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Forschen und entwickeln für andere

Forschen und entwickeln für andere Research und Development aus dem Unternehmen zu geben, galt lange Zeit als absolutes Sakrileg bei deutschen Firmen. Doch langsam ändert sich das – nicht zuletzt wegen des starken Kostendrucks in bestimmten Branchen.

Autor:Redaktion connect-professional • 1.11.2007 • ca. 1:35 Min

Die weißen Schildchen zeigen an, was Tieto-Enator-Entwickler zum Innenleben unter der Motorhaube eines BMW-Fahrzeugs der Oberklasse beigetragen haben.
Direkt im Fahrzeug entwickeln Forscher von Tieto Enator die Softwaresteuerung des Getriebes eines BMW-Fahrzeugs.
Direkt im Fahrzeug entwickeln Forscher von Tieto Enator die Softwaresteuerung des Getriebes eines BMW-Fahrzeugs.

Wer vor 20 Jahren ein Auto kaufte, konnte ziemlich sicher sein, dass dort, wo BMW draufstand, auch BMW drinsteckte. Das ist heute längst nicht mehr so. Autos, besonders die der höheren Leistungsklassen, sind zu wahren Software-Monstern mutiert. Und zwei Drittel der Software, die heute beispielsweise in einem BMW der Oberklasse steckt, stammt nicht mehr von der bayerischen Autoschmiede, sondern von Zulieferern. Insofern ist R+D-Auslagerung längst eine Realität. Auf breiter Front konnte sich die Vergabe externer Forschungs- und Entwicklungaufträge oder gar kompletter Entwicklungsprozesse von Produktlinien, möglichst sogar inklusive Wartung und Support, hierzulande noch nicht durchsetzen. Anders in Skandinavien. Dort gingen vor allem die Banken frühzeitig daran, sich fortschrittliche Online-Banking-Anwendungen von externen Anbietern entwickeln zu lassen, beispielsweise von Tieto Enator, einem Unternehmen, das mittlerweile auch in Deutschland stark expandiert. So wurden 250 Entwickler von Siemens-München und 300 ehemalige Benq-Entwickler aus Breslau in Polen von Tieto Enator einverleibt. Das Unternehmen hat sich besonders in Deutschland auf R+D-Dienstleistung spezialisiert. »Diesem Ansatz wurde zunächst wenig Erfolg eingeräumt, doch nun zeigt sich, dass wir Recht damit hatten, Entwicklungsressourcen einzukaufen, als sie günstig waren«, meint Ari Martti Vanhanen, Senior Vice President des Servicespezialisten. Der wächst derzeit in Deutschland jährlich um gut 20 Prozent. Die Kunden kommen hauptsächlich aus der Telekommunikation, dem Medienbereich und dem Maschinenbau. Ausgebaut werden die Bereiche Healthcare und Banking/Finance. In Deutschland steht Tieto Enator auf Platz 18 der Lünendonk-Liste der größten IT-Dienstleister und -Berater. Derzeit beschäftigt die Firma in Deutschland rund 1500 Mitarbeiter

Zersplitterter Markt Der deutsche R+D-Dienstleistungsmarkt präsentiert sich zersplittert. Es gibt nur wenige größere Anbieter mit R+D-Spezialisierung. Dazu gehören neben Tieto Enator Firmen wie T-Systems, in geringem Umfang auch Cap Gemini und seit neuestem Accenture. Wichtige Wettbewerber sind auch indische Dienstleister wie Tata Consulting Services (TCS), Satyam, Infosys oder Wipro. Dazu kommen Ingenieur-Leiharbeiter, die im Weg der Arbeitnehmerüberlassung als externe Entwickler in die Unternehmen kommen. Eine besondere Eigenheit des deutschen R+D-Outsourcingmarktes ist es, dass sehr viel ausgelagerte Entwicklung von kleinen und mittelständischen, hochspezialisierten Firmen betrieben wird. Das erschwert den Marktüberblick und macht das Wachstum durch Zukäufe für die Großen problematisch, weshalb sie hierzulande meist auf organisches Wachstum setzen.