Buyers Guide: Kabeltester für LAN-Verkabelungen

Bereit für Gigabit-Speed

26. September 2007, 10:41 Uhr |

Ohne Messprotokoll aus einem hochwertigen Kabelscanner nimmt heute kein Unternehmen sein frisch installiertes Netzwerkkabel ab. Die tragbaren Testgeräte treffen klare Aussagen, ob eine Verbindung den Grenzwerten entspricht, und helfen bei der Fehlersuche.

Der Wunsch, die Parameter einer technischen Anlage zu kennen, ist so alt wie die Technik selbst. Schon immer folgten jeder neuen Technologie entsprechende Messgeräte auf dem Fuße, das war bei der elektrischen Leitung nicht anders als heute bei modernen Kabelsystemen für lokale Netzwerke. Was sich geändert hat, sind die Anforderungen an die Messgeräte. Zum einen sind die Ansprüche an die Genauigkeit heute weit größer als früher, zum anderen muss ein aktueller Kabelscanner in Messbereiche vordringen, die früher ausschließlich teurer Labormesstechnik vorbehalten waren. Dazu kommen noch grafische Darstellungen der Messwerte und die Berechnung von einzelnen Messwerten direkt im Gerät. Die Rechenpower der kleinen, tragbaren Kabelscanner kann es heute fast schon mit einem Desktop-PC aufnehmen. Und immer noch dreht sich die Leistungsspirale weiter, neue Standards kündigen sich an und legen die Messlatte höher. Kategorie 7 ist bereits verabschiedet und wird stellenweise eingesetzt, Kategorie 6a stößt in ähnliche Frequenz- und Genauigkeitsbereiche vor. Allerdings sind selbst für Gigabit-Ethernet-Anwendungen immer noch Cat-Verkabelungen mit ihren vor Jahren definierten Grenzwerten ausreichend. Doch neue Entwicklungen, im Labor laufen bereits 100-GBit/s-Netze, sprengen mit Sicherheit den Rahmen der bislang üblichen Kabelsysteme. Schon 10-GBit/s-Ethernet wird erheblich höhere Anforderungen an Kabel, Stecker, Buchsen und damit auch die Testgeräte stellen. Natürlich müssen auch die Messgeräte nachziehen.

Schwierige Beurteilung

Die Zeiten, als man nach der Installation gerade mal die Länge des eingezogenen Kabels und dessen Verdrahtung prüfte, sind passé. Heute kommt es neben den offensichtlichen physikalischen Para metern weit mehr auf weniger augenfällige Merkmale an. Rückflussdämpfung, ELFEXT, Signalverzögerung – Fremdwörter für einen älteren Scanner – gehören mittlerweile zum Standard. Der Aufgabenbereich ist gewachsen, die Anforderungen an Genauigkeit und Messbereich ebenso. Was die Kaufentscheidung für den Kunden schwierig macht, ist der derzeitige Stand der Dinge bei den Kabelstandards. Kategorie 6 und 7 sind abgesegnet, bei Neuinstallationen kommt durchweg mindestens Kategorie 6 zum Einsatz. Allerdings änderte sich auch das Beurteilungsmodell der installierten Kabel vom Basic-Link zum Permanent-Link oder Channel. Permanent-Link (PL) bezieht den Teststecker am Ende des Messkabels und die Wandbuchse der eigentlichen Verbindung in die Messung ein, nicht jedoch die Messkabel. Das Kunststück, den entsprechenden Bereich der Messleitung aus dem Ergebnis auszuklammern, gehen die Hersteller mit verschiedenen Strategien an. Einige Firmen vertreten die Ansicht, dass hochwertiges Kabelmaterial für die Messleitungen keinen spürbaren Einfluss auf das Ergebnis hat, und kompensieren zusätzlich durch Schaltungstechnik schädliche Einflüsse. Andere Anbieter treiben hohen technischen Aufwand. Sie haben einen normierten Stecker konstruiert, der immer genau im Mittelfeld des engen, zugelassenen Toleranzbereichs liegt und mit einer speziellen Verbindungsleitung angeschlossen ist. Dadurch sollen sehr genaue und reproduzierbare Messungen nach Permanent-Link möglich sein.

