Durch aktives Nichtstun Wahlen gewinnen
Der Mensch ist für die tägliche Mühsal der Arbeit nicht geboren. Die Höllenstrafe, bei gleichzeitiger Erhebung der Faulheit in den Stand einer Todsünde, wurde ja deshalb von weisen Theologen erfunden, damit sie ungestört auf ihren Pfründen sitzen und dem geschäftigen Treiben des tumben Volkes anteilslos beiwohnen konnten. Das funktioniert bis heute.
Erinnern Sie sich noch an die erste Amtszeit von Gerhard Schröder? Aktives Nichtstun, unterbrochen von Rotweingelagen im Kanzleramt, gelegentliche Besuche im Atelier eines berühmten Fotografen und geduldiges Warten auf die große Jahrhundertflut, die Schröder dann allerdings doch ein wenig Arbeit abverlangte, sich auf die Reste gebrochener Dämme in Nord- und Ostdeutschland zu schwingen und zur Rettung der Heimat aufzurufen. Ausgezahlt hat sich die bescheidene Aufbauhilfe allemal: Schröder wurde wiedergewählt und stürzte erst, als er an der Agenda 2010 zu arbeiten begann.
Kurz vor der Wahl 2009 werden die Parteistrategen nun doch noch nervös, was nicht verwundert. Weder eine Sintflut noch eine Großbankenrettung sind in Sicht, ein Angriff Außerirdischer nicht zu erwarten. Lediglich die Rettung maroder S-Bahnen böte sich für eine mediale Last-Minute-Inszenierung an. Das langt aber höchstens, um Klaus Wowereit im Amt des Berliner Bürgermeisters zu beerben. Bundespolitisch gesehen lohnt dieser Aufwand nicht, es geht es ja schließlich am 27. September um das Amt des Bundeskanzlers. Wenige Tage vor der Wahl heißt es jetzt: nur nicht die Nerven verlieren und weiter durch konsequentes Nichtstun Aufmerksamkeit erregen und um Wählerstimmen buhlen. Vorbildlich zieht das Guido Westerwelle durch. Zehn Tage vor dem Wahlsonntag hat der FDP-Chef einen Twitter-Account eröffnet und allen Warnungen zum Trotz sogar schon zwei Beiträge veröffentlicht. Das müsste für Schwarz-Gelb eigentlich locker reichen. Wenn da nicht Horst Seehofer in seinem letzten von drei Kommentaren (14. Juli) fahrlässig dazwischenzwitschern würde! Verrät doch der bayerische Ministerpräsident auf Twitter allen Ernstes, dass er mit »klaren CSU-Positionen« einen »parteiinternen Telefonsturm« ausgelöst habe. Wer soviel Klarheit fordert und Hektik sät, kann eigentlich nur verlieren.
Genau das will Gregor Gysi nicht, weshalb er das Prinzip des aktiven Nichtstuns im Wahlkampf 2.0 bis zuletzt konsequent durchzieht. Am 8. April kündigt Gysi an, man werde im Wahlkampf gemeinsam twittern und stellt am selben Tag die Kurzmitteilungsbotschaften ein. Die Strategie der Desinformation müsste am kommenden Wahlsonntag für mindestens 25 Prozent gut sein.