»Der Mittelstand hält den ERP-Markt in Bewegung«
Im ERP-Markt ist die Fusions- und Konsolidierungswelle mittlerweile abgeebbt. Der Mittelstand wird das Geschäft mit betriebswirtschaftlichen Lösungen dennoch in Gang halten, wie Godelef Kühl, Geschäftsführer und Gründer des Mainzer ERP-Herstellers Godesys, im Gespräch mit CRN-Redakteurin Karena Friedrich erklärt.

CRN: Herr Kühl, vor drei Jahren hat Gartner prognostiziert, dass der ERP-Markt sich in wenigen Jahren so stark konsolidieren werde, dass nur noch eine Handvoll Global Player übrig bleiben. Wie schätzen Sie den Markt heute ein?
Kühl: Ich sehe keine Konsolidierung. Die bekannten Ausnahmen gibt es doch in jedem Markt. Es behaupten sich eine Reihe mittelständischer ERP-Anbieter – und das sehr erfolgreich. Im Wettbewerb stoßen wir beispielsweise selten auf Microsoft mit ihrer Navision-Lösung, da mittelständische Unternehmen diese aus politischen Gründen oft gar nicht erst in Erwägung ziehen. Erfolgreich ist sie allerdings dort, wo Kunden komplette Software-Stacks aus einer Hand bevorzugen.
CRN: Wo liegt also das Erfolgsrezept der mittelständischen ERP-Anbieter?
Kühl: Da ist zum einen die hinlänglich bekannte und vielgerühmte Augenhöhe. Zum anderen agieren mittelständische Anbieter serviceorientierter und flexibler, sind weniger von den reinen Lizenzerlösen abhängig. Und das ist bei der zu beobachtenden Entwicklung im ERP-Geschäft unabdingbar. Die Lizenzerlöse pro User sinken stetig. Was steigt, sind vor allem Wartungs- und Serviceerlöse.
CRN: Setzen Sie deshalb jetzt auf eine Open-Source-Plattform?
Kühl: Gerade der Mittelstand wünscht sich umfassende, betriebswirtschaftliche Funktionalitäten, die einfach nutzbar sind und die durch freie Standards zunehmend von Herstellern unabhängiger werden. Und das macht sich direkt in den Anschaffungs- und Betriebskosten bemerkbar. Als unabhängiges Softwarehaus können wir technologisch und betriebswirtschaftlich gesehen viel schneller auf diese Bedürfnisse reagieren.
CRN: Wie wird sich vor diesem Hintergrund das ERP-Geschäft im Mittelstand entwickeln?
Kühl: Wenn man den Markt genau beobachtet, kann von Stagnation keine Rede sein. Und das liegt auch am Wandel des Mittelstands. So steigt beispielsweise dessen Automatisierungsgrad stetig an. Das erfordert wiederum eine stärkere Standardisierung der Software-Lösungen, da grundlegende betriebswirtschaftliche Prozesse wie ERP, CRM und SCM zunehmend ineinander verschmelzen. Wo man früher applikationsorientiert gedacht hat, konzentriert man sich eben heute auf die Prozesse. Diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird den ERP-Markt auch in Zukunft in Bewegung halten.
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