Compu-Shack wird in Ingram Micro integriert. Bis zum Jahresende will Ingram-Micro-Holding-Chef Michael Kaack die Integration der Netzwerk-Tochter Compu-Shack in die Ingram Micro vollzogen haben. Im Gespräch mit CRN geben Kaack und Gerhard Schulz, Sprecher der Ingram-Geschäftsführung, weitere Details zur Restrukturierung bekannt.
Der Abschied von Compu-Shack in der bisherigen Form ist ein Abschied mit Ansage. Denn nachdem Michael Kaack im Dezember vergangenen Jahres die Restrukturierung bei der Netzwerk-Tochter Compu-Shack selbst in die Hand genommen hatte, war klar: Den Spezialdistributor wird es künftig in dieser Form nicht mehr geben. Nun ist der strategische Fahrplan vorgezeichnet: Das gebeutelte Neuwieder Unternehmen Compu-Shack wird als Ingram Micro Networking Services Division in Ingram Micro integriert und konzentriert sich auf den Vertrieb von High-End-Netzwerkprodukten. »Der Bereich betreut damit mehrere Hundert Kunden, die sich gezielt auf dieses Segment spezialisiert haben«, schätzt Schulz.
Schon im März wurde bekannt, dass die Compu-Shack Production verkauft werden soll (CRN berichtete in Heft 12 auf dem Titel). »Der Bereich hat nicht die erwarteten Zahlen erwirtschaftet«, räumt Kaack ein und Ingram-Geschäftsführer Schulz ergänzt: »Die Produktion ist ohnehin keine Kernkompetenz eines Distributors«. Außerdem wurde Compu-Shack bereits zu Anfang April auf das Ingram-EDV-System »Impulse« umgestellt. Somit konnte »der gesamte Bereich Massenprodukte logistisch auf die Ingram Micro umgeleitet werden«, erklärt Kaack. Logistische Kapazitäten am Compu-Shack-Standort Neuwied würden durch die Integration in die Broadline-Muttergesellschaft überflüssig, schließlich besitze Ingram Micro in Straubing ein Logistikzentrum auf dem modernsten Stand.
In der Münchner Kistlerhofstraße, beim Gespann Tech Data/Azlan, wundert man sich über diese Umstrukturierungen nicht wirklich: »Die Frage ist doch, ob Compu-Shack zuletzt wirklich noch ein echter VAD war oder in den vergangenen Jahren das Fulfillment nicht langsam die VAD-Leistungen überwog«, gibt etwa Azlan-Geschäftsführer Erich Glaeser zu bedenken.
Vertrieb, Produktmanagement sowie Support und Consulting verbleiben am Standort Neuwied. Alle Backoffice-Funktionen werden jedoch bei Ingram Micro gebündelt. Kaack erwartet durch Verschmelzung doppelt vorhandener Abteilungen erhebliche Kosteneinsparungen. Die Anzahl der Mitarbeiter werde im Rahmen der Integration von deutlich über 200 auf etwa 100 sinken. »Wir müssen in allen Bereichen abbauen«, bedauert der Ingram-Micro-Holding-Chef. So soll etwa der gesamte Trainingsbereich an einen externen Dienstleister abgegeben werden. Die Ingram-Micro-Führung geht aber davon aus, künftig mit den eigenen Schulungsexperten ? dann als Angestellte des Dienstleisters ? wieder zusammenarbeiten zu können. Das »cs:Mall24«-Angebot von Compu-Shack wird es zunächst nicht mehr geben. Letztlich sei das innovative, aber sehr komplexe Tool nicht so gut angekommen wie der »Superstore«-E-Shop für Reseller, erklärt Schulz. Es gebe aber Überlegungen bei Ingram Micro, das Angebot zu übernehmen.
Die Hersteller-fokussierten Vertriebsteams der Compu-Shack sollen erhalten bleiben. Die Bedürfnisse der großen Partner, wie etwa Nortel Networks, das mit vier Mitarbeitern im Produktmarketing und vier im Sales in Neuwied vertreten ist, dürften so auch weiterhin zufrieden gestellt werden. Nortel profitiert sogar von den verstärkten Anstrengungen, die in Neuwied im Security-Segment unternommen werden sollen, kommt demnächst doch noch ein Security-Spezialist zu dem bisherigen Team dazu.
Dass treue Compu-Shack-Kunden sich nun nach einem neuen Spezialdistributor umsehen werden, glauben Kaack und Schulz nicht: »Die Leistung unseres Netzwerkbereichs wird durch die Integration besser werden«, versichert Kaack. »Hersteller wie Kunden der Compu-Shack werden von den Ingram-Micro-Tools profitieren«. Der High-End-Support bleibe demnach erhalten, zusätzlich profitierten die Partner aber von der optimierten Logistik und vereinfachten Back-Office-Funktionen.
Diese Meinung teilen jedoch nicht alle Marktteilnehmer. So konnte ein Netzwerkdistributor etwa innerhalb der vergangenen zwei Monate bereits einen deutlichen, sonst so nicht üblichen Kundenzuwachs verzeichnen. Auch einige Hersteller stellten in ihren Verkaufsstatistiken Unregelmäßigkeiten fest: Andere Distributoren hätten teilweise die Umsätze realisiert, die bei Compu-Shack weggefallen sind. Nichts dramatisches, aber durchweg im unteren zweistelligen Prozentbereich ? so das einhellige Urteil der Hersteller.
»Auch viele Spezialdistributoren leiden unter dem Preis- und Margenverfall, der vor hochwertigen Lösungen nicht Halt macht«, meint Kaack. Die nun umgesetzte Prozessoptimierung erlaube Ingram ein wettbewerbsfähiges Pricing. »Wir können als Broadliner mit VAD-Kompetenz für unsere Lieferanten den gesamten Lebenszyklus eines Produkts von der High-End-Lösung bis hin zum Commodity-Artikel abbilden«, versichert Schulz. Deshalb suchten die Hersteller auch bei erklärungsbedürftigen Produkten verstärkt die Zusammenarbeit mit dem Broadline-Distributor.
Das Disti-Doppel Azlan/Tech Data hält diese Prozesse dagegen streng auseinander: »Wir halten an unserer Zwei-Kanal-Strategie fest: Value bei Azlan, Volume bei Tech Data. Denn die Vertriebsmentalität des Broadliners ist eine völlig andere und würde den Value Add untergraben.«
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Die exakte Positionierung der Networking Services Division innerhalb der Ingram Micro Distribution GmbH steht bisher noch nicht fest. Der bisherige Geschäftsführer Vertrieb von Compu-Shack, Ulrich Hess, verlasse das Unternehmen auf eigenen Wunsch. Thomas Veit, bislang Geschäftsführer Produktmarketing bei Compu-Shack, soll laut Firmenmitteilung die Integration des Bereichs und die Verlegung des Europa-Geschäfts in das europäische Headquarter betreuen. Dort soll das Beschaffungsmanagement für Cisco-Produkte gebündelt werden. Künftige Leiter der Ingram Micro Networking Services Division sind Thomas Groß (Vertrieb) und Udo Neukirchen (Produktmanagement). Beide waren bereits vorher bei Compu-Shack.