Derzeit ist die Situation weitgehend unkritisch. Da selbst Gigabit-Anwendungen mit den hohen Toleranzbereichen von Cat-Installationen zurechtkommen, sind Abweichungen auf Grund von Messungenauigkeiten kein Problem. Schwierig wird es erst, wenn mit 10-GBit/s-Ethernet die Toleranzbereiche ausgereizt und weit höhere Genauigkeiten vom Kabeltester verlangt werden. Die bisher eingesetzte Genauigkeitsklasse Level III wird dann durch den, noch nicht verabschiedeten, Level IV ersetzt. Bislang ist kein Kabeltester auf dem Markt, der diesen Genauigkeitswerten für den vollen Frequenzbereich bis zu 600 MHz entsprechen würde. In diesem Zusammenhang ist die Fähigkeit der Kabeltester, über Software-Upgrades auf den neuesten Stand zu kommen, ein wichtiges Entscheidungskriterium. Doch die Anforderungen von Level IV dürften nur durch Änderungen an der Hardware möglich sein. Ein Rücknahme-/Upgrade-Angebot des Herstellers sollte beim Kauf also berücksichtigt und in Anspruch genommen werden, wenn man absehen kann, dass die Cat6a- oder Cat7-Zertifizierungen bald anstehen. Heute kein Thema mehr: die Beurteilung von Glasfaserkabeln über zusätzliche Messadapter zum Aufstecken. Die Zeiten, in denen ein eigenes Gerät dafür notwendig war, sind vorbei.

NEXT, ELFEXT und andere Genossen

Um eine Kabelstrecke auf ihre Grenzwerte hin zu überprüfen, ist heute eine ganze Reihe von Parametern zu berücksichtigen. Das fängt bei den rudimentären Dingen an: Länge, Anschlussbelegung und Durchgangswiderstand müssen stimmen. Darüber hinaus gibt es ein paar Parameter, die schon seit langem, egal für welchen Kabeltypen, gemessen werden. Die Dämpfung gehört dazu und gibt an, wie stark das ursprünglich gesendete Signal vom Kabel abgeschwächt wird. NEXT (Near-End-Crosstalk) gehört ebenfalls zu den grundlegenden Messungen. Der Wert gibt die Beeinflussung des Signals auf ein Aderpaar durch ein anderes Aderpaar an. Im Gegensatz zu NEXT, dass am nahen Ende des Kabels gemessen wird, bestimmt man mittlerweile auch ELFEXT (Far-End-Crosstalk) am entfernten Ende des Kabels. Und weil moderne Netzwerktechnologie wie GigaBit-Ethernet auf allen vier Paaren gleichzeitig senden und empfangen, beeinflussen sich alle Paare gegenseitig. Der dazugehörende Messwert heißt Power-Sum-NEXT (PSNEXT) oder Power-Sum-ELFEXT (PSELFEXT). Er wird rechnerisch aus den gemessenen NEXT/ELFEXT-Werten für jedes Paar ermittelt. Ebenfalls als Konsequenz aus der gleichzeitigen Nutzung aller Paare wird nun die Signallaufzeit gemessen. Weichen die Laufzeiten eines Paares deutlich von denen der anderen Paare ab, schaffen es Netzwerkkarte oder Hub nicht, zusammengehörende Signale wieder zu kombinieren. Ermittelt wird die höchste Abweichung zwischen zwei Paaren, sie muss unter 50 Nanosekunden liegen.

Damit nicht genug. Ein neuer Parameter namens Return-Loss beschäftigt sich mit den Reflexionen auf einer installierten Kabelstrecke. Je höher die Frequenzen, desto stärker fallen Impedanzübergänge, beispielsweise zwischen Buchse und Patchkabel, ins Gewicht. Die dabei entstehenden Reflexionen wirken sich negativ auf das Nutzsignal aus, darum sollte der Return-Loss so gering wie möglich sein.

