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Dell will es jetzt wissen

Dell will es jetzt wissen. Der Direktvermarkter blieb in Deutschland bislang weit hinter seinen eigenen Vorgaben zurück. Jetzt soll mit einem neuen Vertriebs- und Service-Zentrum in Halle Boden gutgemacht werden. Darüber hinaus plant der Anbieter, mit einer neuen Service-Suite das Dienstleistungs-Geschäft auszubauen ? diesmal offiziell in Zusammenarbeit mit IT-Systemhäusern.

Autor: Markus Reuter • 11.5.2005 • ca. 3:25 Min

Dell will es jetzt wissen

Dell hat in Deutschland ein Problem: Der weltweite PC-Marktführer rangiert hierzulande mit einem Marktanteil von 7,8 Prozent nur auf dem fünften Rang ? weit hinter den Konkurrenten Fujitsu Siemens (18,9 Prozent), Acer (9,8 Prozent), Medion und Hewlett-Packard (beide 9,7 Prozent). Damit können die Texaner ? entgegen den ständigen Beteuerungen von einem »hochprofitablen Deutschland-Geschäft« ? nicht zufrieden sein. Schließlich war es kein Geringerer als Firmengründer Michael Dell, der im Dezember 2003 die Losung ausgab, die deutsche Marktführerschaft erreichen zu müssen. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir auch in Deutschland die Nummer eins werden«, erklärte Michael Dell damals (CRN Online vom 19.12.2003). Zeit ist zwar relativ, doch der Hersteller hat sich seitdem kaum von der Stelle bewegt. Vor fünf Jahren rangierte Dell ebenfalls auf Rang fünf, wenngleich auch mit einem etwas niedrigeren Marktanteil von rund vier Prozent. So war es nicht weiter erstaunlich, dass die Branche zu spekulieren begann, Dell würde sein erprobtes Direktmodell hier zu Lande aufweichen und den Weg über den Partnervertrieb suchen. Sogar ein Two-Tier-Modell über die Distribution soll im Gespräch gewesen sein (siehe CRN 04/05). Der Hersteller dementierte zwar umgehend, doch die Gerüchte hielten sich. Wie von CRN vorab gemeldet, reagierte Dell trotzdem ? wenn auch nur mit dem Austausch der Geschäftsführung. Im Februar wurde Mathias Schädel von Alain Bandle abgelöst.

Der neue Geschäftsführer Bandle reiste in der vergangenen Woche nach Sachsen-Anhalt, um den zweiten deutschen Standort des Anbieters bekannt zu geben. In dem neuen Vertriebs- und Service-Zentrum in Halle sollen bis Herbst 2010 bis zu 750 neue Arbeitsplätze entstehen. 300 sind noch bis zum Herbst geplant: »Deutschland ist einer der wichtigsten Märkte für Dell und deshalb ein sehr attraktives Ziel für unsere Investitionen«, erklärte der ebenfalls anwesende Europa-Chef Paul Bell. Das Ziel ist klar: Über die Drehscheibe Halle soll der lahmende deutsche Vertrieb angekurbelt werden. Hier werden vor allem Produkte für öffentliche Auftraggeber sowie kleine und mittlere Unternehmen vermarktet und die technischen Dienste für Unternehmenskunden angesiedelt. Bislang betreut Dell seine deutschen Kunden von der Hauptniederlassung in Langen und vom slowakischen Bratislava aus. Weiterhin steht ein neues europäisches Produktionswerk zur Debatte, das ebenfalls in Halle gebaut werden könnte. Ausschlaggebend für die Entscheidung für den Standort Halle sei »die berufliche Qualifikation der Menschen« gewesen. Ein weiterer Grund dürfte der Förderbescheid des Bundeslands gewesen sein, dessen Summe nicht genannt wurde.

Dell-Konzernchef Kevin Rollins will zum »größten IT-Anbieter der Welt« aufsteigen. Doch ein Schwachpunkt in der Dell-Strategie war bislang das Dienstleistungs-Geschäft. Um an Weltmarktführer IBM vorbeizuziehen, muss das Unternehmen seine Anstrengungen bei den lukrativen Services massiv ausbauen. Im Rahmen einer neuen Suite bietet der Konzern in Deutschland ab sofort spezielle Services für den Mittelstand an. »Damit können Unternehmen ihre Dienstleistungen genau so zusammenstellen, dass sie ihren ganz spezifischen Anforderungen entsprechen«, so die Umschreibung in einer aktuellen Erklärung der Firma. Das Stichwort heißt »Dell on Dell«, was bedeutet, dass es die Services nur in Kombination mit Dell-Hardware gibt. Zu der neuen Suite gehören mit Planung und Beratung, Integration und Vorkonfiguration, Installations-Services sowie der Entsorgung von Altgeräten vier Bausteine. In punkto Vermarktung weicht der Konzern erstmals offiziell von seinem hochgelobten Direktvertrieb ab: »Dell unterhält kein unnötig großes Service-Heer, das nicht immer komplett ausgelastet ist, aber trotzdem finanziert werden muss. Dell integriert in die Projekte Dienstleistungen von strategisch selektierten IT-Dienstleistern ? ausgewählt nach Anforderung, Preis und Flexibilität des Service-Zulieferers«, heißt es in der Firmenmitteilung. Dell sei in jedem Fall der verantwortliche Generalunternehmer, führe die Beratung und Konzeptionierung durch und verantworte die Komplettlösung, inklusive des Projektmanagements.

Die Idee ist nicht neu, schließlich begann Dell bereits im November 2003 sein Dienstleistungs-Geschäft in Deutschland anzukurbeln. Die Sparte »Professional Services« sollte immerhin 15 bis 20 Prozent zum Umsatz hierzulande beitragen (siehe CRN 48/2003). Auch die Abwicklung war vor zwei Jahren fast die gleiche: IT-Systemhäuser wurden als Partner akquiriert, Dell trat als einziger Ansprechpartner und Koordinator beim Kunden auf. Das Motto damals wie heute: Man arbeitet zwar mit Partnern zusammen, macht aber alles besser. Schließlich »mystifiziert Dell seine Services nicht und nennt Ross und Reiter. Hier weiß jeder Kunde, was er bezahlt, weil die Kosten transparent sind«, so der Direktvermarkter.

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Kommentar

Jetzt macht Dell in Deutschland ernst: neuer Geschäftsführer, neues Service-Zentrum in Halle, neue Dienstleistungs-Angebote für den Mittelstand. Doch bislang haben sich sowohl Privatkunden als auch Unternehmen hierzulande hartnäckig geweigert, die Dell-Philosophie anzunehmen. Das Resultat ist ein mäßiger fünfter Rang in den deutschen PC-Charts. Aber die Texaner werden künftig »beißen«, und hohe Investitionen sind nicht der schlechteste Weg, sich Marktanteile zu erkaufen.