über Namen und Adressen seiner Vorfahren, sondern – besonders wichtig, um Lücken im Stammbaum zu schließen – auch über deren Telefonnummern. Erreichen wird man unter der Nummer wohl niemanden mehr. Aber vorsichtshalber kann der gewissenhafte Ahnenforscher die Nummer schon einmal im Handy speichern. Vielleicht bietet die Technik ja eines Tages Möglichkeiten, mit den eigenen Vorfahren zu telefonieren.
Getrieben von diesem Vorbild mehren sich nun auch in Deutschland die Zeichen, dass man die Online-Ahnenforschung als Einnahmequelle entdeckt hat – und das sogar zu Gunsten der Allgemeinheit. Das kürzlich verabschiedete Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eröffnet zumindest für unsere Nachfahren ungeahnte Möglichkeiten. Zwar mag das Gesetz in seiner heutigen Fassung noch unzureichend sein. Der Kopfnuss ist jedoch zu Ohren gekommen, dass Finanzminister Peer Steinbrück unter seinen Ministerkollegen bereits eine Neufassung zur Sprache gebracht hat. Der Minister möchte nicht nur schwere Straftaten speichern, sondern alle Telefon- und Internetdaten – zeitlich unbefristet auch und vor allem von Otto Normaltelefonierer. Mit diesem Vorstoß glaubt der Finanzminister – so der Informationsstand der Kopfnuss – endlich einen Weg gefunden zu haben, den Staatshaushalt zu sanieren, ohne den Bürgern all die lästigen Steuererhöhungen und Subventionskürzungen unterjubeln zu müssen. Wenn die Leute 9,95 Pfund bezahlen, um die Telefonnummer ihrer Vorfahren zu erfahren, mag er sich gedacht haben, welche Summen würden sie dann erst investieren, um das Liebesgeflüster der Urgroßeltern zu belauschen?