Kopfnuss

Entstoibert: Die beste Lenkung ist die Sprachlenkung

14. August 2007, 8:10 Uhr |

Die auffälligste Innovation seit Jahren, da sind sich Sprachforscher einig, kommt aus dem Bundesfinanzministerium (BMF).

Statt Wortungetüme in die Welt zu setzen wie »Gesetz über die Zertifizierung von Alters-Vorsorgeverträgen « (Altersvorsorgeverträge- Zertifizierungsgesetz – Alt- ZertG) heißt es schlicht Riester- Zertifikat, wenn Versicherungen mit Produkten für das »Riestern« werben. Wahlweise kann man auch rürupen, falls man nicht gehartzt ist, denn dann lohnt sich keine private Altersvorsorge. Gesetze nicht nur nach ihren Urhebern zu benennen, sondern zugleich die mit ihnen zusammenhängenden Tätigkeitswörter einzuführen, werden vom BMF ab sofort auch offiziell verfolgt.

Unter Leitung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wurde nun ein Gesetz zur Benamsung von Gesetzen (GBenamG) ausgearbeitet. Gesetzesvorlagen müssen ab sofort gesteinbrückt, also nach ihren Urhebern bezeichnet werden, was insbesondere die Riege der bislang völlig unbekannten, aber eben nicht namenlosen Staatssekretäre freut. Wie Barbara Hendricks, unter deren Federführung das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwArbG) entstand. »10 Jahre Knast – recht so für schamloses hendricksen!«, titelt BILD.

Ganz unproblematisch ist diese Regelung, trotz aller sprachökonomischen Vorteile, natürlich nicht. Für Frau Hendricks mag der Umstand, dass mit ihrem Namen eine Stigmatisierung einhergeht, bedauerlich sein. Zu Recht, denn Peter Hartz beispielsweise leidet schrecklich mit den Millionen Empfängern von der nach ihm benannten Sozialhilfe. Wenn »hartzen« auch noch zum Synonym für Lustreisen, Bestechung und Korruption wird, dann muss man auch noch um den gesegneten Schlaf des ehemaligen Personalvorstands von VW fürchten.

Überhaupt sollen sich künftig alle Bundes- und Landesgesetze nach der vom BMF initiierten Benamsungsvorschrift richten, unabhängig mit den damit möglicherweise verbundenen Ehrverletzungen ihrer Namensträger.

Ganze Arbeit haben schon die Staatslinguisten in Bayern geleistet. In Kürze werden im Freistaat offiziell neue Verben eingeführt, die sich aus den Namen ehemaliger und zukünftiger Ministerpräsidenten ableitet. So sollen nach und nach sperrige Bezeichnungen ersetzt werden wie Haushalt erfolgreich konsolidieren, Innovationen gezielt fördern und Familien massiv stärken. Als Erstes lernen angehende Beamte in Bayern, wie man sich im Staatskundeunterricht ab sofort korrekt ausdrückt.

Ein Auszug aus der Sprachregelung: »In Bayern findet eine Von-der-Leyenisierung der Familien nicht statt. Der Familienlastenausgleich wird auch unter neuer Führung der Staatsregierung konsequent gebecksteint.« Da ist es völlig wurscht, ob die CSU künftig seehofern oder hubern wird. Für den designierten Ministerpräsident Günter Beckstein ist indes eines klar: »Eine Paulisierung« der Partei wird es mit ihm nicht geben. Da kann die schöne Fürther Landrätin noch so ins Feld führen, dass es schließlich sie gewesen sei, die die Partei gründlich entstoibert habe


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