Europäischer Güterverkehr macht Dampf. Über das Projekt Europtirails, dem Echtzeit-Management von Zugfahrten, spricht Staat & IT Redakteurin Henriette Struss mit Stephan Breu, zuständig für die Planung von Dispositionssystemen bei der Deutsche Bahn (DB) Netz.
Warum wurde ein Projekt zum Aufbau eines grenzüberschreitenden Dispositionssystems für das Bahnnetz in Europa gestartet?
Die Zielsetzung des Projektes Europtirails ist die Förderung des europäischen Eisenbahngüterverkehrs. Das System soll die grenzüberschreitende Darstellung und Auswertung der Züge auf dem Korridor Rotterdam- Milano ermöglichen. Durch die einheitliche Datenaufbereitung wird sich die Fahrplangestaltung verbessern lassen. Eisenbahninfrasturkturbetreiber (EIB) können damit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) einen besseren Service bieten. Zum Beispiel soll die Pünktlichkeit der Züge online europaweit überwacht werden.
Wieviel kostet das Projekt?
Das Projekt kostet mehrere Millionen Euro und wird von der EU gefördert. In der Summe sind Lastenhefterstellung, Spezifikation und Realisierung durch den Hersteller sowie die fachliche Betreuung durch das internationale Eisenbahnkonsortium enthalten. Die Gesamtlaufzeit des Projektes beträgt etwa drei Jahre. Auf Basis von sehr unterschiedlichen Infrastrukturdaten und Fahrplansystemen der EIB ist eine einheitliche Abbildung der Zuglaufund Verspätungsinformationen zu realisieren. Dabei darf sich das System nicht zu sehr auf Topographiedaten stützen, sondern muss ergänzend die Daten in zeitlicher Reihenfolge betrachten können. Diese Anforderungen erfüllt nur ein robustes und fehlertolerantes System.
Welche Technologien werden zum Aufbau des Systems eingesetzt?
Für Verarbeitung und Visualisierung werden Internet-Standards auf Basis einer Datenbank genutzt. Der Anwender bekommt die Daten über einen Webbrowser dargestellt. Die Kommunikation zwischen dem Zentralsystem und den Schnittstellenrechnern der Bahnen wird über das Hosa-VPN (IP-basiertes VPN für Bahnanwendungen) mittels Websphere MQ auf Basis von TCP/IP abgewickelt. Für die fachlichen Inhalte der Datensätze werden standardisierte Datensätze aus dem UIC-Merkblatt 407-1 angewendet (standardisierter Datenaustausch zur Durchführung des Eisenbahnbetriebs). Diese werden bereits im bilateralen Datenaustausch zwischen den Bahnen und den EVUs genutzt.
In wie weit werden bestehende Systeme integriert?
Eine Systemintegration in die bereits bestehenden Leitsysteme der beteiligten Bahnen ist nicht vorgesehen. Das neue Zentralsystem wird über Datenschnittstellen kommunizieren, die von den nationalen Systemen unterstützt werden sollen. Die Schnittstellen sind teilweise durch den bilateralen Datenaustausch vorhanden. Für das Projekt müssen sie entsprechend funktional erweitert werden.
Liegt das Projekt im Zeitplan?
Den Projektverlauf verantwortet das Europtirails-Konsortium. Mit der technischen Spezifikation und Programmierung wurde der IT-Dienstleister Steria beauftragt. Seit Mai laufen erste Vortests bei dem Konsortium in Lausanne. Das Projekt hat bisher wegen der administrativen und fachlichen Komplexität einen Verzug von circa sechs Monaten. Mit einer Inbetriebnahme wird zu Beginn des Jahres 2006 gerechnet.
Wie wird sichergestellt, dass sich das System auf weitere EU-Beitrittsländer und Verbindungen von Hauptbahnlinien erweitern lässt?
Eine Erweiterung über standardisierte Schnittstellen ist für jeden EIB möglich. Die Hardware des Zentralsystems ist entsprechend zu skalieren. Die Struktur des Systems ist für weitere europäische Eisenbahnkorridore ausgelegt.
Und was passiert, wenn das System ausfällt?
Das System soll keinen Einfluss auf die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs haben. Ausfälle werden aber zu empfindlichen Qualitätseinbußen der Dienstleistung führen, wenn Eurotirails in die Geschäftsprozesse eingebunden ist. Es wird deshalb erst zu einem weiteren Ausbau kommen, wenn das System sich bewiesen hat.