Export von IT-Services wächst rasant

Indiens IT-Industrie vom eigenen Erfolg gebremst

6. März 2006, 14:54 Uhr | Martin Fryba

Indiens IT-Industrie vom eigenen Erfolg gebremst. Der indische IT-Sektor soll in diesem Jahr auf das Rekordniveau von 36 Milliarden Dollar wachsen. Der rasante Anstieg des Exports indischer IT-Dienstleistungen stößt aber bereits an Kapazitätsgrenzen. Im Outsourcing-Musterland wird es immer schwieriger, qualifiziertes Personal einzustellen und unterzubringen. Zudem lassen ausländische IT-Konzerne bei der Suche nach kostengünstigen Standorten den Subkontinent immer häufiger links liegen.

Indiens IT-Industrie vom eigenen Erfolg gebremst

Indiens IT-Industrie erlebt seit Jahren schon einen gewaltigen Boom, der lange noch nicht zu Ende ist. In diesem Jahr, so schätzt NASSCOM, die National Association of Software and Service Companies, werde der indische IT-Markt voraussichtlich um 28 Prozent auf ein Volumen von 36 Milliarden Dollar wachsen. Der Hauptteil davon entfalle auf den Export von Software und Services: Die für dieses Jahr geschätzten 1,3 Millionen Angestellten im IT-Sektor würden Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von 23,4 Milliarden Dollar (Plus 32 Prozent) für Kunden im Ausland erbringen. Am stärksten würde der Teilbereich Business Process Outsourcing (BPO) wachsen. Die Auslagerung ganzer Geschäftsprozesse würde um 37 Prozent auf 6,3 Milliarden Dollar klettern.

»Das alles überragende Wachstum in Indien übertrifft die Entwicklung in Europa und den USA bei weitem«, sagt einer, der es wissen muss. Gerrit R. Hermes ist Geschäftsleiter des indischen Outsourcing-Spezialisten Hexaware in Frankfurt. Und er macht auf einen Umstand aufmerksam, mit dem sich jene in den westlichen Industrieländern nur schwer anfreunden können, für die Outsourcing einem Schreckensgespenst gleichkommt. »Viele Konzerne können ihre IT-Abteilung nur deshalb in Deutschland aufrecht erhalten, weil sie Programmieraufgaben auslagern«, meint Hermes. »Ohne Outsourcing würde die ganze Abteilung ins Ausland auswandern«. In Frankfurt, wo Hexaware rund 100 IT-Spezialisten beschäftigt, sucht der Geschäftsführer gerade Fachpersonal.

Wie Hexaware haben auch andere indische IT-Dienstleister ihr Geschäftsmodell in ein so genanntes Onsite-Offshore-Modell geändert. So beispielsweise auch der größte indische IT-Dienstleister Tata Consultancy Services (TCS). Denn die Inder haben erkannt, dass es nicht ausreicht, lediglich mit einer Vertriebsrepräsentanz um Kunden außerhalb Indiens zu werden. Nichts anderes machen westliche Hersteller wie IBM, Microsoft, SAP oder deutsche IT-Riesen wie SBS, die alle in Indien Kapazitäten geschaffen haben. Ohne die Mischkalkulation aus vor Ort beim Kunden erbrachten Leistungen und nach Indien verlagerten Tätigkeiten wären sie kaum mehr wettbewerbsfähig.

Allerdings könnte der indische Markt für Software und Services auch Opfer seiner eigenen Erfolgsgeschichte werden. Die Errichtung von Bürogebäuden sei bereits ein Hauptproblem, berichtet Hermes. Gravierender ist die Lage im Beschäftigungssektor: Bereits heute hält der indische Arbeitsmarkt für IT-Spezialisten nicht Schritt mit der enormen Nachfrage.

Die Folge: Das Gehaltsniveau in Indien schreckt bereits Konzerne ab, die durch eine Auslagerung in Billiglohnländer Kosten senken wollen. So hat Ingram Micro, weltgrößter Distributor, vergangenes Jahr in den USA rund 450 Jobs verlagert, nicht komplett nach Indien, sondern einen Teil auf die Philippinen. Ähnlich äußerte sich unlängst Martin Read, CEO der niederländisch-britischen IT-Dienstleisters Logica CMG. Mehr als 2.000 Angestellte beschäftigt der Konzern in Bangalore. »Das Lohnniveau in Indien ist ähnlich gestiegen wie die Industrie von Offshore-Outsourcing gereift ist«, beobachtet Read. Um weitere Kapazitäten in Billiglohnländern auszustocken, wird Logica CMG nicht umzukommen. Read nennt aber vor allem Malaysia und die Philippinen als attraktive Alternativen zu Indien.


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