Beschwerden als Chance

20. Januar 2007, 10:21 Uhr |

Beschwerden als Chance Kunden, die sich beschweren, gelten als unangenehm. Mit einem IT-gestützten Beschwerde-Management können Unternehmen jedoch nicht nur das ursprüngliche Problem lösen, sondern auch die Kunden an sich binden.

Im Zeitalter einfacher Vergleiche über das Internet spielt für Banken und Versicherungen die Kundenbindung eine große Rolle. Oft geht es um heikle finanzielle Angelegenheiten. Ein Kunde, der feststellt, dass man ihn bei Beschwerden ernst nimmt, wird nicht so leicht zu einem Wettbewerber wechseln. Zudem erhalten die Unternehmen wertvolle Rückmeldungen für die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen.

Automatisierte Workflows
Zur Einrichtung eines IT-gestützten Beschwerde-Managements gibt es keinen Königsweg, denn Systeme und Prozesse müssen auf die Bedürfnisse des Unternehmens ausgerichtet werden. In jedem Fall möchte der Kunde schnell und gut bedient werden – unabhängig davon, ob er sich per Telefon, Fax, E-Mail über das Internet, persönlich oder per Brief meldet. Klare Arbeitsabläufe wie die Festlegung von Service-Prozessen sowie zeitliche Grenzen sind Voraussetzungen für den Erfolg. Gewährleisten können dies automatisierte Workflows, die für eine reibungslose Abfolge der Bearbeitungsschritte sorgen. Meist nehmen Call Center, E-Mail-Response-Management- oder Internet-Self-Service-Systeme die Beschwerden entgegen. Beschwerden, die per Fax oder Brief eingehen, kann ein Scan-Dienstleister in Dateien umwandeln. Gute Dienste kann eine Multi-Channel-Lösung dabei leisten, Anfragen aus den unterschiedlichen Kommunikationskanälen zu verwalten und an die zuständigen Mitarbeiter weiterzuleiten. Dabei sollten alle Anfragen mit einem integrierten System beantwortet werden. Erfahrungen aus einem Kanal lassen sich zur Optimierung der Antworten in einem anderen nutzen. Um bei ähnlichen Beschwerden nicht doppelten Aufwand zu betreiben, empfiehlt sich der Einsatz einer Lösungsdatenbank, die vorgefertigte Antworten oder Textbausteine enthält, mit denen etwa Call-Center-Agenten schnell und einfach reagieren können. So können Banken zum Beispiel die vielen Beschwerden rund um Phishing-E-Mails mit geringem Aufwand bearbeiten, verärgerte Kunden beruhigen und gleichzeitig das Risiko aufzeigen, das von diesen E-Mails ausgeht. Mit vorgefertigten Textbausteinen wird außerdem die Corporate Identity gewahrt. Ein halbautomatisches E-Mail-Response-Management-System kann diese Prozesse noch unterstützen. Hierbei werden mit Hilfe moderner Sprach-Software die Inhalte einer Nachricht erkannt und mögliche Antworten einem Call-Center-Agenten automatisch vorgeschlagen. Integration mit einem CRM-System erschließt weitere Vorteile. Mitarbeiter aus dem Beschwerde-Management können zum Beispiel sofort die Kundenhistorie einsehen: Wie eng ist der Kunde mit dem Institut verbunden? Wie wichtig ist er für das Unternehmen? Wie hoch ist das Risiko, dass er zu einem Konkurrenten abwandert?

Bessere Produkte und Services
Nicht zuletzt hilft das Beschwerde-Management bei der Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen. Mit Analysewerkzeugen in Business-Intelligence-Lösung können Unternehmen die Gründe der Beschwerden und Reklamationen auswerten. Welche Produkte bereiten Probleme? Welche Services sind noch nicht ausgereift, und wie reagieren Kunden mit unterschiedlichen Profilen auf die verschiedenen Angebote? Die Analyseergebnisse können dann überdies Marketing-Mitarbeitern helfen, Kunden gezielter anzusprechen. Und noch einen weiteren Nutzen können IT-Systeme für das Beschwerde-Management bieten: Beschwerden im Banken- und Versicherungssektor sind an der Tagesordnung, externe Anlaufstellen für unzufriedene Kunden sind der Ombudsmann oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Mehr als 22000 Kunden von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten sowie Versicherungsunternehmen wandten sich im Jahr 2005 an sie. Die Unternehmen wollen das Einschalten der BaFin oder des Ombudsmanns als externe Kontrollinstanzen nach Möglichkeit vermeiden. Denn sonst droht negative Publicity: Beide Instanzen veröffentlichen in ihren Jahresberichten Statistiken über die Beschwerden pro Institut. Um hier so selten wie möglich in Erscheinung zu treten, muss das eigene Beschwerde-Management-System gut in Schuss sein. Der Kunde wählt meist den einfachsten Weg, um seinem Unmut Luft zu machen. Es liegt an den Instituten, ob dies in der eigenen Beschwerde-Abteilung geschieht oder bei Dritten.

Dr. Winfried Materna ist Geschäftsführer des Dortmunder IT-Dienstleisters Materna.


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+