Schwerpunkt auf Handhabung

Messgenauigkeit allein genügt nicht. Kabeltester sind tragbare Test- und Prüfgeräte, sie müssen einen, möglicherweise rauen, Arbeitstag durchstehen und zudem einfach und logisch zu bedienen sein. Wichtigste Voraussetzung: genügend Akkulaufzeit für mindestens einen kompletten Arbeitstag. Normalerweise wird der Tester am Abend wieder an die Steckdose zum Aufladen gehängt, im besten Fall steht er mehrere Tage ohne Nachladen durch. Sinnvoll sind auch Wechselakkus oder handelsübliche Batterienformen, um dem Gerät schnell neue Energie einzuhauchen. Nicht zu groß, nicht zu schwer und handlich sollte der Kabeltester auch sein. Im Schnitt bewegen sich zurzeit alle Geräte bei etwa 1 Kilogramm. Ebenso essenziell für die einfache Bedienung ist ein ausreichend großes, gut lesbares Display, auf dem auch Grafiken ohne Lupe zu erkennen sind. Diese Anforderung läuft natürlich der Batterielaufzeit entgegen, deshalb sollte man sich vorher entscheiden, ob und wie oft Grafiken für den Arbeitsalltag notwendig sind. Wichtigstes Element zur Bedienung ist der Schalter für den Autotest. Damit startet man die gesamte Testreihe, deren Ergebnis über das Bestehen der Kabelstrecke entscheidet. Zeit ist Geld, je schneller das Gerät die Messreihen absolviert, desto mehr Tests sind an einem Arbeitstag möglich. Danach müssen die Tests abgespeichert werden, möglichst schnell und mit eindeutiger Bezeichnung. Auf dem eingeschränkten Tastenfeld des Kabelscanners findet aber keine komplette alphanumerische Tastatur Platz, darum sind die Hersteller auf mehr oder weniger elegante Lösungen verfallen. Einige blenden ein Alphabet im Display ein, auf dem das gewünschte Zeichen mit Pfeiltasten gesucht wird, andere belegen die Tasten, ähnlich vielen Handys, mehrfach mit Zahlen und Buchstaben. Auch Varianten mit Touch-Screen sind mittlerweile verfügbar. Hier entscheidet der Kunde mit seinen persönlichen Präferenzen.

Oft denkt man erst zum Schluss daran, aber alle Messwerte einer Installation müssen als Protokoll zur Verfügung stehen, zur Not auch noch Jahre nach dem Verlegen. Die Kabeltester besitzen zwar interne Speicher für einige Hundert bis zu einigen Tausend Messreihen, sinnvollerweise lagert man die Messwerte aber nach der Installation auf den PC aus. Vor allem deshalb, weil viele Scanner meist nur die Eckdaten der Messung speichern, Grafiken und Messwerte an allen Frequenzen gehen beim nächsten Test verloren. Dazu baut jeder Hersteller eine serielle Schnittstelle in seinen Scanner ein, immer öfter findet man auch eine USB-Schnittstelle. Der schnellen Variante USB sollte man in jedem Fall den Vorzug geben, wenn das Gerät stark genutzt wird und häufig große Datenmengen zu übertragen sind. Ebenfalls fast schon Usus: Slots für Speicherkarten. Meistens wird eine Multi-Media-Card (MMS) eingesetzt. Vorteil: Die Karten sind preisgünstig im Fachhandel erhältlich und erweitern den internen Speicher der Geräte schnell um einige Dutzend oder Hundert MByte.

Große Unterschiede

Deutlich unterscheidet sich die Software zum Transfer und zur Bearbeitung im PC bei den verschiedenen Herstellern von einander. Der Funktionsumfang variiert stark: während die Software bei einigen Systemen ein komplettes Verwaltungsprogramm für Anzeigen, Archivierung und Auswertung der Messreihen darstellt, bauen andere Hersteller nur rudimentäre Funktionen für den Transfer der Daten zum PC ein. Nahezu immer ist eine Premium-Version der Software optional erhältlich. Ein Vergleich vor dem Kauf lohnt sich also. Und wer die Messergebnisse vor Ort mit einem Drucker protokollieren möchte, sollte darauf achten, dass gebräuchliche Druckertreiber wie HPs Laserjet in den Kabeltester implementiert sind, sonst erscheint nur Buchstabensalat auf dem Papier. Allerdings dürfte heute der Weg zunächst zum Notebook und dann weiter zum Drucker führen. Das Thema Druckertreiber hat sich damit weitgehend erledigt. Wer Wert darauf legt, findet weiteres Zubehör in den Verpackungen der Kabeltester. Headsets zur Verständigung zwischen Haupt- und Remote-Gerät über die getestete Kabelstrecke sind ebenso dabei wie Kalibrieradapter, Ersatzmessleitungen und andere Tools. Elmar Török


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